Erkältungen - warum möglichweise manche Menschen häufiger davon betroffen sind

Do, 27.09.2018 - 11:20 — Francis S.Collins

Francis S.CollinsIcon MedizinSchnupfen, Husten, Halsweh - kurz gesagt Erkältungen - sind Infektionskrankheiten der oberen Atemwege, die vor allem durch Rhinoviren aber auch durch viele andere unterschiedliche Viren hervorgerufen werden. Es sind weltweit die häufigsten Erkrankungen - nahezu alle Menschen leiden darunter mindestens 1-2mal im Jahr. Dafür, dass nicht jede Infektion zu Symptomen führt, sorgen wirksame Systeme in den Zellen, welche die Atemwege auskleiden indem sie einerseits Viren abwehren aber auch vor anderen Schädigungen (u.a. vor oxydativem Stress) schützen. Wie eine neue NIH-unterstützte Untersuchung nun zeigt, reagieren Zellen, die gleichzeitig oxydativem Stress und Viren ausgesetzt werden, weniger effizient auf die Infektion - Erkenntnisse, die erklären könnten, warum u.a. Raucher, Menschen mit Allergien oder mit anderen chronischen Defekten dazu neigen, schwerere Virusinfektionen zu bekommen. Francis Collins, NIH-Direktor und ehem. Leiter des "Human Genome Project", berichtet über diese wichtigen Ergebnisse.*

Viele Leute betrachten Erkältungen als ein Übel, das halt gelegentlich auftritt, einige Menschen scheinen davon aber viel häufiger betroffen zu sein als andere.

Warum dies so ist? Diesbezüglich haben NIH-finanzierte Forscher einige neue Indizien entdeckt. In ihrer Untersuchung haben sie heraus gefunden, dass die Zellen, die unsere Atemwege auskleiden, sehr geeignet sind den Erkältungen verursachenden Rhinoviren entgegenzuwirken. Dabei kommt es aber zu einem Kompromiss. Wenn diese Zellen damit beschäftigt sind, Gewebeschädigungen durch Zigarettenrauch, Pollen, Schadstoffe und/oder andere Reizstoffe aus der Luft abzuwehren, wird ihre Fähigkeit, solche Viren abzuwehren, signifikant reduziert [1].

Die neuen Befunde könnten den Weg zu besseren Strategien öffnen, wie man Erkältungskrankheiten sowie anderen Arten von Atemwegsinfektionen durch Nicht-Grippeviren vorbeugen könnte. Bereits kleine Fortschritte in der Prävention könnten große Auswirkungen auf die Gesundheit und Wirtschaft unserer Nation haben. Jedes Jahr gibt es in den US mehr als 500 Millionen Fälle an Erkrankten. die an Erkältungen und ähnlichen Infektionen leiden. Die Konsequenzen sind verringerte Arbeitsproduktivität, Krankheitskosten und andere Ausgaben, die insgesamt bis zu 40 Milliarden US-Dollar betragen können [2].

Infektionen mit Rhinoviren

Während des letzten Jahrzehnts stellt sich heraus, dass Infektionen mit Rhinoviren (Abbildung 1; von der Redn. eingefügt) viel häufiger erfolgen, als dass Betroffene dann tatsächlich Symptome einer Erkältung entwickeln. Dieser Befund hat das Interesse von Ellen Foxman an der Yale University School of Medicine (New Haven, CT) erweckt . Es war für sie ein Indiz, dass der Körper, insbesondere die Zellen, welche die Nasenwände auskleiden, sehr gut adaptiert sein dürften, um Viren, die Erkältungen verursachen, von uns abzuwehren.

Abbildung 1. Die Oberfläche des humanen Rhinovirus-3 PDB 1D: 1RHI. Rhinoviren, von denen man rund 160 verschiedene Arten kennt, sind kleine Viren von ca. 30 nm Durchmesser, deren Genom aus einem RNA-Einzelstrang besteht. Das Genom ist von einem sogenannten Kapsid ummantelt, das sich aus je 60 Kopien von 4 regelmäßig angeordneten Proteinen (pink, blau, braun, grün) zusammensetzt, die u.a. dem Andocken und Eindringen in die Wirtszelle dienen (Bild und Text von der Redaktion eingefügt; die Struktur stammt aus der Proteindatenbank PDB: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/Structure/pdb/1RHI)

Könnte man diesen biologischen Prozess besser verstehen, dachte Foxman, so müsste es möglich sein, dass man Atemwegsinfektionen noch viel weniger spürbar ablaufen lassen könnte. Einen möglichen Hinweis hatte Foxman bereits. Ihre früheren Arbeiten hatten gezeigt, dass die Art und Weise wie Zellen auf Virusinfektionen reagieren, von der umgebenden Temperatur abhängt. Sie vermutete daher, dass Zellen, welche die kühleren Nasenwege auskleiden, anders funktionieren müssten als die, welche die wärmeren Atemwege innerhalb der Lungenflügel belegen.

Untersuchungen an Zellkulturen

In der Untersuchung, die nun in Cell Reports [1] veröffentlicht wurde, haben Foxman und Kollegen Zellkulturen von Epithelzellen angelegt, welche die Atemwege in der Nase und der Lunge von gesunden Spendern auskleiden. Abbildung 2 (von der Redaktion eingefügt). Sie haben diese Zellen dann mit einem Rhinovirus infiziert oder mit niedrigmolekularen Substanzen inkubiert, welche eine Virusinfektion imitieren und beobachtet, wie die Zellen darauf reagieren würden.

Abbildung 2. Der menschliche Atmungstrakt. Epithelzellen aus dem Nasenraum und den Luftwegen der Lunge wurden entnommen, Kulturen angelegt und diese dann auf ihre antivirale Reaktion und Schutz vor oxydativem Stress getestet. (Bild und Text von der Redaktion eingefügt. Das Bild i stammt von http://cancer.gov, ist gemeinfrei und wurde deutsch beschriftet.)

Was die Forscher entdeckten war, dass die antivirale Reaktion in den Nasenzellen stärker ausgeprägt war als in den Zellen der Lunge. Die aus der Lunge stammenden Zellen zeigten dagegen eine stärkere Abwehr von oxydativem Stress, der durch reaktive Sauerstoffmoleküle verursacht wurde, wie sie während des normalen Prozesses der Atmung erzeugt werden. Wie zu erwarten ist, müssen sich die Lungenzellen nicht nur gegen reaktiven Sauerstoff zur Wehr setzen, sondern auch gegen andere in der Luft vorhandene Substanzen wie beispielsweise Rauch, Pollen oder anderen Reizstoffe.

Ein Kompromiss zwischen Schutz vor Viren und vor oxydativem Stress

Diese (und weitere) Untersuchungen legen nahe, dass es im Atmungstrakt einen Kompromiss gibt zwischen der Abwehr von viralen Infektionen und dem Schutz vor anderen Arten von Gewebeschädigungen. Dies konnten die Forscher demonstrieren indem sie Zellen aus den Nasenschleimhäuten zuerst dem Rauch von Zigaretten aussetzten und sodann mit Rhinoviren in Kontakt brachten: Wie erwartet, wiesen diese Zellen nun eine größere Anfälligkeit für eine Virusinfektion auf.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Auskleidung unserer Atemwege über wirksame Systeme zur Abwehr von Virusinfektionen und zum Schutz vor anderen Arten von Schädigungen verfügt. Allerdings funktionieren diese nicht so gut, wenn sie beiden Bedrohungen gleichzeitig ausgesetzt werden. Damit könnte diese Entdeckung eine Erklärung bieten, warum Raucher und Menschen mit Allergien oder anderen chronischen Defekten dazu neigen, schwerere Virusinfektionen zu bekommen als andere Menschen.

Man hofft nun, dass diese Erkenntnisse letztendlich zu Strategien führen werden, die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers zu verbessern, so dass mehr Menschen auch nach dem Kontakt mit Erkältungsviren gesund bleiben. Allerdings heute gilt noch: will man Erkältungen auf ein Minimum beschränken, so ist der beste Weg sich häufig die Hände zu waschen, nicht zu rauchen und alles zu tun, um sich von den erkälteten Personen fernzuhalten.


[1] Regional differences in airway epithelial cells reveal tradeoff between defense against oxidative stress and defense against rhinovirus. Mihaylova VT, , Kong Y, Fedorova O, Sharma L, Dela Cruz CS, Pyle AM, Iwasaki A, Foxman EF. Cell Rep. 2018 Sep 11;24(11):3000-3007. (open access)

[2] The economic burden of non-influenza-related viral respiratory tract infection in the United States. Fendrick AM, Monto AS, Nightengale B, Sarnes M. Arch Intern Med. 2003 Feb 24;163(4):487-94 (open access)


* Dieser Artikel von NIH Director Francis Collins, M.D., Ph.D. erschien unter dem Titel: " T Possible Explanation for Why Some People Get More Colds" zuerst (am 18. September 2018) im NIH Director’s Blog. https://directorsblog.nih.gov/2018/09/18/possible-explanation-for-why-some-get-more-colds-than-others/#more-11294

Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzt und geringfügig (mit Untertiteln) für den Blog adaptiert. Zur Illustration wurden zwei Abbildungen von der Redaktion eingefügt. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with kind permission from the National Institutes of Health (NIH).


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