Do, 27.01.2022 — Redaktion
Der Umstieg auf erneuerbare Energie konkurrenziert mit der Landwirtschaft um geeignete Bodenflächen. Eine grandiose Lösung zur optimierten Nutzung der begrenzten Ressource Land kann von Agrophotovoltaik erwartet werden, der gleichzeitigen Landnutzung sowohl für die Produktion von Energie als auch von Nahrung. Weltweit laufen Pilotprojekte, um die Effizienz solcher "Anbausysteme unter Solarpaneelen" und deren Marktfähigkeit zu testen. Wesentliche Aspekte dieser Forschungen, zu denen auch von der EU-unterstützte Projekte (PanePowerSW und HyPErFarm) beitragen, wurden kürzlich im EU-Research & Innovation Magazine "Horizon" beschrieben*. .*
In einem Photovoltaikpark auf dem griechischen Festland wird eine Mischung aus aromatischen Kräutern und Blumen angebaut. In Spanien teilen sich Artischocke und Brokkoli Felder mit Solar-Paneelen. In Belgien wurden Paneele direkt über Birnbäumen und Zuckerrübenbeeten installiert. Abbildung 1.
Abbildung 1: Forscher testen die Effizienz von Pflanzenwachstum unter Solarpaneelen und deren Marktfähigkeit. (Bild: © Brite, 2022, siehe unten) |
Dies sind Beispiele für Agrophotovoltaik – eine neue nachhaltige Lösung, die auf dem Vormarsch ist. In ganz Europa tauchen Pilotprojekte auf, die aufzeigen sollen, wie die Ernte von Sonnenlicht für landwirtschaftliche Betriebe eine Win-Win-Situation sein könnte, insbesondere für Kleinbauern, die nach Möglichkeiten suchen, ihre Erträge zu steigern und gleichzeitig weniger Energie und Wasser zu verbrauchen.
Laut den Vereinten Nationen ist der Wasser-Nahrung-Energie-Nexus der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaften (1]. Nach allen drei Ressourcen steigt die Nachfrage - Treiber sind die steigende Weltbevölkerung, die rasche Urbanisierung, veränderte Ernährungsgewohnheiten und das Wirtschaftswachstum. Aus den Daten der Vereinten Nationen geht auch hervor, dass die Landwirtschaft heute der größte Verbraucher der weltweiten Süßwasserressourcen ist, und mehr als ein Viertel der weltweit verbrauchten Energie für die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung aufgewendet wird.
Die Welt wird in den nächsten 30 Jahren Heimat von unglaublichen 10 Milliarden Menschen sein. Das sind nicht nur sehr viele Menschen, sondern auch viele Mäuler zu stopfen – viel zu viele, als dass die heutigen Landwirtschaften sie zufrieden stellen könnten. Um diese zukünftige Bevölkerung zu ernähren, müssen wir tatsächlich doppelt so viel Nahrung produzieren wie heute – eine Aufgabe, die voll von Herausforderungen ist.
Erst einmal gibt es die Herausforderung, wo mehr Pflanzen angebaut werden sollen. Von insgesamt 13 Milliarden Hektar Land auf diesem Planeten stehen nur 38 % für die Landwirtschaft zur Verfügung. Um diese Fläche zu vergrößern müssten Wälder – einschließlich Regenwälder – in Ackerland umgewandelt werden, was zu einem großen Verlust an Biodiversität führen würde. Und weil Bäume eine essentielle Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen, würde eine solche Entwaldung auch zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen führen.
Zusätzlich zur Entwaldung besteht auch die Herausforderung der Umweltverschmutzung, da die Landwirtschaft für mindestens 10 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Diese sind größtenteils auf Methan zurückzuführen, das von Nutztieren produziert wird, auf die Verwendung von Düngemitteln auf Stickstoffbasis (die Stickoxid verursachen, ein 300 Mal stärkeres Treibhausgas als CO2) und auf die von fossilen Brennstoffen abhängigen landwirtschaftlichen Maschinen und Transportmittel.
Agrophotovoltaik könnte die Antwort sein
Ungeachtet des Ziels der EU, 30 % ihrer Energie bis 2030 aus Erneuerbaren Quellen zu erzeugen, sind derzeit fast alle Schritte in der Lebensmittelproduktion auf Gas und Öl angewiesen. In Anbetracht dieses Umstands würde jede Steigerung der Nahrungsmittelproduktion mit Sicherheit einen Anstieg im Verbrauchs fossiler Brennstoffe bedeuten und daraus resultierende Treibhausgasemissionen.
Agrophotovoltaik könnte der Ausweg sein. Pflanzen benötigen Sonnenlicht, um zu wachsen, landwirtschaftliche Betriebe können das Sonnenlicht nutzen, um ihre Produktionsprozesse zu betreiben. Schließlich sind landwirtschaftliche Felder in der Regel große offene Flächen, die einer Menge Sonnenlicht ausgesetzt sind. Warum also nicht Solarpaneele installieren?
„Leider nehmen Solarpaneele Platz ein“, antwortet Ilse Lenaerts, Leiterin der Wissenschafts-, Ingenieur- und Technologieeinrichtung TRANSfarm, die Forschungsgruppen der Katholieke Universiteit (KU) Leuven unterstützt [2]. „Da dieser Raum nicht mehr für den Anbau von Pflanzen genutzt werden kann, können sie den Ernteertrag eines Betriebs verringern.“
Aber es ist nicht alles verloren. „Die Agrophotovoltaik zielt darauf ab, die Produktion von Nutzpflanzen auf derselben Landfläche fortzuführen, die für Solarpaneele genutzt wird“, erklärt Lenaerts.
Im Rahmen des EU-Projekts HyPErFarm (Hydrogen and Photovoltaic Electrification on Farm; [3]) arbeitet das Team der KU Leuven daran, die Nutzung der Agrophotovoltaik voranzutreiben und sie von einem innovativen Konzept zu einer tragfähigen kommerziellen Lösung zu machen. „Wir wollen einen unanfechtbaren Business Case dafür liefern, warum Landwirte erneuerbare Energie auf ihren Höfen produzieren und nutzen sollten und warum Agrophotovoltaik der beste Weg dazu ist“, sagt sie.
Was den Produktionsprozess betrifft hat das Projekt eine einmalige Technik zur Installation von Solarpaneelen auf landwirtschaftlichen Feldern entwickelt. Anstatt die Paneele auf dem Boden zu platzieren, installiert HyPErFarm sie als eine Art Überdachung über den Pflanzen oder neben den Pflanzen als schützende Windschutzscheibe.
„Indem man die Solarpaneele über den Feldfrüchten installiert, geht kein Ackerland verloren; dies bedeutet, dass Solarenergie ohne Beeinträchtigung der Ernteerträge erzeugt werden kann“, bemerkt Lenaerts. „Die Paneele bieten den Pflanzen auch Schatten und Schutz vor widrigen Wetterbedingungen, was ebenfalls zu höheren Erträgen beitragen kann.“
Mit den installierten Solarpaneelen können Landwirte die Energie erzeugen, die für einen Großteil des Betriebs ihrer Farm (z. B. Beleuchtung, Heizung und Kühlung) benötigt wird. Das wiederum senkt die Betriebskosten – und den CO2-Ausstoß. HyPErFarm erforscht auch Möglichkeiten, diese Sonnenenergie zur Erzeugung von sauberem Wasserstoff zu nutzen, der dann zum Antrieb landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte verwendet werden könnte.
Agrophotovoltaik-Systeme öffnen das Tor zur vollständigen Elektrifizierung landwirtschaftlicher Betriebe“, fügt Lenaerts hinzu. „Dies kommt den Landwirten nicht nur in Bezug auf Ernteerträge und Betriebskosten zugute, sondern stellt auch sicher, dass die Landwirtschaft ihren Teil dazu beiträgt, Europa dabei zu helfen, seine Klimaziele zu erreichen.“
Lass' den Sonnenschein herein
Während Solarpaneele großartig sind, wenn sie auf offenen Feldern verwendet werden, sind sie für Gewächshäuser von begrenztem Nutzen. „Da Solarpaneele Sonnenlicht absorbieren sollen, sind sie normalerweise undurchsichtig, sogar schwarz“, sagt Dr. Nick Kanopoulos, CEO von Brite Solar [4]. „Da Gewächshäuser jedoch die Menge der einfallenden Sonne maximieren müssen, sind Solarpaneele eher unpraktisch.“
Das ist bedauerlich, da die Feldbestellung in Gewächshäusern die zehnfache Menge der auf freiem Feld angebauten Früchte produziert. „Das Problem ist, dass die Produktion dieser Menge an Nahrungsmitteln zehnmal mehr Energie erfordert als ein Feld im Freien benötigt“, fügt er hinzu.
Der CEO von Brite Solar glaubt, dass der Schlüssel zur Senkung des Energieverbrauchs eines Gewächshauses darin besteht, seine Nutzung der Solarenergie zu erhöhen. Und dafür hat sein Unternehmen mit Unterstützung des PanePowerSW-Projekts (Transparent Solar Panel Technology for Energy Autonomous Greenhouses and Glass Building; [5]) das sogenannte Solarglas erfunden: ein transparentes Paneel für Gewächshäuser, das wie ein normales Fenster aussieht und gleichzeitig Sonnenlicht hereinlassen und Solarstrom erzeugen kann.
Das Geheimnis der Doppelfunktion des Solarglases ist eine innovative nanostrukturierte Beschichtung. „Die Nanobeschichtung absorbiert nur das UV-Licht, das für die Pflanzen und die Solarzellen nutzlos ist“, erklärt Kanopoulos. „Die Beschichtung transformiert dieses UV-Licht dann in das sogenannte rote Lichtspektrum, das Pflanzen zum Wachstum und Solarzellen zur Energiegewinnung nutzen.“
Um zu demonstrieren, wie bahnbrechend diese Anwendung ist, hat Brite Solar ein 1.000 Quadratmeter großes Gewächshaus für einen Weingarten in Griechenland gebaut. Das von nanostrukturbeschichteten Solarzellen völlig eingehüllte Gewächshaus kann 50 kW Leistung erzeugen – genug, um fast den gesamten Energiebedarf des Gewächshauses zu decken. „Zum ersten Mal in der Geschichte der Landwirtschaft haben wir einen negativen Kohlendioxid-Fußabdruck pro Kilogramm produzierter Feldfrüchte gemeldet“, sagt Kanopoulos.
Doch beim Demo-Gewächshaus geht es um mehr als nur um die Stromerzeugung. Es geht auch um Steigerung der Ernteerträge. Tatsächlich war es das Ziel, den Ertrag gegenüber dem zu verdoppeln, was in einem vergleichbar großen Freilandweingarten erreicht werden kann.
Gewächshäuser haben hier einen besonderen Vorteil gegenüber landwirtschaftlichen Feldern: Sie können das ganze Jahr über ernten. Beispielsweise produziert der Gewächshaus-Weingarten in Griechenland zwei Ernten, eine im Herbst und eine zweite im Winter. Dies ist eine hervorragende und relativ einfache Möglichkeit, die Erträge zu steigern, ohne mehr Ackerland schaffen zu müssen, was letztendlich weniger Entwaldung bedeuten könnte.
„All dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Umwelt und weist auf eine neue Art der Landwirtschaft hin – eine, die vollständig elektrisch ist, mit erneuerbaren Ressourcen betrieben wird und in der Lage ist, nachhaltig die Lebensmittel zu produzieren, die wir für die Ernährung der Zukunft benötigen“, schließt Kanopoulos.
Dabei unterstützen Projekte wie PanePowerSW und HyPErFarm so wichtige Strategien wie die Farm2Fork-Initiative [6] und beschleunigen Europas Übergang zu einem nachhaltigen Ernährungssystem (Abbildung 2).
Abbildung 2 Farm to Fork strategy - for a fair, healthy and environmentally-friendly food system . https://ec.europa.eu/food/horizontal-topics/farm-fork-strategy_de#Strategy |
-
[1] Water, Food and Energy: https://www.unwater.org/water-facts/water-food-and-energy/
[2] TRANSFARM: https://set.kuleuven.be/en/about-us/transfarm
[3]HyPerFarm - Eine Doppelnutzung für die Energie- und Nahrungsmittelerzeugung. EU-Projekt. https://cordis.europa.eu/project/id/101000828/de
[4] Brite Solar: https://www.britesolar.com/ dazu Brite Solar Presentation, Video 3:58 min. https://www.youtube.com/watch?v=GJ6CDqIdJww&t=198s
[5] PanePowerSW - Transparent Solar Panel Technology for Energy Autonomous Greenhouses and Glass Buildings.EU-Projekt. EU-Strategy. https://cordis.europa.eu/project/id/804554
[6] Farm to Fork Strategy: https://ec.europa.eu/food/horizontal-topics/farm-fork-strategy_de
*Dieser Artikel wurde ursprünglich am 21. Jänner 2022 von Nick Klenske in Horizon, the EU Research and Innovation Magazine unter dem Titel " To feed a growing population, farmers look to the Sun"https://ec.europa.eu/research-and-innovation/en/horizon-magazine/feed-growing-population-farmers-look-sun publiziert. Der unter einer cc-by-Lizenz stehende Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzt. Abbildung 2 - Farm to Fork Strategy - wurde von der Redaktion eingefügt und stammt von der EU-Seite https://ec.europa.eu/food/horizontal-topics/farm-fork-strategy_de.
Ein kurzes Video zum Artikel:
To feed a growing population, farmers look to the Sun. Video 1:12 min. https://www.youtube.com/watch?v=rgx-0M5uP9k
- Printer-friendly version
- Log in to post comments