Ernährungsforschung - ein Schwerpunkt im ScienceBlog

So. 02.02.2025 — Redaktion

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Die Ernährungsforschung ist eine noch eine recht junge wissenschaftliche Disziplin, die erst im 20. Jahrhundert einsetzen konnte, als die Chemie imstande war komplexe organische Materialien zu analysieren und einzelne Strukturen daraus aufzuklären. Im ScienceBlog liegt eine bereits sehr umfangreiche Artikelsammlung vor, die viele unterschiedliche Facetten der Ernährungsforschung zeigt: Diese reichen vom Mangel an Nährstoffen oder deren exzessiven Konsum und damit assoziierten Krankheiten, über die Rolle des Mikrobioms und über Vergiftungen bis hin zu Adaptierungen in Lebensweise und Konsumgewohnheiten als Folge einer sich rasch verändernden Welt. Die Artikelsammlung ist auch unter der Rubrik "Artikel sortiert nach Themenschwerpunkten" gelistet und soll durch neue Berichte entsprechend ergänzt werden.

"Deine Nahrung sei Deine Medizin, Deine Medizin sei Deine Nahrung" Offensichtlich war den Menschen seit alters her bewusst, dass Ernährung und Gesundheit untrennbar miteinander verknüpft sind. Obiges Zitat wird üblicherweise dem griechischen Arzt Hippokrates (460 - 370 BC) zugeschrieben, der als Begründer einer wissenschaftlichen Medizin gilt. Für Hippokrates galt eine gesunde Ernährung als zentrale Voraussetzung für Wohlbefinden und ein gutes Leben - diaita (davon leitet sich unser Grundbegriff Diät) - her. Abbildung 1.

Abbildung 1. Hippokrates auf dem Boden des Asklepieion von Kos sitzend, mit Asklepios, dem in einem Boot ankommenden Gott der Heilkunst in der Mitte. Mosaik aus dem 2-3.Jh n.Chr. (Bild: By Tedmek - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15847465)

Das von Hippokrates angestrebte Wohlbefinden findet sich heute, fast 2500 Jahre später, in der Definition der WHO wieder: "Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Das körperliche Wohlbefinden bezieht sich auf das Funktionieren unseres Körpers, das geistige darauf, wie wir unser Leben bewältigen und das soziale auf unsere Beziehungen zu anderen".

Was aber ist Ernährung, was eine gesunde Ernährung?

Die Wissenschaft in diesem Gebiet ist noch sehr jung. Eine Analyse, woraus sich Nahrung zusammensetzt, wurde erst mit den Anfängen der Chemie möglich, d.i. ab dem späten 18. Jahrhundert. Im Habsburgerreich gelang 1810  dem jungen Joseph Wilhelm Knoblauch eine - leider weitgehend vergessene - Pionierleistung mit seinem damals preisgekrönten, monumentalen 3-bändigen Werk “Von den Mitteln und Wegen die mannichfaltigen Verfälschungen sämmtlicher Lebensmittel außerhalb der gesetzlichen Untersuchung zu erkennen, zu verhüten und möglichst wieder aufzuheben“ (siehe Artikelliste).

In der Mitte des 19. Jahrhunderts hat der Mediziner und Chemiker Vinzenz Kletzinsky erstmals den Begriff "Biochemie" als Lehre vom Stoff des Lebens geprägt und damit die Bescheibung des Kreislaufs des organischen Lebens angestrebt  (siehe Artikelliste).

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

bezogen sich die Analysen von Nahrungsmitteln bloß auf deren Gehalt an Makronährstoffen, d.i. an den Stoffklassen der Proteine, Fette und Kohlenhydrate, die dem Körper Energie liefern - ohne deren Komponenten noch zu kennen. Zu den Makronährstoffen zählen auch Wasser, das keine Energie liefert und Ballaststoffe, die nicht - wie bis vor Kurzem angenommen - unverdaut ausgeschieden werden, sondern über das Mikrobiom im Darmtrakt zu energieliefernden Produkten abgebaut werden können.

In einem 1918 erschienenen Handbuch "Diet and Health" hat die US-amerikanische Ärztin Lulu Hunt Peters erstmals eine neue Methode zur Bewertung von Lebensmitteln vorgestellt - nämlich deren Nährstoffgehalt in ihrem Brennwert, d.i. in Kalorien auszudrücken. Daraus leitete sich die Möglichkeit ab durch Limitierung der aufgenommenen Kalorien "Kalorienzählen" eine Reduktion des Körpergewichts zu erzielen. Das Buch wurde ein Bestseller und hat ein Jahrhundert von Diätmoden eingeleitet, die uns bis heute hungern lassen, um unsere Körper kräftig und gesund zu erhalten.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelang es essentielle Mikronährstoffe - Vitamine, Prohormone (Vitamin D, A) und Vitalstoffe - in Nahrungsmitteln zu isolieren, zu charakterisieren und schwere Mangelzustände mit spezifischen Krankheitsbildern (z.B. Skorbut, Pellagra, Anämie und Rachitis) zu assoziieren. Diese Erkenntnisse führten zur industriellen Vermarktung von Mikronährstoffen - als Supplemente und angereichert in Grundnahrungsmitteln - und eröffneten damit neue Möglichkeiten zur Behandlung von Mangelzuständen.

Die Rolle von Mangelernährung konzentrierte sich auch auf den Proteinmangel, vor allem bei Kindern in Entwicklungsländern (Folge: Marasmus und Kwashiorkor) aber auch u.a. bei geriatrischen Patienten in der westlichen Welt. Die Industrie antwortete mit der Entwicklung von eiweißangereicherten Formeln und Beikost für Entwicklungsländer.

Auch weiterhin blieb die Lebensmittelforschung in den Händen der Chemie; in Deutschland und auch in Österreich wurden erst in der zweiten Hälfte des 20 Jh. die entsprechenden Lehrstühle nicht mehr ausschließlich mit Chemikern besetzt; das Fach ist heute multidisziplinär.

Die aus einer Arbeit von Dariush Mozaffarian entnommene Abbildung 2 fasst die historische Entwicklung der Ernährungsforschung seit rund 100 Jahren zusammen.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

verlagerte sich das Interesse der Ernährungsforschung auf die Rolle von Nährstoffen bei chronischen Krankheiten, vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas, Diabetes und Krebserkrankungen. Man blieb bei dem für Vitaminmangel erprobten Modell die physiologische Wirkung eines einzelnen Nährstoffes zu verfolgen und daraus seine optimale Dosis zur Prävention von Krankheiten bestimmen zu wollen. Es zeigte sich, dass diese Strategie aber nur schlecht auf chronische Erkrankungen übertragbar ist, Adipositas, Diabetes und einige Krebserkrankungen stiegen an.

Abbildung 2. Wesentliche Ereignisse der modernen Ernährungswissenschaft mit Auswirkungen auf die aktuelle Wissenschaft und Politik (Bild modifiziert aus: Dariush Mozaffarian et al., BMJ 2018;361:k2392 | doi: 10.1136/bmj.k2392. Lizenz cc-by)

Zum Unterschied zu den erfolgreichen früheren Vitaminstudien erweisen sich derartige Untersuchungen als hochkomplex und sehr teuer; deren Qualität ist häufig niedrig und das Ergebnis enttäuschend. Bei einer jahrelangen Studie zu einer bestimmten Diätform ist ja eine riesige Anzahl von Probanden nötig, um einen signifikanten Unterschied im Ergebnis nachzuweisen. Dabei ist es kaum möglich  zu kontrollieren, wie weit sich die Probanden an die vorgeschriebene Diät gehalten haben und echte Placebo-Gruppen fehlen zumeist  (man kann ja Probanden über Jahre nicht schweren Mangelbedingungen aussetzen).

Als Beispiel sei die 5-Jahre dauernde US-amerikanische Studie VITAL an 26 000 Probanden zur erhofften positiven Wirkung von Vitamin D-Supplementierung auf Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen angeführt (siehe Artikelliste). Es konnte hier kein signifikanter Unterschied zwischen Vitamin D-supplementierter Gruppe und Placebogruppe festgestellt werden, allerding lagen die Blutspiegel der Placebogruppe (die Teilnehmer durften täglich 800 IU einnehmen) bereits im Bereich erstrebenswerter normaler Vitamin D-Konzentrationen (25(OH)2D3 im Mittel 30,8 ng/ml), sodass  eine weitere Steigerung in der supplementierten Gruppe (25(OH)2D3 im Mittel rund 42 ng/ml) nicht unbedingt zu zusätzlicher Wirkung führen brauchte.

Ernährung in der Zukunft

Der Klimawandel nimmt an Fahrt zu und bedroht den Bestand einiger unserer Grundlebensmittel. Unsere Konsumgewohnheiten tragen noch dazu bei, dass miteinander verknüpfte Probleme wie Klimawandel, Luftverschmutzung und Verlust der biologischen Vielfalt weiter fortschreiten. Wir sind zudem abhängig von einer globalisierten Versorgung mit einer "Handvoll" von Nahrungsmitteln geworden. Diese Handvoll, die zu 90 % zur Ernährung der Menschheit beiträgt, kann durch politische Unruhen, Kriege, Pandemien und andere Katastrophen bedroht werden. Nahrungsmittel müssen sich an die Gegebenheiten adaptieren, Pflanzenzucht, Landwirtschaft, Viehhaltung und Lebensmittelproduktion werden sich dementsprechend verändern und auf Verhaltensweisen und Konsumgewohnheiten einwirken, um Menschen mit sehr unterschiedlichen Überzeugungen und Wertebegriffen dazu zu bringen, diese zu ändern.


Artikelsammlung im ScienceBlog (wird laufend ergänzt)


Mikronährstoffe

Übergewicht

Diabetes

Mikrobiom

Vergiftungen

Ernährung in einer sich verändernden Welt