Die Emissionen von Distickstoffmonoxid (Lachgas) steigen beschleunigt an - Eine umfassende globale Quantifizierung dieses besonders starken Treibhausgases

Do, 13.06.2024 — IIASA

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Distickstoffmonoxid (N2O, Lachgas) ist ein langlebiges Treibhausgas, dessen Treibhauspotential rund 300 Mal höher als das von CO2 ist und das auch zum Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre führt. Seit der vorindustriellen Zeit reichert sich N2O in der Atmosphäre an und trägt zum gesamten effektiven Strahlungsantrieb der Treibhausgase rund 6,4 % bei. Eine neue Studie bringt eine umfassende Quantifizierung der globalen N2O-Quellen und -Senken in 21 Kategorien von natürlich-erzeugtem und anthropogenem N2O und 18 Regionen zwischen 1980 und 2020: In diesem Zeitraum sind die N2O-Emissionen weiterhin angestiegen, wobei die vom Menschen verursachten Emissionen um 40 % zugenommen haben.*

Eine neue Studie des Global Carbon Project [1] ist vorgestern unter dem Titel "Global Nitrous Oxide Budget (1980-2020)" in der Fachzeitschrift Earth System Science Data erschienen [2]. An ihr waren 58 Forscher aus 55 Organisationen in 15 Ländern beteiligt, darunter auch Forscher aus dem Energy, Climate, and Environment Program des IIASA (Laxenburg bei Wien). Die Studie zeigt auf, dass die Emissionen von Distickstoffmonoxid (N2O) zwischen 1980 und 2020 unvermindert angestiegen sind. Abbildung 1.

N2O ist ein Treibhausgas, das stärker wirkt als Kohlendioxid (rund 300 Mal stärker) oder als Methan (rund 12 Mal stärker). Es ist Feuer am Dach, so die Autoren, wenn in einer Zeit, in der zur Begrenzung der globalen Erwärmung die Treibhausgasemissionen zurückgehen müssen, in den Jahren 2021 und 2022 N2O schneller in die Atmosphäre gespült wird als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Vergangenheit (Abbildung 1, Insert).

Abbildung 1. Globale mittlere N2O-Konzentration in der Atmosphäre in ppb [nmol pro mol]; Zeitraum 1980 - 2022. Insert: die jährliche Anstiegsrate in ppb/Jahr von 1995 bis 2022. Die Daten stammen von den Beobachtungs-Netzwerken "Advanced Global Atmospheric Gases Experiment" (AGAGE), "National Ocean and Atmospheric Administration" (NOAA) und "Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization" (CSIRO). (Bild und Legende von Redn. eingefügt aus: Figure 2, Tian et al., 2024 [2]; Lizenz cc-by.)

"Die durch menschliche Aktivitäten verursachten N2O-Emissionen müssen sinken, um - wie im Pariser Abkommen festgelegt - den globalen Temperaturanstieg auf 2°C zu begrenzen,", erklärt der Erstautor der Studie, Hanqin Tian, Professor für Globale Nachhaltigkeit am Schiller Institute des Boston College. "Da derzeit keine Technologien vorhanden sind, um N2O aus der Atmosphäre zu entfernen, besteht die einzige Lösung darin die N2O-Emissionen zu senken."

Aus der Studie geht hervor, dass im Jahr 2022 die N2O-Konzentration in der Atmosphäre 336 ppb (Teilchen pro Milliarde Teilchen - nmol N2O/mol) erreicht hat, was einem Anstieg von 25 % gegenüber dem vorindustriellen Niveau entspricht und weit über den Prognosen liegt, die das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) erstellt hat. Dieser Emissionsanstieg findet zu einer Zeit statt, in der die globalen Treibhausgase rasch in Richtung Null sinken sollten, wenn wir irgendeine Chance haben möchten, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden. Den Autoren zufolge bringt der ungebremste Anstieg eines Treibhausgases, dessen Erderwärmungspotenzial etwa 300 Mal größer ist als das von Kohlendioxid, gravierende strategische Auswirkungen mit sich.

Eine umfassende Abschätzung des globalen N2O

Auf der Basis millionenfacher N2O-Messungen, die in den letzten vier Jahrzehnten an Land, in der Atmosphäre, in Süßwassersystemen und im Ozean durchgeführt wurden, haben die Forscher die bisher umfassendste Abschätzung des globalen N2O erstellt. Sie haben auch die weltweit gesammelten Daten in Hinblick auf alle wichtigen wirtschaftlichen Aktivitäten untersucht, die zu N2O-Emissionen führen und berichten über 18 anthropogene (vom Menschen erzeugte) und natürliche Quellen sowie drei absorbierende "Senken" für N2O weltweit. Abbildung 2. Die landwirtschaftliche Produktion war in den 2010er Jahren für 74 % der vom Menschen verursachten Lachgasemissionen verantwortlich, was vor allem auf den Einsatz von kommerziellen Düngemitteln und tierischem Dünger auf Ackerflächen zurückzuführen ist.

Abbildung 2. Globales N2O-Budget im Zeitraum 2010-2019. Die farbigen Pfeile stellen die N2O-Flüsse in Teragramm Stickstoff pro Jahr (Tg N yr-1) dar: rot - direkte Emissionen aus Stickstoffeinträgen im Agrarsektor (Landwirtschaft); orange - Emissionen aus anderen direkten anthropogenen Quellen; kastanienbraun - indirekte Emissionen aus anthropogenen Stickstoffeinträgen; braun - gestörte Flüsse aufgrund von Veränderungen des Klimas, des CO2 oder der Bodenbedeckung, grün - Emissionen aus natürlichen Quellen. Die anthropogenen und natürlichen N2O-Quellen sind aus Bottom-up-Schätzungen abgeleitet. Die blauen Pfeile stellen die Oberflächensenke und die beobachtete atmosphärische chemische Senke dar, von der etwa 1 % in der Troposphäre stattfindet.(Bild und Legende von Redn. eingefügt aus: Figure 1, Tian et al., 2024 [2]; Lizenz cc-by.)

 

Reduzierung der N2O-Emissionen

"Während es in verschiedenen Regionen einige erfolgreiche Initiativen zur Stickstoffreduzierung gab, haben wir festgestellt, dass sich in diesem Jahrzehnt die Lachgasakkumulation in der Atmosphäre beschleunigt hat", so Josep Canadell, Executive Director des Global Carbon Project und Wissenschaftler bei der australischen CSIRO Marine and Atmospheric Research. Abbildung 3.

Zu den erfolgreichen Initiativen zur Stickstoffreduzierung gehören die Verlangsamung der Emissionen in China seit Mitte der 2010er Jahre sowie in Europa in den letzten Jahrzehnten - es bleibt jedoch noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass die Emissionen dieses starken Treibhausgases deutlich reduziert werden. Häufigere Abschätzungen und eine verbesserte Bestandsaufnahme der Quellen und Senken werden entscheidend sein, um die Minderungsbemühungen gezielt einzusetzen und die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Abbildung 3. Veränderungen der regionalen anthropogenen N2O-Emissionen im Zeitraum 1980-2020. Das Balkendiagramm in der Mitte zeigt die gesamten Änderungen der regionalen und globalen N2O-Emissionen während des Untersuchungszeitraums (*: Signifikanz P <0,05). Änderungsrate in Tg Stickstoff/Jahr. Die 18 Regionen: USA (US), Canada (CAN), Central Amerika (CAM), Brasilien (BRA),Nördl. Südamerika (NSA), SW-Südamerika (SSA), Europa (EU), Norfrika (NAF), Äquator.Afrika (EQAF), Südafrika (SAF), Rusland (RUS), Zentralasien (CAS), Mittlerer Osten (MEDE), China CHN), Korea, Japan (KAJ), Südasien (SAS), Südostsasien (SEAS), Australasia (AUS). (Bild und Legende von Redn. eingefügt aus: Figure 14, Tian et al., 2024 [2]; Lizenz cc-by.)

 

"Die sich beschleunigenden Lachgasemissionen unterstreichen die Dringlichkeit innovativer landwirtschaftlicher Praktiken sowie die Notwendigkeit, Emissionen aus anderen Quellen wie Industrie, Verbrennung oder Abfallbehandlung zu bekämpfen", erklärt Wilfried Winiwarter, Mitautor der Studie und leitender Forscher in der IIASA-Forschungsgruppe für Umweltmanagement. "Die Umsetzung von Maßnahmen durch wirksame Politik ist entscheidend, um unsere Klimaziele zu erreichen und unseren Planeten zu schützen."


 [1] The Global Carbon Project. The Global Carbon Project (GCP) integrates knowledge of greenhouse gases for human activities and the Earth system. Our projects include global budgets for three dominant greenhouse gases — carbon dioxide, methane, and nitrous oxide — and complementary efforts in urban, regional, cumulative, and negative emissions. https://www.globalcarbonproject.org/

[2] Tian, H., Pan, N., et al.,(2024). Global Nitrous Oxide Budget (1980–2020). Earth System Science Data. 10.5194/essd-16-2543-2024


 *Der Artikel "The Global Nitrous Oxide Budget 2024" ist am 12. Juni 2024 auf der IIASA Website erschienen (https://iiasa.ac.at/news/jun-2024/global-nitrous-oxide-budget-2024). Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und mit 3 Abbildungen plus Legenden aus der, dem Artikel zugrundeliegenden Veröffentlichung [2] und mit Untertiteln ergänzt. IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung der von uns übersetzten Inhalte seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt.