Fr, 16.02.2024 — Redaktion
Eine kürzlich publizierte Studie, die an den US-National Intitutes of Health (NIH) unter streng kontrollierten klinischen Bedingungen durchgeführt wurde, zeigt signifikante Auswirkungen einer Umstellung auf zwei gegensätzliche Ernährungsformen, auf die vegane oder die ketogene Diät. Neben einer Veränderung des Stoffwechsels und der Darmflora reagiert vor allem das Immunsystem schnell und unterschiedlich auf die veränderte Kost. So verstärkte die vegane Ernährung die Reaktionen der ersten unspezifischen Abwehr von Krankheitserregern - der angeborenen Immunantwort -, während die ketogene Ernährung eine Hochregulierung von Signalwegen und Zellen der später einsetzenden, erregerspezifischen adaptiven Immunantwort auslöste.
Unsere Ernährung hat weitreichende direkte Auswirkungen auf unsere Physiologie und auch indirekte infolge der unterschiedlichen Zusammensetzung des mit uns in Symbiose lebenden Mikrobioms und seiner Stoffwechselprodukte. Welche Ernährungsform aber welche Auswirkungen auf welche Vorgänge - beispielsweise auf unsere Immunantwort - hat, ist jedoch noch weitgehend unbekannt. Zu vielfältig sind die Ernährungsweisen, zu unterschiedlich die individuellen Reaktionen. Trotz einer im letzten Jahrzehnt ungemein boomenden Forschung - die US-Datenbank PubMed verzeichnet zu "diet & health" fast 130 000 Publikationen, davon rund 10 100 zu "diet & immune system" - mangelt es an qualitativ hochwertigen Studien, vor allem an rigoros konzipierten klinischen Studien zu den Auswirkungen einzelner Diäten und noch viel mehr zum Vergleich von Diäten.
Welche Folgen kann aber der nun weltweit steigende Trend zu einer pflanzenbasiertetn Ernährungsform haben?
Eine randomisierte klinische Studie zum Vergleich zweier Diäten ....
Ein Forscherteam um Yasmine Belkaid vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID, NIH)) in Bethesda/Maryland hat nun in einer randomisierten klinischen Studie die Auswirkungen von zwei gegensätzlichen Ernährungsformen - einer ketogenen Diät und einer veganen Diät auf Immunsystem, Mikrobiom und Stoffwechsel untersucht. Erstmals konnte mit Hilfe eines Multiomics-Ansatzes (d.i . der Analyse von Transcriptom, Proteom, Metabolom und Mikrobiom; siehe weiter unten) ein detailliertes Bild von den mit den Diätumstellungen verbundenen Veränderungen auf menschliche und mikrobielle Systeme gegeben werden. Die wesentlichen Ergebnisse sind zusammen mit einem ausführlichen Datenmaterial kürzlich im Fachjournal Nature Medicine erschienen [1].
Beide Arten der Ernährung wurden in der Vergangenheit mit unterschiedlichen gesundheitlichen Vorteilen assoziiert: vegane Kost mit weniger Entzündungserkrankungen, einem reduziertem Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und einer insgesamt höheren Lebenserwartung; ketogene Kost mit positiven Effekten auf das Zentralnervensystem (niedrigere Neuroinflammation und anti-epileptisch wirksam).
Die klinische Studie wurde an einer heterogen zusammengesetzten Gruppe von 20 Teilnehmern ausgeführt. Es handelte sich dabei um gesunde Männer und Frauen im Alter von 18 - 50 Jahren mit konstantem Körpergewicht, die über die Versuchsdauer von 4 Wochen stationär in der Klinik (Metabolic Clinical Research Unit at the NIH Clinical Center) aufgenommen waren; dies ermöglichte den Forschern genau zu verfolgen, was die Probanden konsumierten.
Aufgeteilt auf 2 Gruppen begann die erste Gruppe mit einer zweiwöchigen veganen Diät und stieg dann sofort auf eine ketogene Diät um, während die zweite Gruppe mit einer ketogenen Diät anfing und auf eine vegane Diät umstieg. Abbildung 1. Die ketogene kohlenhydratarme Diät bestand zu 75.8% aus Fett, zu 10.0% aus Kohlenhydraten, die vegane, fettarme Diät zu 10.3% aus Fett und zu 75.2% aus Kohlenhydraten. Die ketogene Diät enthielt Produkte tierischen Ursprungs, einschließlich Fleisch, Geflügel, Fisch, Eier, Milchprodukten und Nüssen, die vegane Diät Hülsenfrüchte, Reis, Wurzelgemüse, Sojaprodukte, Mais, Linsen, Erbsen, Vollkornprodukte, Brot und Obst. Beide Diäten enthielten nicht-stärkehaltiges Gemüse (1 kg/Tag) und nur minimale Anteile an hochverarbeiteten Lebensmitteln; die vegane Kost war ballaststoffreicher und zuckerärmer als die ketogene Kost. Den Studienteilnehmern stand es frei so viel von den Speisen zu essen, wie sie wollten (nebenbei: von der ketogenen Kost wurde mehr konsumiert).
....mit Hilfe eines Multiomics Ansatzes .....
Die Auswirkungen der beiden Diäten wurden mit Hilfe eines "Multiomics"-Ansatzes untersucht. Dazu wurden Blut-, Urin- und Kotproben analysiert um die Gesamtheit der darin ersichtlichen Reaktionen des Körpers sowie des im Darm ansässigen/sezernierten Mikrobioms zu erfassen:
- die biochemischen Reaktionen im Transkriptom (der mittels RNA-Sequenzierung erhaltenen Genexpression) und im Proteom (der Gesamtheit der in den Proben vorliegenden Proteine),
- die Zusammensetzung der Blutkörperchen und des Mikrobioms und deren zelluläre Reaktionen,
- die Reaktionen des Stoffwechsels im Metabolom (der Gesamtheit der Stoffwechselprodukte in den Proben) . Abbildung 1.
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus. Zwanzig Teilnehmer (Frauen pink, Männer blau) wurden in zwei Gruppen aufgeteilt , wobei Gruppe A mit einer zweiwöchigen veganen Diät begann und dann sofort auf eine ketogene Diät umstieg, während Gruppe B mit einer ketogenen Diät begann und auf eine vegane Diät umstieg. Blut-und Urinproben wurden unmittelbar vor der ersten Diät als Ausgangswert und am Ende der ersten und zweiten Diät entnommen. Im Blut erfolgten Analysen zur Proteinzusammensetzung (SomatLogic), Genexpression mittels RNA-Sequenzierung (RNA-seq), Zusammensetzung der Zellpopulation (Flow Cytometry) und Spiegel von Metaboliten (Metabolomics), Metabolitenspiegel wurden auch im Harn bestimmt. Für die Kot-Proben zur mikrobiologischen Metagenom-Sequenzierung (Microbiome) wurden die Daten an verschiedenen Tagen erhoben. (Quelle: Fig. 1a in Link, V.M. et al., Nat Med (2024) [1].Lizenz: cc-by. https://doi.org/10.1038/s41591-023-02761-2) |
.....ermöglicht erstmals einen Blick auf das Gesamtbild der Auswirkungen
Das erstaunliche Ergebnis: Trotz der geringen Zahl der Teilnehmer, deren Verschiedenheit und der kurzen Beobachtungszeit hat die 2-wöchige kontrollierte Ernährungsintervention ausgereicht, um die Immunität des Wirts und die Zusammensetzung des Mikrobioms signifikant und - abhängig von der Diät - unterschiedlich zu beeinflussen.
Auswirkungen auf das Immunsystem
Die vegane Diät hat sich vor allem auf das angeborene Immunsystem ausgewirkt und Leukozyten und Signalwege (über Interferone) hochreguliert, die mit der antiviralen Immunität assoziiert sind. (Angeborene Immunität: die rasch einsetzende, unspezifisch wirkende erste Abwehrlinie, die in Form von Makrophagen, Granulozyten, dem Komplement und freigesetzten Signalmolekülen gegen Krankheitserreger vorgeht.)
Auch rote Blutkörperchen (Erythrocyten) gehören zu den wichtigen Modulatoren der angeborenen Immunität. Die vegane Ernährung hat deren Bildung (Erythropoiese) und den Stoffwechsel des Häm (dem Sauerstoff-transportierenden, farbgebenden Eisen-haltigen Komplex von Hämoglobin) deutlich erhöht (dies könnte auf den höheren Eisengehalt dieser Diät zurückzuführen sein).
Die ketogene Diät führte dagegen zu einem signifikanten Anstieg der biochemischen und zellulären Prozesse, die mit der adaptiven Immunität verbunden sind, einschließlich der Aktivierung von T-Zellen, der Anreicherung von B-Zellen und der Antikörper-produzierenden Plasmazellen. (Adaptive Immunität: die spezifisch wirkende zweite, viel später einsetzenden Abwehrlinie der Immunreaktion, in der B-Zellen Antikörper gegen Erreger freisetzen und T-Zellen diese direkt angreifen und Zytokine gegen diese sezernieren.)
Die beiden Diätformen zeigten unterschiedliche Auswirkungen auf insgesamt 308 mit Krebs assoziierte Signalwege und könnten so den Verlauf von Krebserkrankungen beeinflussen. Vegane Kost aktivierte 242 Signalwege (davon 4 in sehr hohem Ausmaß), ketogene Kost 66 Wege. Erste Hinweise sprechen dafür, dass ketogene Ernährung in Verbindung mit anderen Krebstherapien von Vorteil sein könnten.
Auswirkungen auf die Plasmaproteine
Die ketogene Diät wirkte sich stärker auf den Gehalt von Proteinen im Blutplasma aus als die vegane Diät. Von den rund 1300 im Proteom bestimmten Proteinen zeigten mehr als 100 veränderte Spiegel nach Umstellung von Normalkost auf die ketogene Kost, dagegen nur wenige nach der Umstellung auf vegane Diät. Bei den weiblichen Teilnehmern waren die Veränderungen nach einer ketogenen Diät wesentlich größer, was auf eine mögliche geschlechtsspezifische Reaktion auf die Diät hinweist. Zu diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Proteinhäufigkeit gehörten Proteine, die mit dem Glukosestoffwechsel sowie mit der Immunität in Verbindung stehen.
Auswirkungen auf das Mikrobiom
Die Ernährung ist der wichtigste Regulator des Mikrobioms und beeinflusst dessen Zusammensetzung und Funktion.
Beide Diäten haben zu Veränderungen in der Häufigkeit der Darmbakterienarten geführt, vor allem von Actinobacteria, Bacteroidetes, Proteobacteria und am stärksten von Firmicutes; insgesamt waren 26 Arten betroffen, 18 davon kamen bei veganer Diät häufiger vor.
Übereinstimmend mit der Diät waren die meisten, der nach einer veganen Diät hochregulierten mikrobiellen Enzyme mit der Verdauung von pflanzlichen Polysacchariden assoziiert, während die nach einer ketogenen Diät hochregulierten mikrobiellen Enzyme mit der Verdauung von sowohl pflanzlichen als auch tierischen Polysacchariden zu tun hatten.
Im Vergleich zur Ausgangsdiät und zur veganen Diät führte die ketogene Diät zu einer erheblichen Herunterregulierung des mikrobiellen Genvorkommens und dies spiegelte sich in der Herabregulierung zahlreicher mikrobieller Stoffwechselwege wider, wie der Biosynthese von 12 Aminosäuren (darunter essentielle und verzweigte Aminosäuren) und von 9 Vitaminen (darunter B1. B5 und B12).
Effekte auf die Blut- und Harnspiegel der Stoffwechselprodukte (Metaboliten)
Insgesamt wurden im Metabolom des Plasmas 860 Metabolite erfasst; 54 davon waren bei veganer, 131 bei ketogener Ernährung hochreguliert. Die betroffenen Metabolite und das Ausmaß ihrer geänderten Gehalte bieten zweifellos Raum für Hypothesen/Spekulationen zu Nutzen oder Schaden der einen oder anderen Art der Diät.
Die stärkste Veränderung erfuhren die Lipidspiegel.
Der Lipidstoffwechsel war in der Keto-Diät stark gesteigert, da in dieser kohlenhydratarmen Kost Lipide ja zur Energieversorgung der Zellen herangezogen werden. Im Einklang mit der fettreichen Kost, fanden sich mehr Lipide (81) angereichert im Plasma als bei der veganen Kost mit 22 Lipiden. Erhöht wurden bei der Keto-Diät die Gehalte an Lipiden mit gesättigten Fettsäuren, im Fall der veganen Diät waren es Lipide mit ungesättigten Fettsäuren.
Sowohl die ketogene als auch die vegane Kost war mit einem gesteigerten Stoffwechsel von Aminosäuren korreliert. War es bei der ketogenen Diät vor allem die Steigerung der Stoffwechselwege zur Nutzung der essentiellen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin, so war bei der veganen Kost der Metabolismus der Aminosäuren Alanin, Asparaginsäure, Glutaminsäure und Arginin erhöht.
Der Vergleich von Plasma- und Urinproben zeigte insgesamt 4 Signalwege, die in beiden Probenarten verstärkt waren: alle waren mit der Hochregulierung der Aminosäure- und Vitaminbiosynthese bei der ketogenen Ernährung korreliert.
Auswirkungen der beiden Diätformen, zusammengefasst
Abbildung 2: Eine Zusammenfassung der wesentlichen Veränderungen nach der Umstellung auf vegane oder ketogene Kost. Pfeile deuten Zunahme oder Abnahme von Reaktionswegen, Metaboliten und Zelltypen an. (Quelle: Fig. 5d in Link, V.M. et al., Nat Med (2024). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02761-2. Lizenz cc-by) |
Trotz der geringen Zahl an Teilnehmern und der Heterogenität ihrer Zusammensetzung ließen sich aus dem komplexen Datensatz von Proteinen, mikrobiellen Enzymen und Stoffwechselprodukten einige grundlegende Unterschiede in den Auswirkungen von veganer und ketogener Diät erkennen, die in Abbildung 2 zusammengefasst sind.
Von primärer Bedeutung sind die neu beschriebenen Effekte auf das Immunsystem: Bereits eine zwei Wochen dauernde Umstellung auf eine der beiden Diätformen reicht aus, um das angeborene oder das adaptive Immunsystem - also die primäre unspezifische Abwehr von Erregern oder die darauf folgende spezifische, über lange Zeit persistierende Abwehr - anzukurbeln.
Um herauszufinden, wie die Diätformen die Abwehr von Krankheitserregern im realen Leben beeinflussen - ob vegane Kost Ansteckung und Verlauf von Infektionen günstig beeinflussen kann und, ob ketogene Kost die Aussichten in der Krebstherapie verbessert -, sind epidemiologische Studien am Menschen und mechanistische Untersuchungen an Tiermodellen erforderlich.
[1) Link, V.M., Subramanian, P., Cheung, F. et al. Differential peripheral immune signatures elicited by vegan versus ketogenic diets in humans. Nat Med (2024). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02761-2
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