Welche Fragen stellen Wissenschaftler an Klimamodelle, welche Experimente führen sie durch?

Do, 23.08.2018 - 06:54 — Carbon Brief Carbon BriefIcon Geowissenschaften

Ein breites Spektrum an Klimamodellen - von einfachsten Energiebilanzmodellen bis zu hochkomplexen Erdsystemmodellen - ermöglicht es Antworten auf viele verschiedene Fragen zu finden, einschließlich des Problems, warum sich das Klima der Erde ändert: Was hat die in der Vergangenheit beobachtete Erwärmung verursacht, wie groß ist die Rolle, die natürliche Faktoren im Vergleich zu anthropogenen Faktoren gespielt haben und wie wird sich das Erdklima in der Zukunft ändern, wenn die Emissionen von Treibhausgasen anhalten? Es ist dies der vierte Teil einer umfassenden, leicht verständlichen Artikelserie "Q&A: How do climate models work?", die von der britischen Plattform Carbon Brief stammt (Teile 1 -3 [1, 2, 3]).*

Um Klimasituationen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu simulieren, führen Wissenschaftler zahlreiche unterschiedliche Experimente an ihren Modellen durch. Ebenso entwickeln sie Tests, um die Leistung spezifischer Teile der verschiedenen Klimamodelle zu prüfen. Simulationen befassen sich auch damit, was geschehen würde, wenn wir beispielsweise die CO2-Konzentrationen plötzlich vervierfachten oder Geoengineering-Konzepte zur Klimakühlung einsetzen sollten.

Coupled Model Intercomparison Projects - CMIPs

Viele verschiedene Forschergruppen lassen dieselben Experimente in ihren Klimamodellen laufen - daraus entstehen sogenannte Modell-Ensembles. Diese Modell-Ensembles ermöglichen es Unterschiede zu untersuchen, die zwischen den Modellen bestehen und auch die Unsicherheiten in Zukunftsprognosen besser zu erkennen. Mehr als 30 Forschergruppen in aller Welt mit mehr als 1000 Wissenschaftern teilen und vergleichen die Ergebnisse ihrer Experimente im Rahmen der vom World Climate Research Programme (WCRP) organisierten Coupled Model Intercomparison Projects - CMIPs https://www.wcrp-climate.org/wgcm-cmip ). Diese Experimente beinhalten:

Simulationen der historischen Vergangenheit

Klimamodelle werden über die historische Periode beginnend um 1850 - vor Beginn der industriellen Revolution - bis in die Gegenwart laufen gelassen. Es werden dazu die besten Abschätzungen von Klima beeinflussenden Faktoren eingesetzt; diese inkludieren die Konzentrationen der Treibhausgase CO2, CH4 und N2O, Änderungen der Sonneneinstrahlung, Aerosole, die aus Vulkanausbrüchen stammen und durch menschliche Aktivitäten hervorgerufen wurden und Änderungen der Landnutzung.

Diese historischen Läufe werden nicht an die tatsächlich erfassten Temperaturen oder Niederschläge angepasst, sie resultieren vielmehr aus der Physik des Modells. In anderen Worten: Wissenschafter können die sich aus dem Modell ergebenden Prognosen für das vergangene Klima ("Hindcasts") mit den aufgezeichneten Klimabeobachtungen vergleichen. Sind Klimamodelle in der Lage vergangene Klimavariable, wie etwa die Temperatur der Erdoberfläche, erfolgreich wiederzugeben, so haben Wissenschafter mehr Zutrauen in das, was die Modelle für die Zukunft voraussagen.

Historische Simulationen eignen sich auch, um zu bestimmen, wie groß der Anteil menschlicher Aktivitäten ("Attribution") am Klimawandel ist. Abbildung 1 vergleicht beispielsweise zwei simulierte Varianten mit dem tatsächlich beobachteten Klima (schwarze Linie). Die Simulation unter Berücksichtigung ausschließlich natürlicher Klimatreiber ist hier blau schattiert, unter Berücksichtigung von menschlich verursachten plus natürlichen Klimatreibern ergibt sich die rosa schattierte Kurve, die mit der tatsächlich beobachteten Erwärmung übereinstimmt.

Abbildung 1. Modellrechnungen zeigen den Anteil menschlicher Aktivitäten an der Erderwärmung. (Bild aus dem 4. Sachstandsbericht des IPCC, Hegerl et al., 2007; Beschriftung übersetzt von Redn.) Eine Aufschlüsselung der natürlichen Klimatreiber ist in Abbildung 2 erfolgt.

Simulationen, die nur natürliche Klimatreiber berücksichtigen, beinhalten Faktoren wie Änderungen der Sonneneinstrahlung und der Vulkantätigkeit und gehen davon aus, dass Emissionen von Treibhausgasen und andere menschlich verursachte Faktoren unverändert auf vorindustriellem Niveau verbleiben. In Simulationen, die nur anthropogen verursachte Faktoren annehmen, werden dagegen die natürlichen Klimatreiber konstant gehalten und es werden nur die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten, wie zum Beispiel die steigenden atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen einbezogen. Abbildung 2.

Abbildung 2. Mittlere globale Temperaturen der Erdoberfläche von 1850 - 2017. Natürliche und anthropogen verursachte Klimatreiber. (Bild aus: Zeke Hausfather, 13.12.2017; https://www.carbonbrief.org/analysis-why-scientists-think-100-of-global-warming-is-due-to-humans. Beschriftung übersetzt von Redn).

Durch den Vergleich dieser beiden Szenarien (und eines kombinierten "Alle Faktoren" -Laufs) können Wissenschaftler die relativen Beiträge von menschlich und natürlich verursachten Klimatreibern zu beobachteten Klimaänderungen abschätzen. Dies hilft herauszufinden, wie groß der Anteil menschlicher Aktivitäten am Klimawandel der Gegenwart ist.

Szenarien einer künftigen Klimaerwärmung

Im Fokus des fünften Sachstandssberichts des IPCC stehen vier Szenarien einer zukünftigen Erd-Erwärmung , die sogenannten Repräsentativen Konzentrationspfade (Representative Concentration Pathway - RCP Scenarios). Diese Szenarien simulieren, wie sich das Klima von heute bis 2100 und darüber hinaus verändern könnte.

Viele Faktoren, die Treiber zukünftiger Emissionen sein können, wie etwa das Wachstum der Bevölkerung und der Wirtschaft, lassen sich schwer prognostizieren. Daher umfassen diese Szenarien eine breite Palette zukünftiger Möglichkeiten, von einer Business-as-usual-Welt, in der wenig oder gar keine Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden (Szenarien RCP6.0 und RCP8.5), bis hin zu einer Welt, in der eine couragierte Reduktion der Erderwärmung auf unter 2o C erfolgen soll (Szenario RCP2.6). (Mehr dazu gibt es unter : https://www.carbonbrief.org/analysis-four-years-left-one-point-five-carbon-budget.) Die Simulation des Szenarios RCP6.0 ist in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3. Mittlere globale Temperaturen der Erdoberfläche von 1850 - 2100. Prognose unter Annahme des Szenarios RCP 6.0. (Bild aus: Zeke Hausfather, 13.12.2017; https://www.carbonbrief.org/analysis-why-scientists-think-100-of-global-warming-is-due-to-humans. Beschriftung übersetzt von Redn).

Diese RCP-Szenarien spezifizieren unterschiedliche Mengen an Strahlungsantrieben. Die Modelle wenden diese Antriebe an, um zu untersuchen, wie sich das System der Erde unter jedem der verschiedenen Szenarien ändern wird. Die kommenden, mit dem sechsten IPCC-Sachstandsbericht assoziierten Coupled Models Intercomparison Projects (CMIP6) werden vier neue RCP-Szenarien hinzufügen, um Lücken zwischen den vier bereits verwendeten RCPs zu schließen, einschließlich eines Szenarios, das die Grenze der Erwärmung bei 1,5 ° C ansetzt.

Kontroll-Läufe

Kontrollläufe sind nützlich, wenn man untersuchen will, wie - in Abwesenheit anderer Änderungen - natürliche Schwankungen in Modellen aufscheinen. Kontrollläufe werden auch angewendet, um einen "Modelldrift" zu festzustellen, d.i. scheinbare Langzeitänderungen, die weder mit natürlichen Schwankungen noch mit externen Klimatreibern in Zusammenhang stehen. Wenn ein Modell driftet, so zeigt sich das in Veränderungen, die über die normale natürliche Schwankungsbreite von Jahr zu Jahr und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt hinausgehen, auch wenn Klima beeinflussende Faktoren, wie es Treibhausgaskonzentrationen sind, unverändert bleiben. Kontrollläufe starten das Modell zu einer Zeit, bevor die moderne Industrialisierung die Treibhausgase drastisch erhöht hatte. Dann lässt man das Modell über Zeiträume von Hunderten oder Tausenden Jahren laufen ohne die Treibhausgase zu verändern, Sonnenaktivität oder andere externe Faktoren, die das Klima beeinflussen. Diese Kontrollen unterscheiden sich von einem Lauf, der ausschließlich natürliche Klimatreiber berücksichtigt, da hier sowohl menschlich als auch natürlich verursachte Faktoren unverändert bleiben.

Simulationen des Atmospheric Model Intercomparison Project (AMIP)

Klimamodelle inkludieren Atmosphäre, Land und Ozeane. AMIP-Läufe schalten dagegen alles außer der Atmosphäre ab indem sie fixe, auf Beobachtungen basierende Werte für Land und Ozeane einsetzen. Beispielsweise dienen gemessene Temperaturen der Meeresoberflächen als Eingabe in das Modell, um die Temperatur von Landoberfläche und von verschiedenen Schichten der Atmosphäre zu erhalten.

Normalerweise weisen Klimamodelle ihre eigenen internen Schwankungen auf - kurzzeitige Klimazyklen in den Ozeanen wie El Niño und La Niña (komplexe entgegengesetzte Wetterphasen: https://oceanservice.noaa.gov/facts/ninonina.html) -, die zu anderen Zeiten stattfinden als was sonst in der Welt geschieht. AMIP-Läufe ermöglichen es Modellierern, simulierte mit gemessenen Meerestemperaturen in Übereinstimmung zu bringen, so dass die internen Schwankungen in den Modellen zur gleichen Zeit wie in den Beobachtungen auftreten und Änderungen im Zeitverlauf leichter zu vergleichen sind.

Simulationen einer plötzlichen Vervierfachung der CO2 Konzentrationen ("4x CO2")

Vergleichende Klimamodellprojekte, wie die CMIP5, fordern generell, dass alle Modelle eine Reihe von "diagnostischen" Szenarien durchführen, um die Leistungsfähigkeit in Hinblick auf verschiedene Kriterien zu testen.

Einer dieser Tests sieht einen "abrupten" Anstieg des atmosphärischen CO2 vom vorindustriellen Niveau auf das Vierfache vor - von 280 parts per million (ppm) auf 1.120 ppm -wobei alle anderen Klima treibenden Faktoren konstant gehalten werden. (Aktuell liegen die CO2-Konzentrationen knapp über 400ppm.) Daraus können Wissenschaftler erkennen, wie schnell die Erdtemperatur in ihrem Modell auf Änderungen des CO2 anspricht.

Simulationen eines 1 % CO2 Anstiegs("1% CO2")

Ein weiterer diagnostischer Test erhöht die CO2-Emissionen ausgehend von vorindustriellen Werten um 1% pro Jahr, bis sich das CO2 schließlich vervierfacht und 1.120 ppm erreicht. Auch diese Szenarien halten alle anderen Klima beeinflussenden Faktoren konstant.

So können Modellierer die Auswirkungen von allmählich zunehmendem CO2 Emissionen isoliert von anderen Veränderungen - wie beispielsweise von Aerosolen und anderen Treibhausgasen wie Methan - betrachten.

Simulationen des Paläoklimas

Es wurden dazu Modelle entwickelt, die das Klima der Vergangenheit für eine Reihe unterschiedlicher Zeiträume simulieren, d.i. für die letzten 1.000 Jahre, für das Holozän, das die letzten 12.000 Jahre umfasst, für das letzte Maximum der Vereisung vor 21.000 Jahren, für die letzte Zwischeneiszeit vor etwa 127.000 Jahren; für die Warmzeit im mittleren Pliozän vor 3,2 Millionen Jahren und für die ungewöhnliche Periode der sehr kurzen raschen Erwärmungsphase, dem sogenannten Paläozän-Eozän Temperaturmaximum, vor etwa 55 Millionen Jahren.

Diese Modelle wenden die besten verfügbaren Abschätzungen von Faktoren an, die das frühere Klima der Erde beeinflussten - einschließlich der solaren Einstrahlung und der vulkanischen Aktivität - sowie längerfristige Veränderungen der Erdumlaufbahn und der Lage der Kontinente.

Solche paläoklimatischen Modellläufe helfen den Forschern zu verstehen, wie große Schwankungen des Erdklimas in der Vergangenheit entstanden sind - beispielsweise in den Eiszeiten - und wie sich Meeresspiegel und andere Faktoren während der Erwärmungs- und Abkühlungsphasen verändert haben. Diese Änderungen in der Vergangenheit bieten eine Orientierungshilfe für die Zukunft, wenn die Erderwärmung anhält.

Spezielle Modellversuche

Im Rahmen von CMIP6 (siehe oben) führen Forschungsgruppen in aller Welt eine Vielzahl unterschiedlicher Experimente an ihren Modellen durch. Dazu gehören Simulationen zum Verhalten von Aerosolen, zur Bildung von Wolken und zu Rückkopplungen, zur Reaktion der Eisschilde auf die Erwärmung, zu Änderungen des Monsuns, zum Anstieg des Meeresspiegels, zu Änderungen der Landnutzung und zu Auswirkungen von Vulkaneruptionen.

Geplant ist auch ein Modellvergleichsprojekt zum Geo-Engineering-. Neben anderen denkbaren Interventionen soll untersucht werden, welche Folgen ein Einsprühen von gasförmigen Schwefelverbindungen in die Stratosphäre zur Klimakühlung haben kann.


*Der Artikel ist der homepage von Carbon Brief: "Q&A: How do climate models work?" entnommen (https://www.carbonbrief.org/qa-how-do-climate-models-work). Unter dem Titel " What types of experiments do scientists run on climate models? ist es der 4. Teil einer, von mehreren Autoren stammenden Serie, die am 15. Jänner 2018 online gestellt wurde. Der unter einer cc-by-nc-nd 4.0 Lizenz stehende Artikel wurde im Einverständnis mit Carbon Brief möglichst wortgetreu von der Redaktion aus dem Englischen übersetzt und von Carbon Brief freigegeben.

Carbon Brief - https://www.carbonbrief.org/ - ist eine britische Website, welche die neuesten Entwicklungen in den Bereichen Klimawissenschaft, Klimapolitik und Energiepolitik abdeckt. Die Seite bemüht sich um klare Daten-basierte Artikel und Illustrationen, um mitzuhelfen das Verstehen des Klimawandels von Seiten der Wissenschaft und auch der Politik zu verbessern . Im Jahr 2017 wurde Carbon Brief bei den renommierten Online Media Awards als"Best Specialist Site for Journalism" ausgezeichnet.


[1] Teil 1 (19.04.2018): Was Sie schon immer über Klimamodelle wissen wollten – eine Einführung

[2] Teil 2 (31.05.2018): Klimamodelle: von einfachen zu hoch komplexen Modellen

[3] Teil 3 (21.06.2018): Klimamodelle: Rohstoff und Produkt — Was in Modelle einfließt und was sie errechnen


Weiterführende Links

Artikel im ScienceBlog