Eine sichere und praktikable CO2 Speicherung im Boden fällt fast zehnmal niedriger aus als bisher angenommen.

Mi, 3.9.2025 — IIASA

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Eine neue, vom IIASA geleitete Studie kartiert erstmals Gebiete, die sicher und praktikabel für die unterirdische Kohlenstoffspeicherung genutzt werden können. Sie schätzt, dass deren Nutzung die Erwärmung nur um 0,7 °C senken würde. Das Ergebnis ist fast zehnmal niedriger als frühere Schätzungen von etwa 6 °C, die das gesamte globale Potenzial für geologische Speicherung berücksichtigten, einschließlich Risikozonen, in denen die Speicherung von Kohlenstoff Erdbeben auslösen und Trinkwasservorräte verunreinigen könnte. Die Forscher betonen, dass die Studie zeigt, dass geologische Speicherung eine knappe, endliche Ressource ist, und warnen, dass die Länder sie gezielt einsetzen müssen.*

Die Speicherung von Kohlenstoff tief im Boden ist als nahezu unlimitierte Lösungsmöglichkeit für die Klimakrise präsentiert worden. Eine von IIASA-Forschern in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team durchgeführte und im Fachjournal Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass die tatsächliche Speicherkapazität weitaus geringer ist als bisher angenommen. [Gidden, M.J. et al. (2025)]. Das Team schätzt, dass weltweit rund 1.460 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO₂) sicher in geologischen Formationen gespeichert werden können – eine Menge, die fast zehnmal geringer ist als die von der Industrie vorgeschlagenen Schätzungen, welche die Risiken für Mensch und Umwelt nicht berücksichtigt haben.

Die Kohlenstoffspeicherung wird allgemein als unerlässlich für die Erreichung der Klimaziele angesehen, sei es durch die Abscheidung von Emissionen aus Fabriken und Kraftwerken oder durch die Entfernung von CO₂ aus der Atmosphäre. Laut Hauptautor Matthew Gidden, einem leitenden Forscher im IIASA-Programm für Energie, Klima und Umwelt und am Center for Global Sustainability der University of Maryland, USA tätig, betonen die Ergebnisse der Studie die Notwendigkeit Vorsicht walten zu lassen:

"Aus dieser Studie können wir schließen, dass Kohlenstoffspeicherung als erschöpfliche, generationenübergreifende Ressource behandelt werden sollte, die ein verantwortungsvolles Management braucht. Es müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden, welche Länder, welche Sektoren und sogar welche Generationen in der Lage sind diese zu nutzen. Entscheidend ist, dass die Länder in ihren Klimaschutzplänen klar darlegen, wie sie die Kohlenstoffspeicherung nutzen wollen, um gemeinsam langfristige Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig die Schäden für die menschliche Gesundheit, die biologische Vielfalt und eine nachhaltige Entwicklung zu minimieren.“

Globales Kohlenstoffspeicherpotenzial in Sedimentbecken. Sedimentbecken an Land (braun) und vor der Küste (blau), einschließlich nationaler terrestrischer und maritimer Grenzen. Die Beckenfarben variieren je nach technischem Kohlenstoffspeicherpotenzial (heller) und dem geschätzten, vorsichtigen Kohlenstoffspeicherpotenzial (dunkler). Quelle: Gidden, M.J. et al,. (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09423-y. Lizenz cc-by)

Die Forscher haben zunächst die gesamte globale geologische Speicherung analysiert, indem sie Sedimentbecken kartierten – unterirdische Gesteinsformationen, in denen sich über Millionen von Jahren Schichten aus Sand, Schlamm und anderen Materialien gebildet haben. Diese Becken eignen sich hervorragend als Lager sowohl für fossile Brennstoffe als auch für die potenzielle Kohlenstoffspeicherung. Das Team bewertete ihre Eignung für die Kohlenstoffspeicherung anhand von Risiken wie dem Austreten von CO₂ in die Atmosphäre, der Möglichkeit während des Speicherprozesses Erdbeben auszulösen, der Kontamination des Grundwassers und der Nähe zu Ballungszentren oder Schutzgebieten. Ausgeschlossen wurden Standorte, die für eine zuverlässige Kohlenstoffspeicherung zu nah an der Oberfläche, zu weit unter der Erde oder in Meerestiefen lagen, die eine Speicherung zu teuer und riskant machen würden.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren sinkt die globale Speicherkapazität drastisch im Vergleich zu den Branchenschätzungen von rund 14.000 Gigatonnen.

Die Reduzierung des globalen Speicherpotenzials nach Berücksichtigung wesentlicher Risikofaktoren. (Quelle: Gidden, M.J. et al,. (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09423-y. Lizenz cc-by)

Das Team untersuchte auch, was diese begrenzten Speicher für die Fähigkeit des Planeten bedeuten, sich nach Überschreiten der Temperaturziele abzukühlen. Würde die gesamte verfügbare geologische Speicherkapazität ausschließlich zur CO2-Entfernung genutzt und entstünden zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Emissionen durch andere Aktivitäten, so stellte man fest, wäre, eine Umkehr der Erwärmung um maximal 0,7 °C möglich, bevor die verfügbaren sicheren Speicherstätten erschöpft wären.

Höhere Schätzungen aus Technik und Industrie haben auf deutlich stärkere Temperaturabsenkungen um 5 °C bis 6 °C – in einigen Studien sogar um noch mehr – geschlossen, allerdings haben diese Einschätzungen nicht die Risiken für Mensch und Umwelt berücksichtigt und ein deutlich größeres und risikoreicheres Speicherpotenzial zugelassen.

Die Autoren betonen, dass solche Vergleiche den krassen Unterschied zwischen dem technisch Möglichen und dem sicher Erreichbaren deutlich machen. Sie warnen zudem davor, dass die Entfernung von Kohlenstoff die Erwärmung möglicherweise nicht in dem gleichen Maße verringert, wie seine Emission sie verursacht, und dass das Klimasystem möglicherweise nicht in seinen früheren Zustand zurückkehren könnte, selbst wenn die globalen Temperaturen wieder sinken.

„Diese Studie sollte ein Gamechanger für die Kohlenstoffspeicherung sein. Sie kann nicht länger als grenzenlose Lösung betrachtet werden, um unser Klima wieder auf ein sicheres Niveau zu bringen. Stattdessen muss geologischer Speicherraum als knappe Ressource betrachtet werden, die verantwortungsvoll verwaltet werden soll, um der Menschheit eine sichere Klimazukunft zu ermöglichen. Er sollte genutzt werden, um die globale Erwärmung zu stoppen und umzukehren, und nicht für den Ausgleich der anhaltenden und vermeidbaren CO2-Belastung durch fossile Stromerzeugung oder veraltete Verbrennungsmotoren verschwendet werden“, erklärt Co-Autor Joeri Rogelj, Forschungsleiter am Grantham Institute und leitender Wissenschaftler am IIASA.

Länder, die fossile Brennstoffe produzieren, wie die USA, Russland, China, Brasilien und Australien, verfügen über das größte Potenzial an sicheren Speichern, da stillgelegte Minen die effizienteste Art der geologischen Speicherung darstellen. Zu den Ländern mit den geringsten Risiken zählen Saudi-Arabien, die Demokratische Republik Kongo und Kasachstan, während in Indien, Norwegen, Kanada und der Europäischen Union der potenzielle Lagerraum aufgrund hoher Risiken stark zurückgegangen ist Etwa 70 % aller Speicher befinden sich an Land, die restlichen 30 % auf See.

Die geologische Kohlenstoffspeicherung ist noch immer mit vielen Unbekannten behaftet. Die Technologie gibt es seit fast 30 Jahren, aber sie wurde noch nicht auf das erforderliche Niveau skaliert, um die Erwärmung zu bremsen. Die Identifizierung von Speicherstandorten ist ein mühsamer Prozess, der die lokalen geologischen Gegebenheiten charakterisieren muss, um zu verstehen, wie viel Speicherung tatsächlich möglich ist. Frühere Forschungen identifizierten Standorte, die ernsthafte Risiken für Mensch und Umwelt bergen können und machten optimistische Annahmen darüber, wie viel Kohlenstoff dort gespeichert werden kann. Unsere Studie stellt die entgegengesetzte Frage und beantwortet sie: Wie viele der Speicher sind tatsächlich sicher und realistisch nutzbar?“, sagt Gidden.

Die Arbeit des Teams betont auch Fragen nach Fairness und Verantwortung. Länder mit den größten fossilen Brennstoffindustrien verfügen oft über das größte Speicherpotenzial, tragen aber auch die größte historische Verantwortung für Emissionen.

„Dies ist nicht nur eine technische Frage. Es geht um Gerechtigkeit zwischen Generationen und Nationen. Länder, die über die Zeit hin am meisten zu den Emissionen beigetragen haben, verfügen auch über den größten verfügbaren Speicherplatz und müssen bei der verantwortungsvollen Nutzung dieser Ressource eine Vorreiterrolle übernehmen. Die heutigen Entscheidungen werden darüber entscheiden, ob die Speicherkapazität sinnvoll genutzt oder verschwendet wird“, so Koautor Siddharth Joshi, Wissenschaftler in der Forschungsgruppe für Integrierte Bewertung und Klimawandel am IIASA.

Die Studie zeigt, dass Kohlenstoffspeicher eine endliche globale Ressource sind und ruft zu internationaler Zusammenarbeit und sorgfältiger Planung auf. Die Autoren stellen fest, dass einige der vom IPCC ermittelten, als Orientierungshilfe für die Politik dienende Szenarien den globalen Grenzwert vor 2100 überschreiten dürften und prognostizieren, dass dies bis 2200 in fast allen Szenarien der Fall sein wird. Dies macht die schwierigen Kompromisse deutlich, vor denen Energie- und Klimaplaner stehen. Die politischen Entscheidungsträger müssen entscheiden, wie sie die konkurrierenden Anforderungen der anhaltenden Nutzung fossiler Brennstoffe mit der Notwendigkeit, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen, in Einklang bringen, um künftige Generationen zu schützen.

„Die Kohlenstoffspeicherung wird oft als Ausweg aus der Klimakrise dargestellt. Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass dieses Mittel Grenzen hat..Angesichts der aktuellen Trends, die auf eine Erwärmung von bis zu 3 °C in diesem Jahrhundert hindeuten, würde uns die Nutzung aller sicheren geologischen Speicher nicht einmal auf 2 °C zurückbringen. Unsere Studie ist ein Appell an alle Länder, die es mit der Einhaltung des Pariser Abkommens ernst meinen – sie müssen klar, umsichtig und praxisorientiert planen, wie sie die Kohlenstoffspeicherung dafür einsetzen wollen. Strategisch eingesetzt in Verbindung mit schnellen und tiefgreifenden Emissionsreduktionen wird sie uns helfen, die Klimaziele zu erreichen. Doch ein sorgloser Einsatz, der die weitere Verbreitung fossiler Brennstoffe zulässt, könnte künftigen Generationen Optionen verbauen“, sagt Gidden.

Die Autoren betonen, dass die Kohlenstoffspeicherung zwar ein wichtiger Bestandteil von Klimalösungen bleibt, aber wie jede knappe Ressource behandelt werden sollte – transparent, fair und mit einer langfristigen Vision.


 Das Team hat eine interaktive Website entwickelt, auf der politische Entscheidungsträger, Forscher und die Öffentlichkeit die Ergebnisse im Detail untersuchen können. Die Plattform bietet Visualisierungen des sicheren und praktischen Kohlenstoffspeicherpotenzials auf Länderebene und hilft Nutzern, die Kompromisse und Risiken in verschiedenen Regionen zu verstehen. Dieses Tool soll evidenzbasierte Entscheidungen und die internationale Zusammenarbeit bei der umsichtigen Nutzung geologischer Speicher unterstützen. Finden Sie Bericht, Daten und interaktive Karten hier: https://cdr.apps.ece.iiasa.ac.at/story/prudent-carbon-storage

Gidden, M.J. et al,. (2025). A prudent planetary limit for geologic carbon storage. Nature DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-09423-y


*Der Artikel "Safe, practical underground carbon storage could reduce warming by only 0.7°C – almost 10 times less than previously thought" stammt aus einer Pressemeldung des IIASA vom 1.9.2025 und war bis 3.9.2025, 17:00 h strikt gesperrt. Der Artikel wurde möglichst wortgetreu von der Redaktion übersetzt und 2 Abbildungen aus der zugrundeliegenden Veröffentilichung eingefügt. IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung der Inhalte seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt.