Unsere Haut – mehr als eine Hülle. Ein Überblick

Fr, 17.07.2015 - 20:15 — Inge Schuster Inge SchusterIcon BiologieUnsere Haut ist nicht nur unser größtes Organ, sie ist auch ein ungemein komplexes Organ. Sie ist aus mehreren Schichten aufgebaut, die jeweils unterschiedlich strukturiert sind und eine Vielzahl verschiedenartiger Funktionen ausüben. Als Grenzschicht zur Umwelt ist die Haut eine Barriere, die vor schädigenden Einflüssen schützt, uns Sinneseindrücke von außen vermittelt und unser Erscheinungsbild prägt.

Abbildung 1. Unsere Haut ist mehr als seine bloße Hülle. (Bildausschnitt aus der Geburt der Venus, Botticelli)

In erster Linie ist die Haut eine Barriere, die unseren Organismus sehr effizient vor einer gefährlichen Umwelt schützt (Abbildung 1). Sie schützt vor mechanischen Schäden, vor Schäden durch UV-Strahlung, davor, dass möglicherweise toxische Fremdstoffe in den Körper aufgenommen werden, dass pathogene Keime eindringen können. Ebenso verhindert diese Barriere auch einen übermäßige Abgabe von Körperwasser und körpereigenen Substanzen nach außen.

Mit unterschiedlichen Sensoren ausgestattet nimmt die Haut Sinnesreize wahr, lässt uns Wärme und Kälte empfinden und reagiert auch darauf. Sie lässt uns ein Spektrum von Druckempfindungen spüren, die von sanftesten Berührungen bis hin zum Schmerz reichen.

Über alle ihre Funktionen hinaus prägt die Haut aber unser Erscheinungsbild und damit unser Selbstwertgefühl. Emotionen, die zu veränderter Hautdurchblutung führen, lassen uns erröten oder auch erblassen. Wir kommunizieren so Gefühle wie Scham, Wut, Furcht mit der Außenwelt. Wenn man sich „in seiner Haut wohlfühlt“, ist dies synonym mit Lebensqualität zu verstehen.

Was ist die Haut?

Über lange Jahrhunderte hinweg blieben die Haut und die Lehre von ihren Krankheiten, die Dermatologie, ein Stiefkind der Medizin. Erst im 19. Jahrhundert änderte sich die Situation. Unter anderem feierte damals die „Wiener Schule der Medizin“ einen Durchbruch, als Ferdinand von Hebra erstmals Hautkrankheiten auf Grund pathologisch veränderter Hautstrukturen klassifizieren konnte. Die Grundlage dafür waren verbesserte mikroskopische Methoden, welche den Aufbau der Haut im Detail erkennen ließen.

Dies war der Beginn einer Wissenschafts-basierten Dermatologie. Der von Hebra 1856 verfasste „Atlas der Hautkrankheiten“ und das 1878 entstandene „Lehrbuch der Hautkrankheiten“ (zusammen mit seinem Schwiegersohn, dem Dermatologen Moriz von Kaposi) waren für Generationen von Dermatologen richtungsweisend. Wie Kaposi damals seinen Studenten den Aufbau der Haut veranschaulichte, hat auch heute noch Gültigkeit: die grundlegenden Strukturen – Epidermis, Dermis und Subcutis – und die sogenannten Hautanhangsgebilde (Haare, Schweißdrüsen, Talgdrüsen,..) werden in modernen Lehrbüchern in sehr ähnlicher Weise dargestellt (Abbildung 2).

Abbildung 2. Moriz Kaposi: „Architektonischer Aufbau und innere Structur der Haut- aus nach der Natur gezeichneten mikroskopischen Präparaten schematisch zusammengestellt“ in „Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten in Vorlesungen für praktische Ärzte und Studierende“ (5. Auflage (1899), Urban & Schwarzenberg, Wien).

Die Frage „Was ist die Haut?“ konnte nun mit der Aufzählung der hauptsächlichen Komponenten der Haut und deren pathologischen Veränderungen bei Hauterkrankungen beantwortet werden. Nicht aber damit, welche Funktionen die einzelnen Komponenten nun besitzen und welche Störungen es sind, die Hauterkrankungen verursachen. Effiziente Therapien gab es für die meisten dieser Krankheiten nicht (und gibt es auch heute noch nicht) - ob es sich nun beispielsweise um Psoriasis, atopische Dermatitis, Hauttumoren (von Aktinischer Keratose bis zum Melanom), bullöse Dermatosen (u.a. „Schmetterlingskinder“) handelt, um Allergien oder auch um Akne. Viele dieser Krankheiten verändern zudem das Erscheinungsbild - der Patient fühlt sich stigmatisiert, die Lebensqualität sinkt nicht nur durch die Krankheit selbst.

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert erfolgte ein neuer, ungeheurer Aufschwung der Dermatologie. Das Aufkommen hochsensitiver analytischer und mikroskopischer Methoden, vor allem aber der Siegeszug der Molekularbiologie erlaubte nun die Frage nach der Funktion der Haut in Angriff zu nehmen. Mit neuen zellbiologischen Verfahren konnten die unterschiedlichen Zellen der Haut kultiviert werden, ihre Funktionen und Regulierung unter definierten Bedingungen untersucht werden. Diese neuen Möglichkeiten nutzten akademische Institutionen und ebenso die Pharma-Industrie. Mit dem Ziel Hautkrankheiten zu verstehen und gezielt behandeln zu können, schossen etwa um die 1980er Jahre weltweit dermatologische Abteilungen in die Höhe, in welchen auch massiv Grundlagenforschung betrieben wurde. Dieser weltweite Boom hat einen enormen Anstieg unseres Wissens über die Haut bewirkt. Allerdings konnte dieses Wissen über Ursachen und vielversprechende Angriffspunkte der meisten Hauterkrankungen noch nicht in adäquater Weise in wirksame Therapien umgesetzt werden. Die Ernüchterung darüber hat zum Schließen zahlreicher Institutionen geführt (darunter fiel auch das durchaus erfolgreiche Novartis Forschungsinstitut in Wien).

Zum funktionellen Aufbau der Haut

Insgesamt ist die Haut mit rund 16% des Körpergewichts und einer Oberfläche von 1,6 – 2,0 m² (bei Erwachsenen) unser größtes Organ, allerdings ein sehr dünnes Organ. Aus drei Schichten – Epidermis, Dermis und Subcutis aufgebaut, ist sie an vielen Körperstellen nur einige Millimeter dick.

Die Epidermis (Oberhaut) – die Barriere zur Außenwelt

besteht zum überwiegenden Teil aus einem Zelltyp, den sogenannten Keratinozyten. Diese sind in mehreren verschiedenartigen Lagen angeordnet und bilden zusammen eine sehr dünne Schichte von 0,1 Millimeter bis wenige Millimeter(an den Füßsohlen, s.u.) Dicke (Abbildung 3). Die Epidermis ist nicht von Blutgefäßen durchzogen und muss von der Dermis her mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden, die sich durch Diffusion über ihre gesamte Dicke ausbreiten.

An der Basalmembran, die die Grenze zur darunterliegenden Dermis bildet, ist eine Lage Keratinozyten, die sich – aus Stammzellen heraus – kontinuierlich und rasch teilen. Dadurch werden Zellen laufend in die nächsthöheren Schichten gedrängt, wandern nach aussen. Diese hören bereits im sogenannten Stratum spinosum auf sich zu teilen. Sie beginnen ein Programm der Veränderung (der terminalen Differenzierung), in welchem sie Lipid-Organellen – Lamellar Bodies - bilden und sezernieren, alle Zellstrukturen inklusive Zellkern verlieren/abbauen, sich mit Keratinen und einem Gemisch vernetzter unlöslicher Proteine füllen und schlussendlich mit der Bildung von Lagen toter, verhornter Zellen, dem Stratum corneum, enden. Die oberste Schicht dieses Stratum corneum wird laufend in Form von Schuppen abgeschiefert. Es dauert etwa 4 Wochen bis Zellen aus der Basalschicht an die Oberfläche gelangen und dort abgeschiefert werden; täglich sind es 10 - 14 g dieser Schuppen.

Abbildung 3. Querschnitt durch die Epidermis (links, Bild: Wikipedia). Das Stratum Corneum ist wie eine Ziegelmauer aufgebaut (rechts oben): die Ziegel – verhornte Keratinozyten – sind in einen „Mörtel“ von Lipiden eingebettet. So etwa sehen Keratinozyten in der Basalschicht aus (rechts, Keratinozyten aus Humanhaut in Zellkultur; Laborprotokoll, Inge Schuster).

  • Die Hornschicht ist je nach Körperstelle verschieden dick, resultiert aus 10 bis über 200 abgestorbenen Zellschichten (letzteres an den Fußsohlen)und stellt die eigentliche Barriere zur Außenwelt dar. Wie diese Barriere zustandekommt, hat der amerikanische Dermatologe Peter M.Elias in bahnbrechenden Untersuchungen gezeigt:

vereinfacht dargestellt sind die toten Zellen „wie Ziegel in einer Mauer“ in einen „Mörtel“ aus Lipiden – einer aus gleichen Anteilen von Fettsäuren, Cholesterin und Ceramiden bestehenden Mischung - eingebettet. Stoffe, die aus der Außenwelt in die Haut einzudringen versuchen, müssen entweder durch diesen Mörtel und/oder durch die völlig verhornten Zellleichen hindurch. Dies ist für alle Stoffe sehr schwierig – für wasserlösliche Stoffe, Peptide und Proteine fast unmöglich und auch für Lipid-lösliche kleine Verbindungen nur beschränkt möglich. Die Barriere verhindert ebenso, dass wir Körperwasser mit Salzen außer an den dafür vorgesehenen Öffnungen der Schweißdrüsen verlieren.

Die Epidermis hat eine weitere Reihe von Funktionen eingebaut:

  • Im Bereich der Basalzellen finden sich sogenannte Melanozyten (Abbildung 4). Das sind Zellen, die Melanin produzieren, dieses über dendritische Fortsätze an basale Keratinozyten weitergeben und diese damit sehr effizient vor UV-Strahlung schützen.

Abbildung 4. Oben: Zellen der Epidermis aus Humanhaut in Primärkultur. Zwischen den Keratinozyten finden sich zahlreiche Melanozyten. (rote Pfeile) Mit ihren Fortsätzen docken sie an Keratinozyten an und entleeren in dieseden Farbstoff Melanin. Unten: Fibroblasten aus Humanhaut in Zellkultur (Bilder: Laborprotokoll, Inge Schuster).

  • UV-Licht, das in die Keratinozyten dringt, generiert aus einer Vorstufe des Cholesterins das Vitamin D3, ein Prohormon, das von dort in Blutzirkulation des Körpers gelangt, zum aktiven Hormon Calcitriol umgewandelt wird und zahlreiche wichtige Vorgänge im Körper reguliert. Die Keratinozyten können Vitamin D3 aber auch selbst in Calcitriol umwandeln. Dieses hat offensichtlich auf Struktur und Funktion der Haut einen positiven Einfluss: es induziert unter anderem die lokale Synthese von hocheffizienten, körpereigenen antibiotischen Peptiden, reguliert den Prozess der Differentiation und Prozesse der Immunantwort in der Haut.
  • Im Bereich der bereits differenzierenden Zellen treten sogenannte Langerhans-Zellen auf. Dies sind dendritische Zellen, die nach Kontakt mit Antigenen aktiviert werden und eine fundamentale Rolle im Immunsystem der Haut (u.a. in der Entstehung von Allergien) spielen.

Die Dermis (Lederhaut)

ist die nächste Hautschicht. Es ist ein lockeres elastisches Bindegewebe in welchem Fibroblasten der dominierende Zelltyp sind (Abbildung 4). Zum Unterschied zur Epidermis ist die Dermis gut durchblutet (und versorgt auch die Epidermis) und von Lymphbahnen, und Nerven durchzogen (siehe auch Abbildung 2). Das Immunsystem ist hier mit vielen Zelltypen vertreten, welche die Abwehrfunktion der Haut aufzeigen: Lymphozyten, Makrophagen, Monozyten, Mastzellen, Plasmazellen . Der untere Teil der Dermis ist von festen Bindegewebsfasern aus Kollagen und Elastin durchzogen, die der Haut Spannung und Elastizität verleihen (Leider gehen diese positiven Effekte im Alter verloren – es entstehen Falten.)

Die Dermis trägt wesentlich zur Kommunikation mit der Außenwelt bei. Sie enthält eine Reihe von Sinnesorganen. Es sind Rezeptoren, die Druck wahrnehmen (100/cm²) und Schmerz (200/cm²), Kälte und Wärme (12 resp. 2/cm²).

Dazu kommen Schweißdrüsen (100/cm²), die durch Abgabe und Verdunstung von Kühlmittel - Schweiß - der Temperaturregulierung des Körpers dienen (ekkrine Drüsen) und andere Schweißdrüsen, die in den Haarschäften enden (apokrine Drüsen) und den individuellen Geruch – Duftschweiß (u.a. enthält er Metabolite des Testosteron) - des Menschen erzeugen.

Im unteren Teil der Dermis (manchmal auch in der Subcutis) sitzen auch die Haarfollikel. Haare selbst sind linear angeordnete, verhornte Hautzellen, deren Farbe durch Melanin erzeugt wird – die dafür verantwortlichen Melanozyten sitzen in den Haarfollikeln. In diesen Follikeln enden auch die Talgdrüsen (40/cm²). Der produzierte Talg wird über den Haarschaft an die Oberfläche geschoben und über diese verteilt.

Die Subcutis

besteht ebenfalls aus lockerem Bindegewebe und Fettgewebe, die von Blutgefäßen, Lymphgefäßen und Nerven durchzogen sind. Bindegewebsstränge aus der Dermis durchziehen die Subcutis und verbinden sie mit den darunterliegenden Geweben resp. der Knochenhaut. Zwischen diesen Strängen ist Fettgewebe eingelagert, das eine Polsterung bewirkt, als Kälte- und Wärmeisolator dient und ein massiver Energiespeicher des Organismus ist.

Unsere Mitbewohner - das Mikrobiom der Haut

Als Grenzschicht zur Umgebung ist die Haut an ihrer Oberfläche mit einer immensen Diversität von Mikroorganismen - Viren, Bakterien, Archaea, Pilzen – besiedelt, dazu kommen auch Milben. Schätzungen gehen von einer Milliarde Organismen/cm² Haut aus. Die Populationen sind stark variabel, finden unterschiedliche Habitate vor: trockene Haut, feuchte Haut, Stellen unterschiedlicher Temperatur. Sie besiedeln Schweißdrüsen und Talgdrüsen; entlang des Haarschafts dringen sie bis in die Haarpapille vor. Einfluss auf die Zusammensetzung der Populationen haben natürlich auch umweltspezifische Faktoren und wirtspezifische Lebensumstände, beispielsweise Hygieneprodukte oder Kleidung.

Das Mikrobiom der Haut ist zurzeit Gegenstand intensiver Forschung, insbesondere auch in Hinblick auf dessen mögliche Rolle bei Hauterkrankungen wie beispielsweise Psoriasis, Atopischer Dermatitis oder Hauttumoren. Mittels neuer genetischer Methoden („Metagenomik“) werden die Populationen auf gesunder Haut mit denen auf kranker Haut verglichen. Soweit Aussagen bereits möglich sind, dürften unsere Mitbewohner eine wesentlich wichtigere Rolle in der Erhaltung einer gesunden Haut und ebenso auch in der Pathogenese von Hauterkrankungen spielen, als ursprünglich angenommen wurde.

Ausblick

In den letzten Jahrzehnten ist das Wissen um Struktur und Funktionen unserer Haut enorm gewachsen. Aus einem lange weniger beachteten Fach ist ein ungemein spannendes Forschungsgebiet geworden, das noch viele überraschende Entdeckungen verspricht. Es bietet auf der einen Seite Grundlagenforschung pur, auf der anderen Seite ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten. Wie bereits erwähnt, besteht bei den meisten Hauterkrankungen ein dringender Bedarf für effiziente und dabei nebenwirkungsarme Therapien, die zudem noch kostengünstig sein sollen. Die Anwendungen betreffen aber nicht nur Krankheiten, wichtig ist den meisten Menschen auch Ihr Erscheinungsbild. Einige der Fragen sind hier beispielsweise: welche Prozesse können wie reguliert werden, um den Alterungsprozess der Haut zu stoppen, um diesen vielleicht umzukehren? Wie kann man dem Haarausfall oder auch übermäßiger Behaarung wirkungsvoll begegnen?


Weiterführende Links

Atlas der Hautkrankheiten” von F. Hebra aus dem Jahre 1856 Ein von Th.L.Diepgen geleitetes Projekt, das diesen Atlas beschreibt und daraus großartige Bilder zeigt.

Zwei kurze deutsche Videos zum Aufbau der Haut:

FWU - Die Haut. Video 2:28 min.

 

Unsere Haut ist unser grösstes Organ Video 3:04 min.

Hier noch zwei Doppelreferate und ein Interview (bei etwas tiefergehendem Interesse geeignet. Aufnahmebedingt ist der Ton der Referate leider nicht in Studioqualität):

Hauterkrankungen - MINI MED Studium mit Dr. Klemens Rappersberger und Dr. Theresia Stockinger Video 1:00:18

Hauterkrankungen - MINI MED talk mit Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger. Video 17:34 min.

Unsere Haut - MINI MED Studium mit Univ.-Prof. Dr. K. Rappersberger und Dr. med. T. Stockinger . Schwerpunkt Nesselausschlag, Juckreiz, Trockenheit und die neuesten Therapiemöglichkeiten. Video 55:30 min.