Warum ist Astrobiologie so aufregend?

Fr, 25.07.2014 - 05:18 — Pascale Ehrenfreund

Pascale EhrenfreundIcon AstronomieSchon seit vielen Jahrzehnten gibt es großes Interesse, eine Spezialwissenschaft zur Evolution organischen Materials und der Entstehung des Lebens auf der Erde sowie der Suche nach Leben im Weltall zu gründen. Neben den Fachgebieten der Kosmobiologie und Exobiologie setzte sich in den 90er-Jahren das Spezialforschungsgebiet der Astrobiologie durch. Pascale Ehrenfreund, derzeit Präsidentin des FWF, die zu den Pionieren und renommiertesten Wissenschaftern der Astrobiologie gehört, beschreibt wesentliche Fragestellungen in dieser Disziplin.

Astrobiologie ist jene Wissenschaftsdisziplin, die sich mit dem Ursprung, der Entwicklung und Verteilung sowie der Zukunft des Lebens im Universum beschäftigt. Es ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, das bewohnbare Gebiete in unserem Sonnensystem charakterisiert, Exoplaneten identifiziert sowie nach Spuren von präbiotischer Chemie und von Leben auf dem Mars sucht. Astronomische Beobachtungen, Laborstudien, „Field Work“, die sich mit der frühen Entwicklung des Lebens auf der Erde und anderen Planeten befassen, sowie Studien wie und wo sich Leben im Weltraum anpassen kann, sind integrierte Hauptthemen.

Das NASA Astrobiology Institute

Das im Jahr 1998 gegründete NASA Astrobiology Institute (NAI), dem ich seit 2008 angehöre, ist ein herausragendes Beispiel für so eine interdisziplinäre Forschung. Heute gibt es 15 Institute in denen Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus unterschiedlichen Disziplinen wie Biologie, Chemie, Physik, Astronomie, Geologie etc., oft geografisch verteilt, erfolgreich zusammenarbeiten (http://astrobiology.nasa.gov/nai/). Das Astrobiologie-Programm der NASA konzentriert sich auf drei fundamentale Fragen:

  • Wie ist Leben entstanden und wie hat es sich weiterentwickelt?
  • Gibt es Leben außerhalb der Erde und – falls ja – wie können wir es entdecken?
  • Wie wird sich die Zukunft des Lebens auf der Erde und im Universum gestalten?

Diese Fragen betreffen alle Menschen, und auch jene ohne wissenschaftliche Ausbildung möchten natürlich wissen, woher sie kommen und ob wir alleine im Universum sind.

Gibt es Leben außerhalb der Erde?

In der Astrobiologie gibt es ständig aktuelle Themen und Fragestellungen zur Erforschung des Sonnensystems sowie der Komplexität des Lebens. Eine besonders aufregende Raumfahrtmission bildet in diesem Jahr der Curiosity Rover auf dem Mars, welcher kontinuierlich neue Daten zur Bewohnbarkeit des Planeten liefert (Abbildung 1). Ein kompliziertes analytisches Instrument (SAM) aus den USA versucht derzeit, organische Stoffe auf dem Mars aus Bodenproben zu analysieren.

Marsrover CuriosityAbbildung 1. Der Curiosity Rover untersucht einen Stein auf dem Mars (Künstlerische Darstellung, NASA/JPL-Caltech; mehr dazu: http://www.astrobio.net/topic/solar-system/mars/curiosity-travels-ancient-glaciers-mars/#sthash.w08Z6RD0.dpuf )

Im November wird zum ersten Mal eine Raumsonde - sie trägt den Namen Rosetta – (auch mit österreichischer Beteiligung) auf einem Kometen landen, um seine Oberfläche zu untersuchen (siehe unten).

In unserem äußeren Sonnensystem gibt es immer wieder außergewöhnliche Monde, die auf bewohnbare Regionen schließen lassen. Die Auswertung von Daten des Kepler-Satelliten zur Entdeckung und Charakterisierung von Exoplaneten ist derzeit auf „full speed“. Tausende „potenzielle Exoplaneten“ sind bereits identifiziert worden bzw. werden derzeit kontrolliert und bestätigt (Abbildung 2). Mglw. habitable PlanetenAbbildung 2. Möglicherweise “bewohnbare” (habitable) Exoplaneten. Der jüngst entdeckte Gliese 632c liegt mit 16 Lichtjahren Entfernung unserer Erde am nächsten. (PHL @ UPR Arecibo, http://www.astrobio.net/news-brief/high-score-easy-scale-gliese-832c-potentially-planetary-habitability/)

Und auch das Leben auf unserem eigenen Planeten bietet immer wieder neue Überraschungen. In den unglaublichsten Regionen und Nischen finden wir immer wieder neue und exotische, einfache Lebensformen. Es ist nicht zuletzt aus diesem Grund außerordentlich schwierig, das astrobiologische Schlagwort „habitability“ (Bewohnbarkeit) genau zu definieren.

Kann Leben nur auf der Erde bestehen, gab es jemals Leben auf dem Mars, oder gibt es vielleicht noch unbekanntes Leben in Nischen im „Untergrund“?

Kann es Leben in den Ozeanen auf Monden im äußeren Sonnensystem geben, und wie werden wir jemals Leben auf einem erdähnlichen Exoplaneten nachweisen können?

Das sind nur einige der Fragen, mit denen sich die Astrobiologie beschäftigt.

Stabilität von organischem Material im Weltraum

Meine eigene wissenschaftliche Tätigkeit beschäftigt sich vor allem mit der Suche nach Leben auf dem Mars. Meine Gruppe untersucht die Stabilität von organischem Material im Weltraum. Wir sind oft im „Feld“ und testen Bodenproben und Instrumente.

In den letzten zehn Jahren war ich kontinuierlich in die Entwicklung von Instrumenten für die Identifizierung von organischen Molekülen involviert. Für Astrobiologen ist das viel Arbeit, denn nicht alle Instrumente „schaffen“ es in den Weltraum. Einer, der es „geschafft“ hat, war der NASA-Kleinsatellit O/OREOS, bei welchem ich das wissenschaftliche Team leiten sowie beim Bau helfen durfte (Abbildung 4).

Kleinsatellit O/OreosAbbildung 3. Der Kleinsatellit O/Oreos (Organism/Organic Exposure to Orbital Stresses). Etwa so groß wie ein Brotwecken und ca. 6 kg schwer, kann der Nanosatellit selbstständig biologische und chemische Experimente in der Exosphäre ausführen.

Dieser Satellit hat organische Moleküle und Mikroben in einer Umlaufbahn von 680 km auf ihr „Überleben“ erfolgreich getestet. Es war eine spannende Zeit, zu erleben wie ein Satellit geplant, gebaut und in den Weltraum lanciert wird, und dann auch noch ganz ausgezeichnet funktioniert. Das kommt gar nicht so oft vor …

Landung auf einem Kometen

Ein besonderes Highlight erwartet uns noch in diesem Jahr: Die Raumsonde Rosetta soll im November 2014 nach einer zehnjährigen Reise auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko landen (Abbildung 4).

Annährung der Rosetta-SondeAbbildung 4. Annäherung der Rosetta- Raumsonde an den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Der Durchmesser von Rosetta beträgt 32 Meter, der des Kerns des Kometen wird auf 4 Kilometer geschätzt. Internationale Mission, angeführt von der European Space Agency (Paris), unterstützt von der NASA. (Bild: Simulation; Details: www.esa.int/rosetta und http://rosetta.jpl.nasa.gov)

Ziel ist es, den Ursprung von Kometen sowie die Beziehung zwischen Kometen und ihrer interstellaren Geburtswolke zu erforschen. Kometen entstanden, als sich Planeten wie unsere Erde geformt haben, sie sind daher Zeugen der ersten Entwicklung unseres Sonnensystems. Mit einem Eigengewicht von über drei Tonnen nähert sich Rosetta nun dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko auf der Suche nach einem Landeplatz. Instrumente auf dem „Orbiter“ sowie auf dem „Lander“ werden viele neue Erkenntnisse bringen. Das Landungsmanöver ist verständlicherweise unglaublich riskant. Es wird spannender als ein WM-Endspiel im Fußball. Für mich wird es bereits jetzt interessant, da ich sowohl an einem Instrument auf dem „Orbiter“ als auch an einem auf dem „Lander“ mitarbeite.

Fragen zur bemannten Raumfahrt

Auch mit der Möglichkeit der bemannten Raumfahrt zu Mond und Mars beschäftige ich mich und viele andere Astrobiologen. Bei welchen wissenschaftlichen Fragen ist der Einsatz von Menschen sinnvoll, und welche medizinischen und technischen Hürden müssen dafür in der Zukunft überwunden werden, sind einige der Fragen, die dabei beantwortet werden müssen. Eine neue Studie des US National Research Council, die wir gerade abgeschlossen haben, gibt hierzu einen breiten Überblick sowie Empfehlungen, wie das gelingen könnte ("Pathways to Exploration—Rationales and Approaches for a U.S. Program of Human Space Exploration": http://sites.nationalacademies.org/DEPS/ASEB/DEPS_069080.htm) . Die internationale Raumfahrtstation steht hierfür als ideales „Testbett“ zur Verfügung.

Aber die Kosten sind hoch und nur eine effiziente internationale Kooperation in der Raumfahrt wird es in der Zukunft ermöglichen, das große Ziel aller Weltraumagenturen – Menschen auf den Mars zu transportieren – zu erreichen.

Entstehung der ersten Protozelle

Kommen wir zurück auf die Erde und zum Fortschritt in der synthetischen Biologie und dem Aufbau der ersten Protozelle. Viel hat sich getan in den letzten Jahren, vor allem weil dieses Fachgebiet substanzielle Förderungsquellen hat. Wie sich die ersten Protozellen auf der Früherde gebildet haben, ist aber immer noch ungewiss, vor allem weil bestimmte Bedingungen wie die Atmosphärenzusammensetzung, die Existenz der Ozeane, geologische Aktivitäten, oder die Frequenz der Einschläge von Kleinkörpern aus dem Weltraum nur bedingt bekannt sind. Es ist aber essenziell zu wissen, ob Reaktionen, die jetzt im Labor getestet werden, auch unter diesen unwirtlichen Bedingungen auf der jungen Erde ablaufen konnten. Vielleicht waren in dieser Periode auch ganz andere Moleküle am Aufbau der ersten Zellstrukturen beteiligt. Viele offene Fragen …

Fazit

Astrobiologie ist manchmal anstrengend, da es fast unmöglich ist, alle neuen Informationen in diesem Fachgebiet zu verarbeiten. Aber es kommen so viele Teile des Puzzles unserer eigenen Existenz zusammen – und so bleibt es immer faszinierend.


Weiterführende Links

Websites

NASA Astrobiology: Website ”designed for ease of use by expert and non-expert users” http://astrobiology.nasa.gov/nai/

European Space Agency (ESA) http://www.esa.int/ESA und ESA-Österreich http://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Austria

DLR - Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. http://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10008/

Institut für Weltraumforschung (IWF) der ÖAW http://www.iwf.oeaw.ac.at/

Videos

Pascale Ehrenfreund: Leben im All - Wo bleiben die Außerirdischen? Video 41:34 min, ScienceCasts: Rosetta Comet Comes Alive. Video 4:06 min, Rosetta with the comet lander 'Philae' (›Mission Rosetta mit Kometenlander "Philae"‹. (DLR) Video 3:16 min.)

Komet Churyumov-Gerasimenko: Weder Kugel noch Kartoffel. Animated GIF (DLR)

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