Wissenschaftskommunikation: das open-access Journal eLife fasst Forschungsergebnisse für die Öffentlichkeit verständlich zusammen

Do, 20.04.2017 - 10:15 — Redaktion RedaktionIcon Politik & Gesellschaft

Im Sommer 2011 haben drei der angesehensten Forschungsinstitutionen - das Howard Hughes Medical Institute (US) , die Max-Planck Gesellschaft (D) und der Wellcome Trust (UK) - das "non-profit", open-access Journal "eLife" gegründet. Es ist dies ein umwälzend neues Modell , das - geleitet von einem höchstrangigen Herausgeber-Team - Spitzenforschung in Lebenswissenschaften und Biomedizin veröffentlicht und verbreitet. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Forschungsergebnisse in allgemein verständlicher Form zusammenzufassen.*

Eines der überzeugendsten Argumente für den offenen Zugang zu Forschungsergebnissen lautet: der Großteil der Forschung wird mit öffentlichen Mitteln finanziert, daher sollen die Früchte aus dieser Forschung der Öffentlichkeit zugänglich sein. Wenn also öffentliches Geld dafür ausgegeben wird, dass Vorgänge in Zellen untersucht werden, dass Ursachen von Krankheiten erforscht werden oder Möglichkeiten Leben auf anderen Planeten zu finden, dann sollte die Bevölkerung in der Lage sein die Veröffentlichungen zu lesen, die aus derartigen Projekten herauskommen. In zunehmendem Maße ist dies bereits der Fall, dank der Zunahme von "open access" Zeitschriften und - in jüngster Zeit - von Vorabdrucken.

Auch bezüglich anderer Aspekte von "open science" hat es Fortschritte gegeben , beispielsweise im freien Zugang zu Datenbanken "open data" oder zur "open-source software". Es liegt aber noch ein weiter Weg vor uns bis die Gebührenschranken verschwunden sind und alle wissenschaftlichen Ergebnisse zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung frei zugänglich.

Allerdings muss noch mehr geschehen.

Es reicht nicht aus Jedermann Zugang zu jeder Publikation zu verschaffen und es dann dabei zu belassen. Wir müssen uns vielmehr bemühen mit Lesern außerhalb der Forschergemeinde zu kommunizieren : wir müssen zu Lehrern und Schülern sprechen, zu medizinischen Fachleuten und zu Patienten (und deren Angehörigen), zu jedem der an Wissenschaft und Forschung interessiert ist. Und wir haben uns in ihrer Sprache auszudrücken, in der Sprache der Nachrichten-Medien und der Wikipedia. Wir müssen in verständlicher Sprache sprechen und nicht in der formalen, formelhaften Prosa, in der die meisten Veröffentlichungen abgefasst sind. Wir müssen Verba verwenden, nicht Substantiva, wir müssen Worte wie "charakterisieren" und "ermöglichen" vermeiden, die - auch wenn sie von Wissenschaftern besonders gerne angewendet werden - einen Satz, einen Artikel bereits in seinem Keim ersticken können.

Aktivitäten zur Wissenschaftskommunikation…

Diese, auch unter Bezeichnungen wie "Verständnis für Wissenschaften in der Öffentlichkeit", "öffentliches Engagement" oder "Wissenschaft und Gesellschaft", erfolgenden Aktivitäten haben in den letzten paar Jahrzehnten wesentlich zugenommen: Forscher in diesen Gebieten haben ihre eigenen Zeitschriften, Tagungen und natürlich auch spezielle Ausdrucksweisen. Universitäten, Fördereinrichtungen und medizinische Hilfsorganisationen beschäftigen viele Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter (gleichwohl beschäftigen Tageszeitungen und Zeitschriften wesentlich weniger Wissenschaftsreporter); Podcasts, Blogs und Soziale Medien florieren, die Zahl der Ausstellungen, der Festivals steigt und auch Veranstaltungen, die an Orten wie Pubs oder Cafes stattfinden, nehmen zu.

…bei eLife

"In diesem reichen Mosaik an Aktivitäten zur Wissenschaftskommunikation wollen wir hier (und in drei weiteren Artikeln [1, 2, 3] ein Nischengebiet betrachten, nämlich eine allgemein verständliche Zusammenfassung eines Forschungsvorhabens oder einer -Veröffentlichung.

Seit dem Start des eLife Journal im Jahr 2012 haben wir in einfachen Worten Zusammenfassungen wissenschaftlicher Veröffentlichungen - sogenannte Digests - herausgebracht [1]."  Abbildung 1.

Abbildung 1. eLife Digests destillieren aus Veröffentlichungen kurze, auch der breiten Öffentlichkeit leicht verständliche Zusammenfassungen (Bild aus [1]; IMAGE CREDIT: vividbiology.com)

Diese Zusammenfassungen sind üblicherweise 250 - 400 Worte lang und scheinen unmittelbar unter dem Abstract - der wissenschaftlichen Kurzfassung - auf. Der Digest hat drei Ziele: i) er soll den Hintergrund der Veröffentlichung darstellen, ii) die wesentlichen Ergebnisse zusammenfassen und iii) kurz diskutieren, was man weiter zu tun beabsichtigt. Dies soll in einer Sprache erfolgen, die ein interessierter oder motivierter Leser verstehen kann.

Derartige eLife Digests richten sich vorzugsweise an Leser außerhalb der Forschergemeinde. Eine vor kurzem erfolgte Umfrage hat nun ergeben, dass die Digests auch weithin bei Forschern beliebt sind . Derartige verständliche Zusammenfassungen erweisen sich auch für die Autoren selbst von Nutzen, wenn es notwendig ist ihre Arbeiten in nicht-technischer Sprache zu erklären (beispielsweise, wenn sie um eine Förderung ansuchen oder sich für einen Posten bewerben).

"Vorerst sind wir so vorgegangen, dass wir für alle in eLife erscheinenden Arbeiten - gleichgültig um welche Themen es sich dabei handelte - Digests verfasst haben. Abbildung 2. Dies war teilweise recht schwierig aber wir zogen es durch. Als die Zahl der akzeptierten Arbeiten jedoch kontinuierlich zunahm, mussten wir dann 2016 - wenn auch widerstrebend - beginnen Arbeiten auch ohne Digest zu publizieren."

Abbildung 2. eLife Digests gibt es zu den verschiedensten Themen der Lebenswissenschaften und der Biomedizin (Bild aus [2]; IMAGE CREDIT: vividbiology.com)

Natürlich ist eLife nicht die einzige Zeitschrift, die Zusammenfassungen wissenschaftlicher Arbeiten in allgemein verständlicher Sprache publiziert. Es gibt hier bereits eine Reihe von Journalen (u.a. auch der Pionier in open access: PLOS), deren weitgefächertes Spektrum von Autismus über Ökologie bis hin zu rheumatischen Erkrankungen reicht [2]. Eine Herausforderung für alle Herausgeber besteht dabei darin, wie sie diese Zusammenfassungen für die angepeilte Leserschaft schnell auffindbar machen können.

Das Gebiet, das wahrscheinlich den dringendsten Bedarf für klare, genaue Information über die laufende Forschung hat, ist die medizinische Forschung - medizinische Hilfsorganisationen und Patientengruppen sind auf diesem Feld sehr aktiv [3]. Einige der Organisationen benötigen Wissenschafter, um verständliche Kurzfassungen in Förderungsansuchen einzufügen, andere haben Parientenvertreter in ihren Gremien, welche die Ansuchen evaluieren.

Von akademischen Forschern erwartet man, das sie mit der Öffentlichkeit kommunizieren - daran ist nichts Neues. Bereits das Gründungsdokument der American Association of University Professors (1915) konstatiert: Zu den Aufgaben eines Akademikers gehört, "dass er die Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen und Überlegungen und auch die Ergebnisse seines Teams sowohl Studenten als auch der breiten Öffentlichkeit vermittelt".

Die Herausforderung einen komplexen Inhalt einem breiten Publikum zu vermitteln, ist nicht auf Wissenschaft beschränkt. Beispielsweise hat im letzten Jahr Jonathan Fulwood (von der Bank of England) die Lesbarkeit von Texten verglichen, die aus fünf unterschiedlichen Quellen stammten. Er konstatierte, dass von seinem Arbeitsgeber und auch von anderen Banken stammende Berichte und Reden am wenigsten lesbar waren, dagegen waren politische Reden am leichtesten verständlich. Der Grund, so meinte er, wäre, dass in der Finanzindustrie die Tendenz zu langen Worten bestehe, diese Worte zu langen Sätzen zusammengefügt würden und diese dann zu langen Paragraphen. Dies ist auch häufig bei wissenschaftlichen Artikeln der Fall.

Fazit

Rund zwei Millionen wissenschaftliche Publikationen erscheinen jährlich. Ausgehend von unseren Erfahrungen mit eLife erscheint es extrem schwierig jede dieser Arbeiten mit einem leicht verständlichen Digest zu versehen. Es ist aber sicherlich angezeigt, dass mehr Journale diese Möglichkeit bieten - zum Nutzen der Autoren, der Journale, anderer Wissenschafter und der breiten Öffentlichkeit.


*Der von Peter Rodgers, Features Editor at eLife, stammende Artikel: "Plain-language summaries of research: Writing for different readers" ist am 15. März 2017 erschienen in: eLife 2017;6:e25408, http://dx.doi.org/10.7554/eLife.25408.

Der Artikel wurde von der Redaktion ins Deutsche übersetzt und geringfügig für ScienceBlog.at adaptiert (Untertitel, 2 Abbildungen aus anderen eLife Artikeln (Quellen zitiert)). eLife ist ein open access Journal, alle Inhalte stehen unter einer cc-by Lizenz


[1] King SRF, Pewsey E, Shailes S. 2017. An inside guide to eLife digests. eLife 6:e25410. DOI: 10.7554/eLife. 25410

[2] Shales S. 2017. Plain-language summaries of research: Something for everyone. eLi fe 6:e25411. DOI: 10.7554/eLife. 25411

[3] Kuehn BM. 2017. The value of a healthy relationship. eLife 6:e25412. DOI: 10.7554/eLife.25412


Weiterführende Links

Homepage eLife

Wie Digests von eLife aussehen

Aktuelle Liste von Journalen, die leicht verständliche Zusammenfassungen bieten

Videos über eLife:

Wissenschaftskommunikation in ScienceBlog.at:

Dazu sind bereits rund 30 Artikel erschienen, die im Themenschwerpunkt Wissenschaftskommunikation zusammengefasst sind.