Fr, 02.10.2015 - 13:45 — Inge Schuster
„Wissenschaft ist keine Hüterin von Stabilität und Ordnung, sondern eine unverbesserliche Revolutionärin, die unablässig kreative Unruhe stiftet. Sie macht unser Leben nicht ordentlicher oder ruhiger, sondern freier und interessanter. Innovative Wissenschaft missachtet Dogmen und verunsichert, ebenso wie innovative Kunst.“ (G. Schatz [1]) Das letzte Mal habe ich Jeff Schatz am 23. Juni dieses Jahres getroffen. Er war nach Wien gekommen, um hier am renommierten Institut für Molekulare Pathologie (IMP), aus seinem Roman „Postdoc“ zu lesen. Seine Tochter Kamilla, eine großartige Violinistin, begleitete ihn, umrahmte die Lesung musikalisch. Es war eine Veranstaltung, die Jeff in vielen seiner Facetten zeigte. Die Textstellen demonstrierten sein hohes literarisches Talent, seinen Reichtum an farbigen Details und seine meisterhafte Beherrschung sprachlicher Ausdrucksformen, die Inhalte sein immerwährendes Plädoyer für die Naturwissenschaften, aber auch ein Aufzeigen der Gedanken- und Gefühlswelt des Forschers. Die Brücke von der Wissenschaft zur Kunst – ein besonderes Anliegen von Jeff Schatz, der ja selbst ein virtuoser Musiker war - schlug seine Tochter Kamilla.
Abbildung 1. Jeff und Kamilla Schatz bei der Lesung aus dem „Postdoc“ am 23.6.2015 am IMP
Wer war Jeff Schatz? (Fast leichter zu beantworten wäre: wer war er nicht?) Er war vor allem ein höchst renommierter Wissenschafter, ein Vollblutforscher; um es in seinen eigenen Worten auszudrücken: Seine „Heimat war nicht das gesicherte Wissen, sondern dessen äusserste Grenze, wo Wissen dem Unwissen weicht“[1]. Wir verdanken ihm fundamentale Erkenntnisse vor allem im Gebiet der Mitochondrien. Bereits früh, als Postdoc (wie die Zentralfigur seines Buches verbrachte er diese Zeit in einem Labor in New York) hatte er im wahrsten Sinn des Wortes Feuer gefangen: er untersuchte mechanistische Details zur oxydativen Phosphorylierung in Mitochondrien, des wesentlichen energieliefernden „Verbrennungs“-Prozesses aller höheren Lebewesen [2]. Berühmt wurden vor allem seine Arbeiten zur Biogenese von Mitochondrien und die Entdeckung der in diesen enthaltenen DNA, ebenso wie auch die Aufklärung des Transports von Proteinen in diesen Zellorganellen.
Von besonderer Wichtigkeit war für Schatz immer die Wissenschaftskommunikation, eine Brücke zu bauen: als akademischer Lehrer zur Jugend, als charismatischer Redner und Essayist zur Öffentlichkeit, als Forschungspolitiker zu den Regierenden. Schatz hat es verstanden Jung und alt mit dem Feuer zu infizieren, das in ihm brannte, zu überzeugen, dass „es Menschen braucht, die sehen, was jeder sieht, dabei aber denken, was noch niemand gedacht hat. Es braucht Menschen, die intuitiv erkennen, dass der von allen gesuchte Weg von A nach C nicht über B führt - wie jeder vermutet - sondern über X oder Z. All dies erfordert intellektuellen Mut. Er ist die wichtigste Gabe eines Forschers.” [1].
Abbildung 2. Schatz bei seiner Festansprache anlässlich des Jubiläums 650 Jahre Universität Wien (Quelle: Universität Wien)
Wir sind dankbar, dass wir Jeff Schatz kennen und von ihm lernen durften.
[1] Gottfried Schatz: Universitäten – Hüterinnen unserer Zukunft . Rede anlässlich des Festaktes 650 Jahre Universität Wien. http://scienceblog.at/universitaeten-hueterinnen-unserer-zukunft#.
[2] Diesen Werdegang hat Gottfried Schatz in einer Autobiographie beschrieben, die er dem berühmten Biochemiker Efraim Racker, dem Betreuer seiner Postdoc Zeit in New York, widmete: Feuersucher. Die Jagd nach dem Geheimnis der Lebensenergie (2011). Wiley-VCH Verlag & Co KGaA.
Wer Jeff Schatz näher kennenlernen möchte:
Er ist der Hauptautor von ScienceBlog.at; Sein Lebenslauf findet sich unter: http://scienceblog.at/gottfried-schatz
Er hat uns 37 Essays zur Verfügung gestellt, die links zu diesen finden sich ebenso unter http://scienceblog.at/gottfried-schatz
Eine Rezension des Postdoc ist nachzulesen unter: Postdoc – eine Suche nach dem Ich http://scienceblog.at/postdoc.
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