Do. 11.05.2023 — IIASA
Pilze bilden Netzwerke, welche die Bäume in einem Wald miteinander verbinden, diese Pilzgeflechte sind ein zentrales Element, das für den Zustand der Wälder ausschlaggebend ist und dafür, wie diese auf den Klimawandel reagieren. Laut der zunehmend populärer werdenden "Mutterbaum-Hypothese" werden solche Netze auch als Mittel betrachtet, mit dem Bäume ihren Jungbäumen und anderen "befreundeten" Bäumen nützen. In einer kürzlich erschienenen Studie hat eine internationale Forschergruppe die Hinweise, die für und gegen diese Hypothese sprechen, erneut überprüft.*
Die Bäume in einem Wald sind durch fadenförmige Strukturen, den so genannten Hyphen, von symbiotischen Pilzen miteinander verbunden; zusammen bilden diese ein unterirdisches Netzwerk, das so genannte Mykorrhiza-Netzwerk. Wie allgemein bekannt, können Mykorrhizapilze den Bäumen Nährstoffe im Austausch für den von den Bäumen gelieferten Kohlenstoff liefern.
Die Mutterbaum-Hypothese .............
Die so genannte Mutterbaum-Hypothese geht darüber hinaus und impliziert einen vollkommen neuen Zweck dieser Netzwerke. Über das Netzwerk teilen die größten und ältesten Bäume, die auch als Mutterbäume bezeichnet werden, Kohlenstoff und Nährstoffe mit Jungbäumen, die in besonders schattigen Bereichen wachsen und selbst nicht genügend Sonnenlicht für eine ausreichende Photosynthese erhalten. Die Netzwerkstruktur soll es den Mutterbäumen auch möglich machen, den schlechten Gesundheitszustand ihrer Nachbarn durch deren Notsignale zu erkennen und gemahnt zu werden diesen Bäumen die Nährstoffe zu schicken, die diese benötigen, um sich wieder zu erholen. Auf diese Weise - so die Hypothese - sollen die Mutterbäume als zentrale Knotenpunkte fungieren, die sowohl mit jungen Setzlingen als auch mit anderen großen Bäumen in ihrer Umgebung kommunizieren, um deren Überlebenschancen zu erhöhen.
Dies ist ein sehr ansprechendes Konzept, das nicht nur das Interesse der Wissenschaftler anspricht, sondern auch die Medien, in denen diese Hypothese dann oft als Tatsache dargestellt wird. In der soeben in der Zeitschrift New Phytologist veröffentlichten Studie [1] ist - nach Meinung der Autoren - die Hypothese jedoch nur schwer mit einer Theorie in Einklang zu bringen; dies hat die Forscher dazu veranlasst Daten und Schlussfolgerungen aus wissenschaftlichen Untersuchungen, die für und gegen die Mutterbaum-Hypothese sprechen, nochmals einer Prüfung zu unterziehen.
...............und was gegen diese Hypothese spricht
Abbildung 1. Die Mutterbaum-Hypothese und Feldstudien in borealen Wäldern .(a) Stammvolumen von Waldkiefern (Pinus sylvestris) in der Umgebung von alten Bäumen, die bei der vor 20 und mehr Jahren erfolgten Schlägerung erhalten geblieben waren: im Umkreis von weniger als 5 m von den alten Bäumen wiesen die neuen Bäume ein um 24 % geringeres Wachstum als weiter entfernte Bäume. Das hypothetische Wachstumsmuster des jüngeren Bestands im Falle von Konkurrenz bzw. Förderung durch den großen Baum ist orangefarben bzw. blau markiert. (Daten: Jakobsson (2005) [2]). , (b) Kartierung der Waldkiefern in einem Bestand in Südfinnland,(100 x 100 m). Die älteren Bäume sind durch geschlossene Kreise gekennzeichnet (Größen entsprechen den Stammdurchmesser-Klassen), die jüngeren Bäume durch offene Kreise. Der Bereich innerhalb eines Radius von 5-6 m um die älteren Bäume wurde blau schraffiert, um die geringe Dichte der jüngeren Bäume im Vergleich zu den Bereichen ohne alte Bäume hervorzuheben. (Bild aus Aaltonen (1926) [3] mit Genehmigung von Oxford Academic Press nachgedruckt). , (c) Nach Südwesten ausgerichteter Rand eines borealen Kiefernbestands und der verjüngte Bestand daneben (Schweden, 64°N). Man beachte das schwache Wachstum in der Nähe der größeren Bäume. (Abbildung: Fig. 1 aus N. Henriksson et al., 2023, [1] von Redn. deutsch beschriftet. Lizenz: cc-by-nc.) |
Die unter der Leitung von Nils Henriksson von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften ausgeführte Studie ergab, dass tatsächlich nur sehr limitierte empirische Belege für die Mutterbaum-Hypothese vorliegen, und theoretische Beweisführungen für die Mechanismen weitgehend fehlen [1].
Während große Bäume und deren Verbindungen zu ihren Nachbarn für das Ökosystem Wald nach wie vor essentiell sinnd, agiert das Pilznetzwerk nicht als eine einfache Pipeline, um Ressourcen unter den Bäumen zu aufzuteilen. In anderen Worten: der offensichtliche Austausch von Ressourcen zwischen den Bäumen ist eher das Ergebnis eines Handels zwischen Pilzen und Bäumen, als ein gezielter Austausch von einem Baum zum anderen. Sehr oft führt dies eher zu einer Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den Bäumen, als zur Unterstützung der Stecklinge. Abbildung 1.
"Wir haben herausgefunden, dass Mykorrhiza-Netzwerke in der Tat für die Stabilität vieler Waldökosysteme unabdingbar sind, aber nur selten für ein Teilen und Hilfeleisten zwischen den Bäumen. Vielmehr funktioniert es wie ein Handelsplatz für einzelne Bäume und Pilze, die jeweils versuchen, das beste Geschäft zu machen, um zu überleben", erklärt Oskar Franklin, einer der Studienautoren und Forscher in der Forschungsgruppe Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Ökosystem-Dienstleistungen des IIASA-Biodiversity and Natural Resources Program. "Der Wald ist kein Superorganismus oder eine Familie von Bäumen, die sich gegenseitig unterstützen. Er ist ein komplexes Ökosystem mit Bäumen, Pilzen und anderen Organismen, die alle voneinander abhängig sind, aber nicht von einem gemeinsamen Ziel geleitet werden." Abbildung 2.
Abbildung 2. Alternative Wege des Kohlenstoff-Transfers von einem hypothetischen Donor-Baum zu einer Empfänger-Jungpflanze. EcM (Ectomycorrhiza): symbiotische Beziehung zwischen Pilzsymbionten und den Wurzeln von Pflanzen. Die blauen Pfeile stellen Mechanismen für die potenzielle Verteilung von Kohlenstoff aus dem Donor-Baum in den Boden dar, die keine gemeinsamen Mykorrhiza-Netzwerke (CMN) zwischen den Pflanzen erfordern. Zelluläre Atmung des Spenderbaums und seiner Mykorrhiza-Pilze geben in beiden Fällen Kohlenstoff (C) in Form von CO2 in den Boden ab, das in den Wurzeln des aufnehmenden Keimlings oder über die Photosynthese fixiert wird. Die Ausscheidungen der Feinwurzeln der Spenderbäume und des Mykorrhiza-Myzels setzen organische Verbindungen wie Kohlenhydrate, organische Säuren und Sekundärmetaboliten im Boden frei. Der Umsatz von Spenderbaum-C in Wurzeln und Mykorrhiza-Myzelien, Assimilation und Umsatz von Spender-C durch saprotrophe (d.i. vom Abbau organischer Verbindungen toter Organismen lebende) Pilze, Bakterien und Archaeen, sowie die Umverteilung durch diese und andere Lebensformen im Boden können dem Mykorrhiza-Myzel des aufnehmenden Setzlings ebenfalls C zur Verfügung stellen. Die Kettenräder-Symbole stehen an kritischen Kontrollpunkten des C-Transfers über CMN -Verbindungen. (Bild: Fig. 4. aus N. Henriksson et al., 2023, [1] von Redn. deutsch beschriftet. Lizenz: cc-by-nc.) |
"Wenn auch die Mutterbaum-Hypothese wissenschaftlich kaum belegt und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft umstritten ist, hat sie sowohl die Forschung als auch das öffentliche Interesse an der Komplexität der Wälder geweckt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die künftige Bewirtschaftung und Untersuchung der Wälder die tatsächliche Komplexität dieser wichtigen Ökosysteme berücksichtigt", so Franklin abschließend.
[1] Henriksson, N., Marshall, J., Högberg, M.N., Högberg, P., Polle, A., Franklin, O., Näsholm, T. (2023). Re-examining the evidence for the mother tree hypothesis - resource sharing among trees via ectomycorrhizal networks. New Phytologist DOI: 10.1111/nph.18935
[2] Jakobsson R. 2005. Effect of retained trees on the development of young Scots pine stands in Southern Finland. Doctoral thesis, Acta Universitatis Agriculturae Sueciae.
[3] Aaltonen VT. 1926. On the space and arrangement of trees and root competition. Journal of Forestry 24: 627–644.
* Der am 9. Mai 2023 als Presseaussendung auf der IIASA-Webseite unter dem Titel " Exploring the underground connections between trees" erschienene Artikel Artikel https://iiasa.ac.at/news/may-2023/exploring-underground-connections-between-trees wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und durch 2 Abbildungen plus Legenden aus der zugrundeliegenden Veröffentlichung [1] ergänzt. IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung der von uns übersetzten Inhalte seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt.
Ähnliche Inhalte im ScienceBlog
Gerd Gleixner, 05.08.2021: /Erdoberfläche - die bedrohte Haut auf der wir leben
Christian Körner, 29.07.2016: Warum mehr CO₂ in der Atmosphäre (meistens) nicht zu einem Mehr an Pflanzenwachstum führt
Knut Ehlers, 01.04.2016: Der Boden ein unsichtbares Ökosystem
Gerhard Glatzel, 04.04.2013: Rückkehr zur Energie aus dem Wald — mehr als ein Holzweg? (Teil 2)
- Printer-friendly version
- Log in to post comments