Zur Dynamik wandernder Dürren

Do, 16.03.2017 - 11:27 — Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA)

IIASAIcon GeowissenschaftenDürreperioden gehören zu den größten Naturkatastrophen und kommen den betroffenen Völkern sehr teuer zu stehen. Unter den besonders starken Dürren gibt es solche, die sich - in der Art eines langsam ziehenden Wirbelsturms - hunderte bis tausende Kilometer von ihren Entstehungsorten fortbewegen. Um derartige Situationen besser vorhersagen und entsprechende Vorkehrungen treffen zu können, ist es unabdingbar zu verstehen, wie Dürren sich entwickeln und welche physikalischen Gegebenheiten ihre Dynamik kontrollieren. Ein Forscherteam des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA, Laxenburg bei Wien) und der Princeton University (USA) hat nun ein Modell zur Entwicklung von Dürren in Raum und Zeit erarbeitet. Dieses basiert auf der Analyse von Daten über 1420 Trockenheiten, die im Zeitraum 1979 bis 2009 weltweit auftraten.*

Die meisten Menschen glauben, dass Dürren ein lokales oder regionales Problem sind. Dies ist auch größtenteils der Fall. Tatsächlich können aber rund zehn Prozent der Dürren zu "wandern" beginnen. Sie ziehen dabei in der Art eines Wirbelsturms weiter, allerdings wesentlich langsamer: anstelle der für Wirbelstürme üblichen Tage bis Wochen benötigen Dürren für ihre Wanderung Monate bis Jahre. Dabei legen sie Strecken zurück, die - je nach Kontinent - zwischen 1400 und 3100 km betragen können und tendieren dazu die stärksten und schlimmsten Dürren zu sein. Sie haben ein enormes Potential größte Schäden in Landwirtschaft, Energie- und Wasserversorgung anzurichten (Abbildung 1) und enorme Probleme für humanitäre Hilfsbereiche hervorzurufen.

Abbildung 1. Dürre - Fische in einem fast ausgetrockneten See (das von der Redaktion beigefügte Bild stammt von "Max Pixel" und ist gemeinfrei).

Räumliche Muster der Ausbreitung von Dürren

In der vergangenen Woche sind im Fachmagazin"Geophysical Research Letters" die Ergebnisse einer Zusammenarbeit von Forschern des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA, Laxenburg bei Wien) und der Princeton University (USA) erschienen, die einen neuen Zugang zum Verständnis derartiger wandernder Dürren zeigen. Beschränken sich die meisten der bisherigen Studien darauf entweder die zeitlichen Änderungen der Trockenheit in einer definierten Region zu untersuchen oder aber deren räumliche Variabilität in einem definierten Zeitraum, so berücksichtigt diese neue Arbeit gleichzeitig Raum und Zeit, um die Dynamik sich entwickelnder Dürren zu erfassen [1]:

Als Basis dienten dem Forscherteam Trockenheitsdaten aus dem Zeitraum von 1979 bis 2009 (Quelle: "Climate Forecast System Reanalysis (CFSR)" ). Diese Daten haben die Forscher analysiert und daraus weltweit 1420 Dürren identifiziert. Zusammenhängende, von Dürre betroffene Regionen wurden in Cluster zusammengefasst und diese räumlich und zeitlich verfolgt. Dabei haben sie auf jedem Kontinent Hotspots festgestellt, wo eine Reihe von Dürren ähnliche Wege genommen hat (Abbildung 2). Beispielsweise zeigen im Südwesten der USA auftretende Dürren eine Tendenz vom Süden nach dem Norden zu ziehen. Für Australien fanden die Forscher zwei Hotspots und bevorzugte Wanderungsrichtungen von Dürren, nämlich von der Ostküste in nordwestliche Richtung und von den zentralen Ebenen in nordöstliche Richtung.

Abbildung 2. Hotspots der Routen, die Dürren im Zeitraum von 1979 bis 2009 genommen haben. Justin Sheffield (University Southampton): "There might be specific tipping points in how large and how intense a drought is, beyond which it will carry on growing and intensifying.(Daten basieren auf der Analyse von 1420 Dürren [1]; Bild: http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/170307-drought.html, ©Julio Herrera-Estrada)

Die Ursache, warum Dürren zu wandern beginnen, bleibt unklar. Die Daten lassen aber darauf schließen, dass es Rückkoppelungen zwischen Niederschlag und Verdunstung in Atmosphäre und Boden sein dürften, die eine wesentliche Rolle spielen. Der Studie zufolge könnte es für das Ausmaß und die Schwere einer Dürre spezifische Schwellwerte geben - werden diese überschritten, so wird die Dürre weiter wachsen und in ihrer Intensität zunehmen.

Die Dynamik der wandernden Dürren

Während der Beginn einer Dürreperiode schwierig vorauszusagen ist, bietet die Studie eine neues Modell, das es Forschern ermöglichen sollte bessere Prognosen zur räumlichen und zeitlichen Entwicklung und Dauer von Dürren zu erstellen, als es bisher möglich war.

Die Studie zeigt aber auch, wie wichtig hier regionale Zusammenarbeit und Austausch von Informationen über alle nationalen Grenzen und Staatsgrenzen hinweg sind. Ein Beispiel dafür ist der Nordamerikanische Dürremonitor (Abbildung 3). Hier laufen Messungen und weitere Informationen aus Mexiko, den US und Canada zusammen und bilden ein umfassendes Überwachungssystem in Echtzeit.

Abbildung 3. Der Nordamerikanische Trockenheitsmonitor (North American Drought Monitor - NADM): wie sich die Trockenheit vom Feber 1987 bis März 1988 entwickelte. (Bilder stammen von der IIASA Website http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/170307-drought.html). Nach Aussage des US National Centers for Environmental Information haben seit 1980 größere Dürren und Hitzewellen allein in den US Schäden von mehr als 100 Milliarden Dollar verursacht (https://www.ncdc.noaa.gov/temp-and-precip/drought/nadm/overview).

Wie geht es weiter?

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun die Ursachen für die Wanderung der Dürren untersuchen, indem sie die Rückkoppelung von Niederschlägen und Verdunstung genauer durchleuchten. Julio Herrera-Estrada, der Erstautor der vorliegenden Studie (Bau- und Umwelt­ingenieurwesen, Princeton University, US) möchte auch analysieren welchen Einfluss der Klimawandel auf die Charakteristik von Dürren nimmt.


[1] Herrera-Estrada JE, Satoh Y, & Sheffield J (2017). Spatiotemporal Dynamics of Global Drought. Geophysical Research Letters: 1-25. DOI:10.1002/2016GL071768.


*Der von der Redaktion aus dem Englischen übersetzte, geringfügig für den Blog adaptierte Text und die Abbildungen 2 und 3 stammen von der am 7. März auf der Webseite des IIASA erschienenen Pressemitteilung “Traveling” droughts bring new possibilities for prediction: http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/170307-drought.html.

IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung von Inhalten seiner Website in unserem Blog zugestimmt. Die gemeinfreie Abbildung 1 wurde von der Redaktion zugefügt.


Weiterführende Links

Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA): http://www.iiasa.ac.at/

Die Aufgabe des IIASA besteht darin mit Hilfe der angewandten Systemanalyse Lösungen für globale und universelle Probleme zum Wohl der Menschen, der Gesellschaft und der Umwelt zu finden, und die daraus resultierenden Erkenntnisse und Richtlinien den politischen Entscheidungsträgern weltweit zur Verfügung zu stellen.