Erste topische Gentherapie zur Behandlung der Schmetterlingskrankheit (dystrophe Epidermolysis bullosa) wurde in den USA zugelassen

Do, 08.06.2023 — Ricki Lewis

Ricki Lewis

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Epidermolysis bullosa (EB) - volkstümlich als Schmetterlingskrankheit bezeichnet - wird durch Mutationen in Strukturproteinen der Haut ausgelöst und ist durch eine extrem verletzliche Haut charakterisiert. Vor 6 Jahren hat Eva Maria Murauer (EB-Haus, Salzburg) im ScienceBlog über eine Fallstudie berichtet, in der eine große, chronische Wunde am Bein mittels Gentherapie normalisiert werden konnte [1]. Vor wenigen Wochen hat nun die FDA mit Vyjuvek eine erste Gentherapie zur Behandlung der schweren dystrophischen Epidermolysis bullosa (DEB) in den USA zugelassen. Diese Gentherapie hat lange auf sich warten lassen, aber sie unterscheidet sich von einer Handvoll anderer zugelassener Gentherapien: Sie ist nicht nach einmaliger Anwendung abgetan. Die Genetikerin Ricki Lewis berichtet darüber.*

Mein nun schon zehn Jahre altes Buch "The Forever Fix: Gene Therapy and the Boy who Saved It" (Gentherapie und der Junge, der sie rettete) hat die Geschichten von Kindern erzählt, die einmalig anwendbare funktionsfähige Genkopien erhalten hatten, um ihre Mutationen zu kompensieren. Die ersten Gentherapien haben Menschen mit einer vererbten Form der Netzhautblindheit zum Sehen und Kindern mit schweren Immundefekten zum Überleben verholfen. Heute sprechen mehrere durch Einzelgen-Mutationen verursachte Blut-, Gehirn-, Muskel- und Stoffwechselkrankheiten auf einmalige Infusionen einer Gentherapie an.

Die Biologie, die hinter einer Einzelgen-Erkrankung steht, gibt Aufschluss darüber, wie eine bestimmte Gentherapie zielgerichtet, angewandt und die Wirkung aufrechterhalten werden kann. Im Vergleich zu "Slash-and-Burn"-Technologien wie Standard-Chemotherapie und Bestrahlung, die nicht nur die Zielzellen betreffen, ist eine Gentherapie sowohl rational als auch maßgeschneidert.

Bei der Netzhautblindheit werden die Gene in die nährende Zellschicht unter den Stäbchen und Zapfen injiziert, welche die elektrischen, ein visuelles Bild vermittelnde Signale an das Gehirn weiterleiten. Da sich die Zellen dieser Schicht normalerweise nicht teilen, bleiben die verabreichten Gene an Ort und Stelle, unterhalten die Stäbchen und Zapfen und bewahren das Sehvermögen, das andernfalls verloren gehen würde.

Einige andere Gentherapien verfolgen einen umgekehrten Ansatz; sie werden in Stammzellen eingebracht, sodass sie sich bei der Zellteilung ausbreiten können.

Für die Haut stellt die Gentherapie eine ganz andere Herausforderung dar, weil die Zellen in der Regel so häufig ersetzt werden - es liegt in der Natur des Organs, sich permanent zu erneuern. Die Anwendung einer Gentherapie ist also das Gegenteil von einmal und fertig; sie muss viel häufiger erfolgen.

Topische und redosierbare Gentherapie

Am 19. Mai hat die FDA Vyjuvek, eine Gentherapie für DEB, zugelassen. In der Ankündigung des Erzeugers Krystal Biotech wird sie als "die erste redosierbare Gentherapie" bezeichnet.

Die Ursache für DEB ist eine Mutation im Kollagen-Gen COL7A1, das eine der beiden Hauptkomponenten des Bindegewebes darstellt. In gesunder Haut fügen sich Kollagenproteine zu Fibrillen zusammen, die die Epidermis mit der darunter liegenden Dermis verbinden, ähnlich wie Mozzarella-Käse die Schichten einer Lasagne verankert. Ohne COL7A1-Kollagen lösen sich die Hautschichten ab, und es entstehen schmerzhafte und beeinträchtigende Blasen und Wunden. Täglich.

Betroffene Kinder mit einer rezessiven Form - RDEB - werden manchmal als "Schmetterlingskinder" bezeichnet, weil ihre Haut so zart ist, wie die zerbrechlichen Flügel eines Insekts. Doch dieses Bild hat keine Ähnlichkeit mit der Realität der Extremitäten, die durch ständige Blasenbildung, Schälen, Blutungen und Narbenbildung unbrauchbar werden. Abbildung 1.

Abbildung 1. Ein Schmetterlingskind. (Bild: Yovanna.Gonzalez, commons.wikimedia.org, Lizenz: cc-by-sa)

Bei der geringsten Berührung bilden sich sofort schmerzhafte Blasen, und die Haut schält sich ab. Das Entfernen von Verbänden ist eine Qual, die täglich und ein Leben lang durchgeführt werden muss. Die Krankheit kann zu Sehkraftverlust, Entstellung und anderen Komplikationen führen, von denen einige tödlich sind.

RDEB wird von zwei Trägereltern vererbt. Eine dominante Form - DDEB - ist weniger gravierend, verursacht Blasenbildung an Händen, Füßen, Knien und Ellenbogen.

DEB ist seit 2002 ein Kandidat für eine Gentherapie. In einem Bericht aus dem Jahr 2018 habe ich die Geschichte der Bemühungen nachgezeichnet [2].

Patienten als ihre eigenen Kontrollpersonen

Die eben zugelassene Gentherapie liefert funktionierende Kopien des COL7A1-Kollagengens; Vektoren sind Herpes-Simplex-Viren, die so optimiert sind, dass sie sich nur in den betroffenen Hautzellen vermehren. Ein Arzt trägt einmal pro Woche Tropfen des Vyjuvek-Gels auf die Wunden eines Patienten auf.

Es wurden zwei klinische Studien durchgeführt und die Ergebnisse im Dezember 2022 veröffentlicht. In einer Phase 3-Studie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, wurden 30 Personen im Alter von 1 bis 44 Jahren, die an RDEB leiden und eine an DDEB leidende Person untersucht [3]. Bei jedem Teilnehmer wurden zwei Wunden ähnlicher Größe ausgewählt, von denen eine wöchentlich mit der Gentherapie und die andere mit einem Placebo behandelt wurde. Nach 24 Wochen wurden die Wunden miteinander verglichen. Von den mit Vyjuvek behandelten Wunden hatten sich 65 % vollständig geschlossen, verglichen mit nur 26 % der mit Placebo behandelten Wunden. Vorhergehende Ergebnisse aus Phase 1/Phase 2-Studien sind in Nature Medicine veröffentlicht worden [4]. Abbildung 2.

Abbildung 2. Die Behandlung mit Vyjuvek führt zur Heilung der Hautwunden. Links: Nach 3 Monaten hat sich der Großteil der Wunden vollständig geschlossen (repräsentative Fotos der Wunden w1 und w3 von Patient 10). Rechts: Histologische Analyse der Hautproben (von Patient 10) zeigt bereits nach 15 Tagen Behandlung die Expression von funktionellem Kollagen 7-Protein, welches Epidermis mit Dermis verknüpft (weiße Pfeile markieren die Grenze Epidermis/Dermis). Mit seiner Domäne NC1 (links, rot gefärbt) verankert Kollagen 7 die Fibrillen in der Basalmembran, mit der Domäne NC2 (rechts grün gefärbt) fördert es den Zusammenbau der Fibrillen. Blau gefärbt sind die Zellkerne. (Bild von Redaktion eingefügt; es sind Ausschnitte aus der oben zitierten Arbeit von Irina Gurevich et al., 2022 [4]. Lizenz cc-by).

Studienleiter M. Peter Marinkovich, MD, Direktor der Blistering Disease Clinic am Stanford Health Care, bezeichnet DEB als eine verheerende Krankheit. "Bis jetzt hatten Ärzte und Krankenschwestern keine Möglichkeit, die Entstehung von Blasen und Wunden auf der Haut von dystrophischen EB-Patienten zu verhindern, und alles, was wir tun konnten, war, ihnen Verbände zu geben und hilflos zuzusehen, wie sich neue Blasen bildeten. Die topische Gentherapie von Vyjuvek ändert all dies. Sie heilt nicht nur die Wunden der Patienten, sondern verhindert auch eine erneute Blasenbildung, weil sie den zugrunde liegenden Hautdefekt der dystrophen EB korrigiert. Da sie sicher und einfach direkt auf die Wunden aufzutragen ist, erfordert sie nicht viel unterstützende Technologie oder spezielles Fachwissen; dies macht Vyjuvek auch für Patienten, die weit entfernt von spezialisierten Zentren leben, besonders zugänglich."


[1] Eva Maria Murauer, 02.03.2017: Gentherapie - Hoffnung bei Schmetterlingskrankheit. https://scienceblog.at/gentherapie-hoffnung-bei-schmetterlingskrankheit

[2] Ricki Lewis, 08.02.2018: Gene Therapy for the “Butterfly Children”https://dnascience.plos.org/2018/02/08/gene-therapy-for-the-butterfly-children/

[3] Shireen V. Guide et al., Trial of Beremagene Geperpavec (B-VEC) for Dystrophic Epidermolysis Bullosa. 15.12. 2022. N Engl J Med 2022; 387:2211-2219. DOI: 10.1056/NEJMoa2206663

[4] Irina Gurevich et al., In vivo topical gene therapy for recessive dystrophic epidermolysis bullosa: a phase 1 and 2 trial. Nat Med 28, 780–788 (2022).https://doi.org/10.1038/s41591-022-01737-y. open access.


*Der Artikel ist erstmals am 1. Juni 2023 in PLOS Blogs - DNA Science Blog unter dem Titel "Topical Gene Therapy FDA-Approved for Severe Skin Disease, Dystrophic Epidermolysis Bullosa" https://dnascience.plos.org/2023/06/01/topical-gene-therapy-fda-approved-for-severe-skin-disease-dystrophic-epidermolysis-bullosa/  erschienen und steht unter einer cc-by Lizenz . Die Autorin hat sich freundlicherweise mit der Übersetzung ihrer Artikel durch ScienceBlog.at einverstanden erklärt. Der leicht gekürzte Artikel folgt so genau wie möglich der englischen Fassung. Abbildung 2 wurde von der Redaktion aus der zugrundeliegenden klinischen Studie [4] eingefügt.


Anmerkung der Redaktion

DEB is eine sehr seltene Erkrankung, Schätzungen zur weltweiten Inzidenz gehen von etwa 100 000 Fällen aus (https://www.eb-researchnetwork.org/research/what-is-eb/).

Nach Mitteilung des Herstellers Krystal Biotech werden sich die Kosten von Vyjuvek auf 24 250 $/ Ampulle belaufen, die geschätzten jährlichen Behandlungskosten auf rund 631 000 $. Damit kommt Vyjuvek zwar in die Liste der weltweit 10 teuersten Medikamente, allerdings beläuft sich auch die bislang allein palliative Behandlung auf jährlich 200 000 bis 400 000 $ (https://ir.krystalbio.com/static-files/e6f347b3-0c14-43d9-b7d3-c9a274267294).