Fr 16.10.2020 Inge Schuster
Wenn auch die überwiegende Zahl der SARS-CoV-2 Infektionen über Atemtröpfchen erfolgen dürfte, ist bei den nun wieder stark steigenden Infektionszahlen eine Ansteckung über kontaminierte Oberflächen durchaus denkbar. Eine neue Studie australischer Forscher zeigt die überraschend hohe Stabilität von SARS-CoV-2 Viren auf Oberflächen und Gegenständen des täglichen Gebrauchs. Häufiges Reinigen von Oberflächen, Mund-Nasenschutz, Händewaschen und Abliegenlassen von potentiell kontaminiertem Material erweisen sich als effiziente Mittel eine Infektion mit dem Virus zu verhindern.
Die derzeit gängige Ansicht zur Ausbreitung von SARS-CoV-2 geht davon aus, dass die Infektion überwiegend über Atemtröpfchen erfolgt, die von infizierten Personen beim Husten, Niesen, Sprechen oder auch Singen ausgestoßen werden und von anderen, in der Nähe befindlichen Personen in Nase, Mund, Atemtrakt, Lunge eingeatmet werden. Während große Tröpfchen schnell auf den Boden sinken, können kleine Tröpfchen sich als Aerosole verflüchtigen und eine beträchtliche Zeit in der Luft verbleiben, wobei die Infektiosität des darin eingeschlossenen Virus über Stunden erhalten bleibt.
Infektion über kontaminierte Oberflächen?
Virenhaltige Sekrete können aber auch auf sogenannten Fomiten, das sind unbelebte Oberflächen und Gegenstände, landen. Berührt man solche kontaminierte Stellen mit den Händen, so können diese Viren auf Augen und Schleimhäute von Nase und Mund übertragen. Die Möglichkeit einer Schmierinfektion über kontaminierte Gegenstände und Oberflächen wurde auch von der WHO explizit angeführt. Ausschlaggebend dafür, dass es zu einer Infektion kommen kann, ist vor allem die Konzentration des Virus und wie lange es auf welchen Oberflächen infektiös bleibt.
Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten den Atmungstrakt infizierenden Viren, wie Influenza-, Corona- und Rhinoviren, auf unbelebten Oberflächen auch noch nach mehreren Tagen nachgewiesen werden können [1].
Zur Stabilität von SARS-CoV-2 auf einzelnen Oberflächen gibt es widersprüchliche Angaben. Dabei muss man berücksichtigen, dass viele der diesen Aussagen zugrunde liegenden Versuchsansätze wenig Relevanz für realistische Situationen haben dürften: diese sind ja abhängig von der Zahl der Viren, die in einem schleimhaltigen Medium ausgehustet, ausgeniest, ausgespuckt werden, von der Beleuchtung (Anteile von UV-Licht inaktivieren Viren), Temperatur, Luftfeuchtigkeit und einem eventuellem Austrocknen des Inokulums auf den Oberflächen. Die längste Nachweisbarkeit von infektiösem SARS-CoV-2 wurde mit einem anfänglich sehr großen Inokulum (10 Millionen Viren auf der zu testenden kleinen Oberfläche) erzielt.
Wie riskant ist es also durch Anfassen von kontaminierten Oberflächen an Schmierinfektionen zu erkranken?
Ein Ansatz, um reale Gegebenheiten besser nachzuahmen
Eine australische Forschergruppe der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization (CSIRO) hat nun vor wenigen Tagen eine Studie veröffentlicht, in der sie die Überlebensrate infektiöser SARS-CoV-2-Viren auf einer Reihe von im Alltag gebräuchlichen Oberflächen - Edelstahl, Plastik, Glas, Papier und Baumwollstoff - unter möglichst realistischen Bedingungen bestimmte [2].
Um Sekrete des Nasen-/Rachenraums nachzuahmen wurde das Virus in einer Albumin und Mucin (Schleimsubstanz) enthaltenden Lösung suspendiert und auf die einzelnen zu untersuchenden Oberflächen in einer Dosis aufgetragen, die ein stark infektiöser Patient beim Husten abgeben würde (350 000 Partikel in 10 Mikroliter).
Um vor etwaigen UV-bedingten Inaktivierungen des Virus zu schützen, wurden die kontaminierten Oberflächen dann im Dunkeln, in einer Klimakammer bei Raumtemperatur (20oC), bei 30oC und 40oC und 50 % Luftfeuchtigkeit bis zu 28 Tage lang inkubiert. Nach bestimmten Zeitintervallen wurde die auf einzelnen Oberflächen verbliebene Infektiosität mit Hilfe von infizierbaren Zellkulturen bestimmt. Als Modell dienten dabei Vero E6-Zellen, eine etablierte Zelllinie aus Nierenzellen von grünen Meerkatzen, die von vielen Viren infizierbar ist. Abbildung 1.
Abbildung 1. Eine Vero E6- Zelle (blau), die massiv mit SARS-CoV-2 (braun) infiziert ist. Kolorierte Aufnahme mit Rasterelektronenmikroskop. (Quelle: NIAID - https://www.flickr.com/photos/niaid/49680384436/ ; cc-by-2.0 Lizenz) |
SARS-CoV-2 ist auf kontaminierten Oberflächen robuster als angenommen
Generell erwies sich das Virus bei Raumtemperatur (20oC) stabiler als bei höheren Temperaturen (30oC und 40oC) und auf glatten Oberflächen stabiler als auf porösen Oberflächen wie beispielsweise Baumwollstoff. (Eigentlich hätte man höhere Stabilität auf raueren Oberflächen angenommen.)
Bei Raumtemperatur (20oC) wurde auf Edelstahl, Glas und auf Banknoten (aus glattem Papier und auch aus Kunststoff) infektiöses Virus auch noch nach 28 Tagen festgestellt (im Vergleich dazu konnte man infektiöses Influenza A Virus nur 17 Tage lang finden). Besonders beeindruckend erscheint die Stabilität von SARS-CoV-2 auf Banknoten. Auf porösem, rauem Untergrund wie Baumollstoff erfolgte die Inaktivierung dagegen wesentlich rascher. Auf allen Oberflächen war bei 20oC eine zehnfache Reduktion des aktiven Virus in einem Zeitraum von 5,6 bis 9,1 Tagen festzustellen.
Mit zunehmender Temperatur sank die Stabilität des Virus; bei 40oC überlebte es auf einigen Oberflächen nicht einmal 24 h. Abbildung 2 fasst die Überlebenszeit von SARS-CoV-2 auf einigen der getesteten Oberflächen zusammen.
Abbildung 2. Infektiosität von SARS-CoV.2-kontaminierten Oberflächen, die bei 50 % Luftfeuchtigkeit und verschiedenen Temperaturen gelagert wurden. Nach 24 h bei 40oC wurden in Baumwollstoff keine infektiösen Partikel mehr nachgewiesen. TCID50-Daten (Tissue-Culture Infection Doses - Quantifizierung der vermehrbaren Viren, hier im Vero- E6 Modell) sind in log10-Schritten gezeigt; der Grenzwert der Detektierbarkeit lag bei 0,8 log10TCID50. (Quelle: Shane Riddell et al.,2020, Lizenz: cc-by. [2]) |
Fazit
Offensichtlich bleibt die Infektiosität von mit SARS-CoV-2 kontaminierten, im Alltag gebräuchlichen Oberflächen länger erhalten als ursprünglich angenommen. Insbesondere erscheint die lange Persistenz auf rasch zirkulierenden Banknoten (die dann in der dunklen Geldbörse aufbewahrt werden) von besonderer Bedeutung. Eine erhöhte Ansteckungsgefahr könnte auch von glatten, häufig von verschiedensten Personen frequentierten Oberflächen wie den Touchscreens von Bankautomaten, Supermarkt-Kassen, Check-in-Schaltern etc. ausgehen, die ja nicht ständig in ausreichendem Ausmaß desinfiziert werden können.
Was man dagegen machen kann?
Zur Verminderung einer Schmierinfektion Mund-Nasen-Masken - möglichst aus Baumwollstoffen - tragen, nach Kontakt mit möglicherweise infizierten Oberflächen Hände desinfizieren und verdächtige erworbene Gegenstände für einige Zeit im Licht abliegen lassen.
[1] Shi-Yan Ren et al., Stability and infectivity of coronaviruses in inanimate environments. World J Clin Cases 2020 April 26; 8(8): 1391-1399. DOI: https://doi.org/10.12998/wjcc.v8.i8.1391.
[2] Shane Riddell et al., The effect of temperature on persistence of SARS‑CoV‑2 on common surfaces. Virol J (2020) 17:145. https://doi.org/10.1186/s12985-020-01418-7
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