Klimamodelle: Rohstoff und Produkt — Was in Modelle einfließt und was sie errechnen

Do, 21.06.2018 - 10:21 — Carbon Brief Carbon BriefIcon MINT

Wie sich das hochkomplexe Klimasystem in Zukunft entwickeln wird, kann nur auf Basis von Klimamodellen abgeschätzt werden. In den letzten Jahrzehnten ist ein breites Spektrum an derartigen Modellen entwickelt worden, in die immer mehr klimarelevante Prozesse Eingang fanden - beginnend von einfachsten Energiebilanzmodellen bis zu hochkomplexen Erdsystemmodellen, die auch biogeochemische Kreisläufe und gesellschaftliche Aspekte von Bevölkerung, Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch mit einbeziehen. Welche Informationen nun in ein Klimamodell einfließen und welche Ergebnisse man daraus erwarten kann, ist Thema des folgenden Berichts. Es ist dies der dritte Teil einer umfassenden, leicht verständlichen Artikelserie "Q&A: How do climate models work?", die von der britischen Plattform Carbon Brief stammt (Teile 1 und 2 [1, 2]).*

Klimamodelle laufen mit Daten über die Faktoren, die das Klima beeinflussen und mit Prognosen, wie sich diese Faktoren in Zukunft verändern könnten. Dies kann zu gigantischen Datenmengen - bis zu Petabytes (102 Gigabytes) - führen und Messungen enthalten, die alle paar Stunden über Tausende von Variablen in Raum und Zeit erhoben werden - dies geht von Temperaturmessungen über die Wolkenbildung bis hin zum Salzgehalt der Ozeane.

Der Input

Die hauptsächlichen Eingaben in Klimamodelle betreffen externe Faktoren, welche die Energiebilanz der Erde beeinflussen, d.i. wie viel an Sonnenenergie von der Erde absorbiert wird oder, wie viel davon in der Atmosphäre abgefangen wird.

Externe Faktoren - Forcings

Diese externen Faktoren werden als "Forcings" (Klimaantreiber; vom IPPC eingeführter Begriff , Anm. Redn.) bezeichnet. Dazu gehören Veränderungen in der Sonneneinstrahlung, langlebige Treibhausgase - wie CO2, Methan (CH4), Stickoxide (N2O) und halogenierte Kohlenwasserstoffe - sowie winzige Partikel, sogenannte Aerosole, die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, bei Waldbränden und Vulkanausbrüchen emittiert werden Abbildung 1. Aerosole reflektieren einfallendes Sonnenlicht und beeinflussen die Wolkenbildung.

Abbildung 1. Ausbruch des Schildvulkans Soufriere Hills auf der Karibikinsel Montserrat 1/2/2010. (Dazu Wikipedia: Im Februar 2010 brach der Lavadom teilweise zusammen. Darauf kam es zu pyroklastischen Strömen, die bis 400 m auf das offene Meer hinausreichten, sowie zu einer Aschenwolke bis in mehr als 15 km Höhe. (Credit: Stocktrek Images, Inc./Alamy Stock Photo.)

Üblicherweise lässt man alle diese einzelnen Klimatreiber in einem Modell entweder als beste Schätzung aus Situationen der Vergangenheit laufen oder als Teil zukünftiger "Emissionsszenarien". Bei den letzteren handelt es sich um mögliche Pfade, wie sich die Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre entwickeln werden, basierend auf Veränderungen von Technologien, Energieverbrauch und Landnutzung in den kommenden Jahrhunderten.

"Representative Concentration Pathways"

Aktuell wenden die meisten Prognosen einen oder mehrere der "Representative Concentration Pathways" an (RCPs; „Repräsentative Konzentrationspfade“. Es handelt sich um vier, von Wissenschaftern entwickelte Szenarien, die in den 5. Sachstandbericht des IPPC aufgenommen wurden, Anm. Redn.). Diese RCPs liefern denkbare Beschreibungen der Zukunft und beruhen auf sozioökonomischen Szenarien, d.i. wie die globale Gesellschaft wachsen und sich entwickeln wird. (Mehr über die RCPs ist in diesem Carbon Brief Artikel zu lesen: https://www.carbonbrief.org/analysis-four-years-left-one-point-five-carbon-budget.)

Klimatreiber der Vergangenheit

Um zu untersuchen, wie sich das Klima in den letzten 200, 1.000 oder sogar 20.000 Jahren verändert hat, wenden Modelle auch Abschätzungen von Klimatreibern aus der Vergangenheit an. Derartige Abschätzungen erfolgen anhand von nachgewiesenen Veränderungen in der Erdumlaufbahn, von historischen Treibhausgaskonzentrationen, vergangenen Vulkanausbrüchen, Änderungen im Ausmaß der Sonnenflecken und mittels anderer Fakten aus der fernen Vergangenheit.

Kontrollen

Schließlich gibt es "Kontrollläufe" des Klimamodells. In diesen wird der Strahlungsantrieb über Hunderte oder Tausende Jahre konstant gehalten. Dies ermöglicht Wissenschaftlern, das modellierte Klima mit und ohne Veränderungen der menschlichen oder natürlichen Antriebe zu vergleichen und abzuschätzen, wie viel "unerzwungene" natürliche Variabilität auftritt.

Die Outputs

Klimamodelle generieren ein nahezu vollständiges Bild des Erdklimas mit Tausenden unterschiedlichen Variablen über Zeiträume von Stunden, Tagen und Monaten.

Allgemeine Ergebnisse

Zu diesen Ergebnissen gehören Temperaturen und Feuchtigkeitsgehalte, die in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre von der Erdoberfläche bis zur oberen Stratosphäre vorliegen, sowie Temperaturen, Salzgehalte und Säuregrade (pH-Wert) der Ozeane von der Oberfläche bis zum Meeresboden. Die Modelle ergeben auch Abschätzungen zu Schneefall, Regen, Schneedecke und zur Ausdehnung von Gletschern, Eisschilden und Meereis. Sie generieren Ergebnisse zu Windgeschwindigkeiten, -stärken und -richtungen sowie zu Klimamerkmalen wie den Jetstreams (Schnelle Winde in großer Höhe, verursacht durch das Temperaturgefälle der Atmosphäre; Anm. Redn.) und den Meeresströmungen.

Unüblichere Ergebnisse

der Modellrechnungen betreffen die Wolkendecke und ihre Höhe sowie mehr technische Variablen wie die vom Boden aufsteigende langwellige Strahlung - d.i. wie viel Energie von der Erdoberfläche zurück in die Atmosphäre abgegeben wird - oder wie viel Meersalz während der Verdunstung aus dem Ozean abgeht und sich an Land ansammelt. Klimamodelle liefern auch eine Einschätzung der "Klimasensitivität". Das heißt, sie berechnen, wie empfindlich die Erde auf steigende Konzentrationen von Treibhausgasen reagiert, wobei verschiedene Klima-Rückkopplungen berücksichtigt werden, beispielsweise von Wasserdampf und von Änderungen der Reflektivität oder "Albedo" der Erdoberfläche, die an den Verlust von Eismassen geknüpft ist.


Eine vollständige Liste der allgemeinen Ergebnisse der Modellrechnungen ist im CMIP6-Projekt verfügbar (das Coupled Model Intercomparison Project 6 - oder CMIP6 - ist eine internationale Initiative, um vergangene, gegenwärtige und zukünftige Klimaänderungen besser zu verstehen https://www.wcrp-climate.org/wgcm-cmip/wgcm-cmip6). Modellierer speichern Petabytes von Klimadaten an Orten wie dem Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung (NCAR) und stellen die Daten oft als netCDF-Dateien zur Verfügung, die für die Forscher leicht zu analysieren sind.


[1] Teil 1: Was Sie schon immer über Klimamodelle wissen wollten – eine Einführung.

[2] Teil 2: Klimamodelle: von einfachen zu hoch komplexen Modellen.


*Der Artikel ist der homepage von Carbon Brief: "Q&A: How do climate models work?" entnommen (https://www.carbonbrief.org/qa-how-do-climate-models-work). Unter dem Titel What are the inputs and outputs for a climate model? ist es der 3. Teil einer, von mehreren Autoren stammenden Serie, die am 15. Jänner 2018 online gestellt wurde. Der unter einer cc-by-nc-nd 4.0 Lizenz stehende Artikel wurde im Einverständnis mit Carbon Brief möglichst wortgetreu von der Redaktion aus dem Englischen übersetzt und von Carbon Brief freigegeben.


Weiterführende Links

Informationen zu Carbon Brief: https://www.carbonbrief.org/about-us

Peter Lemke: Dossier: Die Wetter- und Klimamaschine

Alfred-Wegener Institut, Helmholtz Zentrum für Polar-und Meeresforschung: Eis, Meer und Klima - Mit Polar- und Meeresforschung unsere Erde verstehen (13.5.2016). Video 7:24 min (2016).

Klimamodelle: http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Klimamodelle Max-Planck Institut für Meteorologie: Überblick. http://www.mpimet.mpg.de/wissenschaft/ueberblick/

Max-Planck-Gesellschaft: Klimamodelle - die Welt im Computer (26.10.2015), Video 5:05 min. https://www.youtube.com/watch?reload=9&time_continue=51&v=ouPRMLirt5k. Standard YouTube Lizenz.

Max-Planck-Gesellschaft: Klimamodelle - Wärmepumpe Ozean (26.10.2015), Video 9:27 min. https://www.youtube.com/watch?v=jVwSxx-TWT8. Standard YouTube Lizenz.

Max-Planck-Gesellschaft: Klima – der Kohlenstoffkreislauf (1.6.2015), Video 5:25 min. https://www.youtube.com/watch?v=KX0mpvA0g0c. Standard YouTube Lizenz.

Max-Planck-Gesellschaft: Klima - der Atem der Erde (1.6.2015), Video 9:00 min https://www.youtube.com/watch?v=aRpax... (Anmerkung: Es hat sich leider ein kleiner Grafik-Fehler in den Film eingeschlichen: CO2 ist natürlich ein lineares Molekül, kein gewinkeltes!). Standard YouTube Lizenz

Max-Planck-Gesellschaft: Meereis - die Arktis im Klimawandel. (8.6.2016), Video 6:40 min. https://www.youtube.com/watch?v=w77q4Oa9UK8. Standard YouTube Lizenz.

Artikel im ScienceBlog

Dem Thema Klima & Klimawandel ist ein eigener Schwerpunkt gewidmet, der aktuell 21 Artikel enthält: http://scienceblog.at/klima-klimawandel