NASA-Weltraummission erfasst Kohlendioxid-Emissionen von mehr als 100 Ländern

Do, 27.04.2023 — Redaktion

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Im Rahmen eines Pilotprojekts der NASA wurden die Emissionen von Kohlendioxid und seine Entfernung aus der Atmosphäre in mehr als 100 Ländern anhand von Satellitenmessungen bestimmt. Das Pilotprojekt OCO-2 bietet erstmals einen aussagekräftigen  Einblick auf das in diesen Ländern emittierte Kohlendioxid, und darauf, wie viel davon durch Wälder und andere kohlenstoffabsorbierende "Senken" innerhalb ihrer Abgrenzungen aus der Atmosphäre entfernt wird. Die Länder arbeiten daran ihre Klimaziele zu erreichen - aus den Befunden der Studie geht klar hervor, wie Weltraum-basierte Instrumente die auf der Erde erhobenen Erkenntnisse unterstützen können.*

Top-Down-Ansätze

Die internationale Studie wurde von mehr als 60 Forschern durchgeführt und hat Messungen der NASA-Mission Orbiting Carbon Observatory-2 (OCO-2) sowie ein Netzwerk von Erdoberflächen-basierten Beobachtungen genutzt, um die Zu- und Abnahmen der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration von 2015 bis 2020 zu quantifizieren [1]. (Zum OCO-2-Projekt: siehe Box.)

Mithilfe dieses auf Messungen basierenden (oder "Top-Down"-) Ansatzes konnten die Forscher dann auf die Kohlendioxid-Bilanz von Emissionen und Entfernungen aus der Atmosphäre schließen. Abbildung 1.

Wenn auch die OCO-2-Mission nicht speziell auf die Bestimmung der Emissionen einzelner Länder ausgerichtet war, so kommen die Ergebnisse aus den über 100 Ländern zu einem recht günstigen Zeitpunkt: Die erste globale Bestandsaufnahme - ein Prozess zur Bewertung des kollektiven globalen Fortschritts bei der Begrenzung der im Pariser Abkommen von 2015 festgelegten globalen Erwärmung - findet 2023 statt.

Abbildung 1. Datenvisualisierung der Emissionen (Quellen) und Entnahmen (Senken) von Kohlendioxid (CO₂) für mehr als 100 Länder auf der ganzen Welt. Die Karte rechts zeigt die mittleren Nettoemissionen und Nettoentnahmen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre von 2015 bis 2020. Länder, in denen mehr Kohlendioxid entfernt als emittiert wurde, erscheinen als grüne Vertiefungen, während Länder mit höheren Emissionen hellbraun bis dunkelbraun sind und aus dem Bild herauszuragen scheinen. Diese Befunde beruhen auf Messungen des atmosphärischen CO₂, die von einem Netzwerk bodengestützter Standorte und dem Orbiting Carbon Observatory 2 (OCO-2) der NASA durchgeführt wurden, das CO₂ seit 2014 rund um den Globus kartiert. (Das Bild wurde von Redn. deutsch beschriftet; Quelle: NASA's Scientific Visualization Studio; Lizenz cc-by.)

"Die NASA konzentriert sich auf die Bereitstellung geowissenschaftlicher Daten, die sich mit realen Klimaproblemen befassen - etwa indem weltweit Regierungen geholfen wird die Auswirkungen ihrer Bemühungen zur Verringerung des Kohlenstoffausstoßes zu messen", sagt Karen St. Germain, Direktorin der Earth Science Division der NASA im NASA-Hauptquartier in Washington. "Dies ist ein Beispiel dafür, wie die NASA bestrebt ist die Messung von Kohlenstoffemissionen in einer Weise zu entwickeln und verbessern, die den Bedürfnissen der Nutzer entspricht."

Herkömmliche Aktivitäten-bezogene Ansätze,

solche "Bottom-Up"-Ansätze zur Kohlenstoffbestimmung beruhen auf dem Aufrechnen und Abschätzen wie viel Kohlendioxid in allen Sektoren einer Volkswirtschaft, wie im Transportsektor und in der Landwirtschaft, emittiert werden. Bottom-Up-Bestandsaufnahmen von Kohlenstoff sind von entscheidender Bedeutung für die Bewertung von Fortschritten bei der Emissionsreduzierung; ihre Erstellung erfordert allerdings beträchtliche Ressourcen, Expertise und Kenntnisse über das Ausmaß der relevanten Aktivitäten.

Deshalb ist - nach Meinung der Autoren - die Entwicklung einer Datenbank über Emissionen und deren Entfernungen mittels eines Top-Down-Ansatzes als besonders hilfreich für Länder anzusehen, die nicht über die üblichen Ressourcen für die Erstellung von Bestandsaufnahmen verfügen [1]. Tatsächlich enthält die gegenwärtige Studie Daten für mehr als 50 Länder, die zumindest in den letzten 10 Jahren keine Emissionen gemeldet haben.

Die Studie bietet eine neue Perspektive, indem sie sowohl die Emissionen fossiler Brennstoffe als auch die Veränderungen des gesamten Kohlenstoffbestands in Ökosystemen, einschließlich Bäumen, Sträuchern und Böden erfasst. Abbildung 2.

Abbildung 2. Bestandsaufnahme von CO2-Emissionen und Entfernungen aus der Atmosphäre. CO2 wird der Atmosphäre durch Photosynthese entzogen und dann durch eine Reihe von Prozessen wieder in die Atmosphäre abgegeben. Drei Prozesse verlagern den Kohlenstoff lateral auf der Erdoberfläche, so dass die CO2-Emissionen in einer anderen Region schlagend werden als die CO2-Entnahme: (1) Landwirtschaft: Die geernteten Feldfrüchte werden in städtische Gebiete und zu Nutztieren transportiert, die ihrerseits in städtische Gebiete exportiert werden.CO2 wird in Viehzucht oder in städtischen Gebieten über die Atmung in die Atmosphäre abgegeben. (2) Forstwirtschaft: Der abgeholzte Kohlenstoff wird in städtische und industrielle Gebiete transportiert und dann durch Zersetzung in Deponien oder durch Verbrennung als Biokraftstoff emittiert. (3) Wasserkreislauf: Kohlenstoff wird aus den Böden in Gewässer, wie z. B. Seen, ausgewaschen. Der Kohlenstoff wird dann entweder deponiert, oder in die Atmosphäre freigesetzt oder in den Ozean transportiert. Pfeile zeigen Kohlenstoffflüsse (F) an - grau: Emissionen fossiler Brennstoffe, dunkelgrün: Ökosystem-Stoffwechsel, rot: Biomasseverbrennung, hellgrün: Forstwirtschaft, gelb: Landwirtschaft, blau:Wasserkreislauf. Halbtransparente Pfeile: Flüsse zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre, volle Pfeile: Flüsse zwischen Landregionen.Gestrichelte Pfeile: Emissionen von reduziertem Kohlenstoffspezies in die Atmosphäre. (Bild und Legende von Redn.deutsch beschriftet, aus B.Byrne et al., 2023 [1] eingefügt; Lizenz cc-by.)

Die Daten sind besonders nützlich, um Kohlendioxidschwankungen im Zusammenhang mit der Veränderung der Bodenbedeckung zu verfolgen. Allein die Emissionen aus der Entwaldung machen einen unverhältnismäßig großen Teil der gesamten Kohlenstoffbilanz im globalen Süden aus, der Regionen in Lateinamerika, Asien, Afrika und Ozeanien umfasst. In anderen Teilen der Welt deuten die Ergebnisse auf eine gewisse Verringerung der atmosphärischen Kohlenstoffkonzentration durch verbesserte Landbewirtschaftung und Wiederaufforstung hin.

Nach Meinung der Autoren sind Bottom-up-Methoden zur Abschätzung von Kohlendioxidemissionen und -Entnahmen durch Ökosysteme unabdingbar. Diese Methoden sind jedoch anfällig für Unsicherheiten, wenn Daten fehlen oder die Nettoauswirkungen bestimmter Aktivitäten, wie z. B. der Abholzung, nicht vollständig bekannt sind.

"Unsere Top-Down-Messungen liefern eine unabhängige Bestimmung dieser Emissionen und der Entnahmen. Wenn sie auch das detaillierte Prozessverständnis der traditionellen Bottom-up-Methoden nicht ersetzen, können wir doch beide Ansätze auf ihre Konsistenz hin überprüfen", so Philippe Ciais, einer der Studienautoren und Forschungsdirektor am Laboratoire des Sciences du Climat et de l'Environnement in Frankreich.

Dem Kohlenstoff auf der Spur bleiben

Die Studie bietet ein komplexes Bild der Reise des Kohlenstoffs durch Land, Ozean und Atmosphäre der Erde [1].

Zusätzlich zu den direkten Beeinflussungen durch den Menschen, die in den nationalen Verzeichnissen erfasst sind, können unbewirtschaftete Ökosysteme wie einige tropische und boreale Wälder - wo der Mensch nur einen minimalen Fußabdruck hinterlässt - Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und so die potenzielle globale Erwärmung verringern.

"Nationale Verzeichnisse sollen aufzeigen, wie sich Bewirtschaftungsmaßnahmen auf die Emissionen und den Abbau von CO2 auswirken", so Studienautor Noel Cressie, Professor an der University of Wollongong in Australien. "Der Atmosphäre ist es jedoch egal, ob CO2 durch Abholzung im Amazonasgebiet oder durch Waldbrände in der kanadischen Arktis ausgestoßen wird. Beide Prozesse erhöhen die CO2-Konzentration in der Atmosphäre und treiben den Klimawandel voran. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Kohlenstoffbilanz unbewirtschafteter Ökosysteme zu überwachen und Veränderungen bei der Kohlenstoffaufnahme (= Photosynthese) zu erkennen".

Mit Blick auf die Zukunft sagen die Forscher, dass ihr Pilotprojekt weiter verfeinert werden kann, um zu verstehen, wie sich die Emissionen der einzelnen Länder verändern.

"Nachhaltige, qualitativ hochwertige Beobachtungen sind für diese Top-Down-Schätzungen von entscheidender Bedeutung", sagt der Hauptautor Brendan Byrne, Wissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Südkalifornien. "Mit kontinuierlichen Beobachtungen von OCO-2 und Oberflächenstandorten können wir verfolgen, wie sich die Emissionen und Entnahmen im Zuge der Umsetzung des Pariser Abkommens verändern. Künftige internationale Missionen, die eine erweiterte Kartierung der CO2-Konzentrationen auf der ganzen Welt liefern, werden es uns ermöglichen, diese Top-Down-Schätzungen zu verfeinern und genauere Bestimmungen von Emissionen und Entfernungen in den einzelnen Ländern zu liefern."


[1] Brendan Byrne et al., National CO2 budgets (2015–2020) inferred from atmospheric CO2 observations in support of the global stocktake. Earth Syst. Sci. Data, 15, 963–1004, 2023. https://doi.org/10.5194/essd-15-963-2023


* Der vorliegende Artikel von Sally Younger (NASA's Jet Propulsion Laboratory) ist unter dem Titel "NASA Space Mission Takes Stock of Carbon Dioxide Emissions by Countries" https://www.jpl.nasa.gov/news/nasa-space-mission-takes-stock-of-carbon-dioxide-emissions-by-countries  am 7. März 2023 auf der Web-Seite der NASA erschienen. Der unter einer cc-by-Lizenz  stehende Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und durch Abbildungen vom NASA’s Scientific Visualization Studio (Abbildung 1) und von der dem Artikel zugrunde liegenden Veröffentlichung  von B.Byrne et al., 2023 [1] (Abbildung 2) ergänzt.


Weiterführende Links

Das NASA OCO-2 Projekt: https://ocov2.jpl.nasa.gov

Animation: National Carbon Dioxide Budgets Inferred from Atmospheric Observations: Fossil Fuel Emissions. Video 0:12 min. . https://www.youtube.com/watch?v=wr327cqtXfs

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