Handel und Klimawandel erhöhen die Bedrohung der europäischen Wälder durch Schädlinge

Do,13.08.2020 Redaktion

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Europas Wälder sehen sich aufgrund des Welthandels und des Klimawandels einer wachsenden Bedrohung durch Schädlinge ausgesetzt. Jedes Jahr vernichten Schädlinge weltweit 35 Millionen Hektar Wald. Allein im Mittelmeerraum ist nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) jährlich ein Gebiet von der Größe der Slowakei - fünf Millionen Hektar - von Schädlingen betroffen. In von der EU unterstützten Projekten ("HOMED"," MySustainableForest") entwickeln Wissenschaftler Techniken, die frühzeitig vor Befall warnen können, um schädliche Insekten und Krankheiten zu bekämpfen.*

Europas Wälder sind aufgrund von Welthandel und Klimawandel einer wachsenden Bedrohung durch Insekten und Krankheitserreger ausgesetzt. Der Klimawandel ermöglicht es einigen einheimischen Schädlingen sich häufiger zu vermehren, während der internationale Handel exotische Insekten und Krankheitserreger weiter verbreitet.

Eingeschleppte Baumschädlinge

Nur ein kleiner Bruchteil der exotischen Schädlinge, die in Europa ankommen, schädigen Bäume. "Aber diese sind sehr zerstörerisch und es werden immer mehr", sagte Dr. Hervé Jactel, Forschungsdirektor für Waldentomologie und Biodiversität am französischen Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (Paris). Im Mittel werden jedes Jahr sechs neue Arten von Baumschädlingen in Europa eingeschleppt, in den 1950er Jahren waren es jährlich bloß zwei, sagt Dr. Jactel. Diese kommen in Topfpflanzen und Holzprodukten an oder in Verpackungsmaterialien.

Der asiatische Eschenprachtkäfer

Viele der für die Wälder Europas entstehenden Bedrohungen haben in Asien ihren Ursprung. Beispielsweise hat sich der Asiatische Eschenprachtkäfer von Asien aus in die USA verbreitet, wo er mehr als 150 Millionen Bäume vernichtete und in den letzten zehn Jahren mehr als 10 Milliarden US-Dollar Schaden angerichtet haben dürfte. Abbildung 1.Das Insekt pocht nun an Europas Tür.

Abbildung 1. Der Asiatische Eschenprachtkäfer (Agrilus planipennis, links) hat in den letzten zehn Jahren in den USA mehr als 150 Millionen Bäume vernichtet (rechts durch Larvenfrass verursachte Gänge in der Rinde einer Esche) und ist nun eine potenzielle Bedrohung für die Wälder Europas. (Bildnachweis: links: Wikipedia, Pennsylvania Dept Conservation and Natural Resources - Forestry Archive ,cc-by 3.0; rechts: Pikist, gemeinfrei)

"Wir wissen, dass alle oder zumindest die meisten Eschen vernichtet werden", sagt Dr. Jactel; er koordiniert das HOMED-Projekt [1], das neue Wege entwickelt, um solche exotischen Schädlinge frühzeitig zu erkennen.

Der Teezweigbohrer

ist eine weitere große Bedrohung. Es kann praktisch alle Arten von Laubbäumen in Europa befallen, sagt Dr. Jactel. Abbildung 2.

Abbildung 2. Der Teezeweigbohrer (Euwallacea fornicatus) kann praktisch alle Laubbäume befallen und wurde im April d.J. erstmals in Europa gesichtet. (Bild: Ken Walker, Lizenz cc.3.0).

"Es ist ein sehr, sehr gefährlicher kleiner Käfer", sagte er. "Dies ist wahrscheinlich das nächste große Problem für Europa." Dieses kleine Insekt stammt ursprünglich aus Asien und hat sich in Israel, Kalifornien und dann in Südafrika verbreitet, wo es Hunderttausende Bäume vernichtet hat. Im April dieses Jahres wurde es zum ersten Mal in einem tropischen Garten in Italien entdeckt. Bis jetzt gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass es sich irgendwo anders in Europa verbreitet hat.

Obwohl alle vom Käfer betroffenen Länder davor gewarnt waren, konnte ihn keines entdecken bevor er bereits Schaden angerichtet hatte, sagt Dr. Jactel. Das Problem besteht darin, exotische Schädlinge und Krankheitserreger zu entdecken, noch bevor sie Bäume befallen können.

Tagtäglich kommen Hunderttausende mit Waren gefüllte Container in Europas Häfen und Flughäfen an. Winzige Insekten oder Sporen von pathogenen Pilzen können in Sendungen mit Holzprodukten, Paletten oder Verpackungen oder lebenden Pflanzen verborgen sein. Die bloße Zahl der Sendungen überfordert die Mittel der gesundheitlichen Prüfer zur Entdeckung von Insekten und Sporen, sagt Dr. Jactel.

"Es ist, als wolle man eine Nadel im Heuhaufen finden."

Lösungsansätze

Sobald die Container geöffnet werden, können Schädlinge leicht zu umliegenden Bäumen entkommen. Ein guter Anfang ist damit gemacht, dass Bäume, die rund um Häfen und Flughäfen wachsen, besser kontrolliert werden, sagt Dr. Jactel.

Lösungsansätze gegen solche Schädlinge zu finden, ist unabdingbar. Wälder bedecken 43% der Landfläche der EU - insgesamt 182 Millionen Hektar. Der Forstsektor steht für etwa 1% des EU-BIP und bietet rund 2,6 Millionen Menschen Arbeitsplätze. Wenn sich die Schädlinge unkontrolliert verbreiten dürfen - ohne die natürlichen Feinde, die sie in ihren ursprünglichen Lebensräumen hatten und an Bäumen, die keine Abwehrkräfte gegen sie entwickelt haben -, könnten dies verheerende Folgen haben.

Zusätzlich werden aber auch neue Hilfsmittel benötigt, um die Inspektoren auf das Vorhandensein von Schädlingen in Containern aufmerksam zu machen, bevor diese entkommen können, fügt er hinzu. Das Team des HOMED-Projekts (siehe [1]) entwickelt ganz generelle Fallen, um eine Vielzahl von Insekten anzulocken. Diese Fallen werden in Container vor dem Abschicken aus dem Herkunftsland gelegt werden sowie auf Flughäfen, Häfen und Bahnhöfen, an denen die Importe ankommen. Abbildung 3.

Abbildung 3. Lichtfallen, die in Fracht-Container gelegt werden, können helfen nach Europa eingeschleppte, neue Insekten erfassen (Bild: Matteo Marchioro).

Die Teams entwickeln auch Fallen für Pilzsporen sowie DNA-Tools und Datenbanken von Arten, um festzustellen, ob eine Spore einheimisch oder importiert ist.

Das HOMED-Projekt pflanzt auch europäische Bäume als "Wächter" in Asien, Nordamerika und anderswo, um frühzeitig erkennen zu können, welche Schädlinge eine besondere Bedrohung für europäische Bäume darstellen könnten.

Für Schädlinge, die bereits in Europa Fuß gefasst haben, besteht eine mögliche Lösung darin, die natürlichen Feinde dieses Schädlings aus seinem Herkunftsland zu importieren, sagt Dr. Jactel. Wissenschaftler in Frankreich und der Schweiz untersuchen, ob die natürlichen Feinde des zerstörerischen Buchsbaumzünslers, der sich aus China kommend in ganz Europa verbreitet hat, importiert und zur Eindämmung verwendet werden können. Die Freisetzung dieser parasitären Wespe gegen den Zünsler könnte jedoch andere Probleme mit sich bringen.

"Wir müssen sehr vorsichtig sein zu prüfen, ob die chinesischen Parasiten nicht Auswirkungen auf europäische Arten haben könnten", sagte Dr. Jactel.

Einheimische Schädlinge

Viele Bedrohungen für die Wälder Europas sind jedoch eher hausgemacht. In vielen Regionen trägt die Klimaerwärmung dazu bei, dass nun einige einheimische Schädlinge häufiger auftreten.

Der Borkenkäfer ist einer der übelsten Schädlinge, die derzeit die Wälder Europas befallen und die Fichten in Mitteleuropa zerstören. In den letzten Jahren musste die Tschechische Republik so viele infizierte Bäume fällen, dass der Holzpreis abgestürzt ist, als das resultierende Schadholz verkauft wurde, sagt Dr. Julia Yagüe, Projektmanagerin von My Sustainable Forest (MSF), das die Gesundheit der Wälder Europas überwacht ([2]). Es dauert an die 140 Jahre, bis Fichten völlig ausgewachsen sind; der Verlust so vieler Bäume wird noch lange spürbar sein.

Dies liegt hauptsächlich daran, dass die wärmeren Temperaturen den Käfern ermöglichten mehrere Generationen hervorzubringen. "Vor ungefähr 20 Jahren hatten wir einen Generationszyklus pro Sommer, aber heute haben wir in der Tschechischen Republik und in Süddeutschland bis zu vier Zyklen von Borkenkäfern", sagte Dr. Yagüe.

...und wärmeres Klima

Dazu kommt, dass in wärmeren, längeren und trockeneren Sommern Bäume auch anfälliger für Angriffe sind, aufgrund der Bedingungen weniger in der Lage sind, der Schädlinge Herr zu werden, sagt sie.

Wissenschaftler schaffen nun Variationen einheimischer Fichten, von denen sie hoffen, dass sie widerstandsfähiger gegen höhere Temperaturen und Trockenheit sind und so Angriffe von Schädlingen besser abwehren können. Bis es soweit ist, müssen die Wälder dringend genauer überwacht werden, sagt Dr. Yagüe. Forstverwalter führen in der Regel alle fünf bis zehn Jahre eine Bestandsaufnahme durch. "Weil der Klimawandel so starken Druck ausübt, müssen wir unsere Daten über Wälder viel häufiger aktualisieren", sagte sie.

Überwachung der Wälder

Die effizienteste Methode zur Überwachung großer Waldgebiete sind Satellitenbeobachtungen, mit deren Hilfe frühe Warnzeichen von Bäumen erkannt werden können, die unter Wassermangel oder Hitzestress stehen und daher anfälliger für Angriffe sind. Diese können Forstmanagern es auch ermöglichen, die ersten Anzeichen eines Befalls zu erkennen, wie Trockenheit, Laubverlust oder Absterben.

"Mit der Fernerkundung von Satelliten aus können wir solche Krankheiten erkennen, bevor noch das menschliche Auge sie entdecken kann", sagte Dr. Yagüe, Fernerkundungsexpertin beim spanischen Luft- und Raumfahrtunternehmen GMV.

Die Aufgabe von My Sustainable Forest Daten zu sammeln, wurde durch den Start der europäischen Copernicus-Satelliten im Jahr 2014 und die Entwicklung von Technologien zur Verarbeitung großer Informationsmengen erleichtert. MSF erhält jetzt alle fünf Tage Schnappschüsse der europäischen Wälder anstatt alle 15 bis 30 Tage vor Copernicus. "Wir erhalten diese Informationen kostenlos", sagte Dr. Yagüe.

Es gibt jedoch noch ein weiteres entscheidendes Element zur Verbesserung der Gesundheit der Wälder in Europa, und dieses liegt bei uns.

Viele Wälder Europas wurden vernachlässigt. Während sie einst sorgfältig verwaltete Landschaften waren, "ist das Wissen um das Zusammenleben mit der Natur verloren gegangen, als die Menschen in die Städte zogen", sagte Dr. Yagüe. "Dies wiederherzustellen ist sehr wichtig."


* Dieser von Alex Whiting verfasste Artikel wurde ursprünglich am 5.August 2020 in Horizon, the EU Research and Innovation Magazine unter dem Titel: ‘Trade and climate change increase pest threat to Europe’s forests" publiziert. https://horizon-magazine.eu/article/trade-and-climate-change-increase-pest-threat-europe-s-forests.html . Der unter einer cc-by-4.0 Lizenz stehende Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzt und geringfügig (mit einigen Untertiteln und einer Abbildung) für den Blog adaptiert.


[1] HOMED Projekt: HOlistic Management of Emerging forest pests and Diseases. Laufzeit: 10.2018 - 9.2022. https://cordis.europa.eu/project/id/771271

[2] MySustainableForest: Operational sustainable forestry with satellite-based remote sensing. Laufzeit: 22.2017 - 10.2020. https://cordis.europa.eu/project/id/776045