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Näher betrachtet: Auswirkungen von COVID-19 auf das Gehirn

Fr, 15.01.2021 — Francis S. Collins

Francis S. CollinsIcon Gehirn

Covid-19 Patienten weisen häufig neurologische Beschwerden auf, die neben Störungen des Geruchs- und Geschmacksinns u.a. zu Verwirrtheit und lähmender Müdigkeit führen und auch nach Abklingen der akuten Infektion lange bestehen bleiben können. Mit Hilfe von hochauflösender Magnetresonanztomographie haben NIH-Forscher am National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) postmortales Hirngewebe von COVID-19 Patienten untersucht und Entzündungen festgestellt, die zu undichten Blutgefäßen und Gerinnseln führten. Dafür, dass das Virus SARS-CoV-2 selbst in das Hirngewebe eingedrungen war, konnten sie allerdings keinen Hinweis finden. Francis Collins, Direktor der US-National Institutes of Health (NIH), die zusammen mit dem Unternehmen Moderna den eben zugelassenen COVID-19- Impfstoff  mRNA-1723 designt und entwickelt haben, berichtet über diese Untersuchungen.*

COVID-19 ist zwar in erster Linie eine Erkrankung der Atemwege, kann aber auch zu neurologischen Problemen führen. Als erstes solcher Symptome dürfte der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns auftreten; manche Menschen können später auch mit Kopfschmerzen, lähmender Müdigkeit und Schwierigkeiten klar zu denken zu kämpfen haben, die manchmal als „Gehirnnebel“ ("Brain Fog") umschrieben werden. Bei all diesen Symptomen fragen sich Forscher, was genau das COVID-19 verursachende Coronavirus SARS-CoV-2, im menschlichen Gehirn bewirkt.

Auf der Suche nach Anhaltspunkten haben NIH-Forscher am National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) nun die ersten eingehenden Untersuchungen an Gewebeproben von Gehirnen durchgeführt, die von verstorbenen COVID-19 Patienten stammten. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlicht und legen nahe, dass die vielen neurologischen Symptome von COVID-19 wahrscheinlich durch die weit ausufernde Entzündungsreaktion des Körpers auf die Infektion und die damit einhergehende Verletzung der Blutgefäße erklärt werden können und nicht auf Grund einer Infektion des Gehirngewebes selbst [1].

Unter der Leitung von Avindra Nath hat das NIH-Team postmortales Hirngewebe von 19 COVID-19 Patienten mit einem leistungsstarken Magnetresonanztomographen (MRT) untersucht (das bis zu zehnmal empfindlicher als ein übliches MRT-Gerät war).Es handelte sich dabei um Patienten, die zwischen 5 und 73 Jahre alt waren; einige von ihnen hatten bereits bestehende Erkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Das Team konzentrierte sich auf die Riechkolben des Gehirns, die unsere Fähigkeit zu riechen steuern, und auf den Hirnstamm, der die Atmung und die Herzfrequenz reguliert. Basierend auf früheren Erkenntnissen nimmt man an, dass beide Regionen für COVID-19 sehr anfällig sind.

Tatsächlich zeigten die MRT-Bilder in beiden Regionen eine ungewöhnliche Anzahl heller Flecken, ein Merkmal einer Entzündung. Sie zeigten auch dunkle Flecken, die auf Blutungen hinweisen. Abbildung 1.

Abbildung 1. Magnetresonanz Mikroskopie des unteren Teils des Hirnstamms eines an COVID-19 verstorbenen Patienten. (Der gezeigte Ausschnitt misst etwa 20 x 15 mm ; Anm. Redn.) Die Pfeile markieren helle und dunkle Flecken, die auf Schäden an den Blutgefäßen hindeuten, jedoch ohne Anzeichen einer Infektion mit SARS-CoV-2 . (Credit: National Institute of Neurological Disorders and Stroke, NIH)

Ein genauerer Blick auf die hellen Flecken zeigte, dass winzige Blutgefäße in diesen Bereichen dünner als normal waren und in einigen Fällen Blutproteine in das Gehirn austreten ließen. Diese Durchlässigkeit schien offensichtlich eine Immunreaktion auszulösen, welche sich auf T-Zellen aus dem Blut und die Mikroglia des Gehirns erstreckte. Die dunklen Flecken zeigten ein anderes Muster mit undichten Gefäßen und Gerinnseln, aber ohne Anzeichen einer Immunreaktion.

Diese Ergebnisse sind zweifellos interessant, ebenso bemerkenswert ist aber auch das, was Nath und Kollegen in diesen Proben menschlichen Gehirns nicht gesehen haben. Sie konnten in den Proben keine Hinweise darauf finden, dass SARS-CoV-2 selbst in das Hirngewebe eingedrungen war. Tatsächlich lieferten mehrere Methoden zum Nachweis von genetischem Material oder von Proteinen des Virus negative Ergebnisse.

Die Ergebnisse sind besonders aufregend, da aufgrund von Studien an Mäusen Hinweise darauf vorliegen, dass SARS-CoV-2 die Blut-Hirn-Schranke passieren und in das Gehirn eindringen könnte. So hat ein kürzlich von NIH-finanzierten Forschern im Journal Nature Neurosciences veröffentlichter Bericht gezeigt, dass das virale Spike-Protein, wenn es Mäusen injiziert wurde, neben vielen anderen Organen leicht in das Gehirn gelangt ist [2].

Ein weiterer, kürzlich im Journal of Experimental Medicine veröffentlichter Bericht, in dem Gehirngewebe von Mäusen und Menschen untersucht wurde, legt nahe, dass SARS-CoV-2 tatsächlich das Zentralnervensystem einschließlich des Gehirns direkt infizieren kann [3]. Bei Autopsien von drei Personen, die an den Folgen von COVID-19 starben, stellten die vom NIH-geförderten Forscher Anzeichen von SARS-CoV-2 in Neuronen der Hirnrinde des Gehirns fest. Diese Arbeit wurde mit Hilfe der Immunhistochemie durchgeführt, einer mikroskopischen Methode bei der Antikörper verwendet werden, um an ein Zielprotein - in diesem Fall das Spike-Protein des Virus - zu binden.

Es ist klar, dass hier noch mehr Forschung erforderlich ist. Nath und Kollegen setzen ihre Untersuchungen fort, auf welche Weise COVID-19 auf das Gehirn einwirkt und die bei COVID-19-Patienten häufig auftretenden neurologischen Symptome auslöst. Während wir mehr über die vielen Wege erfahren, auf denen COVID-19 Verwüstungen im Körper anrichtet, wird das Verständnis der neurologischen Symptome entscheidend sein, um Menschen - einschließlich der Kranken mit dem sogenannten Long Covid (Langzeit-Covid ) Syndrom - auf dem Weg der Besserung von dieser schrecklichen Virusinfektion zu helfen.


[1] Microvascular Injury in the Brains of Patients with Covid-19. Lee MH, Perl DP, Nair G, Li W, Maric D, Murray H, Dodd SJ, Koretsky AP, Watts JA, Cheung V, Masliah E, Horkayne-Szakaly I, Jones R, Stram MN, Moncur J, Hefti M, Folkerth RD, Nath A. N Engl J Med. 2020 Dec 30.

[2] The S1 protein of SARS-CoV-2 crosses the blood-brain barrier in mice. Rhea EM, Logsdon AF, Hansen KM, Williams LM, Reed MJ, Baumann KK, Holden SJ, Raber J, Banks WA, Erickson MA. Nat Neurosci. 2020 Dec 16.

[3] Neuroinvasion of SARS-CoV-2 in human and mouse brain . Song E, Zhang C, Israelow B, et al. J Exp Med (2021) 218 (3): e20202135.


 * Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am14. Jänner 2021) im NIH Director’s Blog unter dem Titel: " Taking a Closer Look at COVID-19’s Effects on the Brain" https://directorsblog.nih.gov/2021/01/14/taking-a-closer-look-at-the-effects-of-covid-19-on-the-brain/. Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).


Artikel von Francis S. Collins zu COVID-19 im ScienceBlog

  • 22.10.2020:Schützende Antikörper bleiben nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion monatelang bestehen
  • 16.07.2020: Fortschritte auf dem Weg zu einem sicheren und wirksamen Coronaimpfstoff - Gepräch mit dem Leiter der NIH-COVID-19 Vakzine Entwicklung
  • 07.05.2020: Die wichtigsten zellulären Ziele für das neuartige Coronavirus
  • 16.04.2020:Können Smartphone-Apps helfen Pandemien zu besiegen?
  • 05.03.2020: Strukturbiologie weist den Weg zu einem Coronavirus-Impfstoff

 

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Comments1

Covid (not verified)

4 years 10 months ago

Covid

Reinfection reports are as yet uncommon yet consistently developing around the globe, and they're likely underreported. Individuals can get COVID-19 twice. That is the arising agreement among wellbeing specialists who are becoming familiar with the likelihood that those who've recuperated from the Covid can get it once more.

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