Freund und Feind - Die Sonne auf unserer Haut

Do, 06.09.2018 - 13:13 — Inge Schuster

Inge SchusterIcon MedizinLicht aus dem UV-Bereich des Sonnenspektrums löst in den Schichten der Haut eine Vielzahl und Vielfalt (photo)chemischer Reaktionen aus, die überaus negative aber auch stark positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden haben. Wie Strahlung aus dem UVA- und UVB-Bereich mit welchen Haustrukturen interagiert, ist hier an Hand einiger repräsentativer Beispiele beschrieben. Welche Maßnahmen die Haut zum Schutz vor den UV-Strahlen entwickelt hat - von Radikalfängern, Pigmentierung zu Reparatursystemen und morphologischen Anpassungen - soll in einem nachfolgenden Artikel aufgezeigt werden.

Die Haut prägt unser Aussehen und (zum Teil) unsere Persönlichkeit und ist mit rund 16 % des Körpergewichts unser größtes Organ. Häufig wird sie bloß als eine sehr effiziente Barriere gegen eine oft feindliche Umwelt angesehen, bietet sie doch Schutz vor vielen Gefahren: vor physikalischen und chemischen Angriffen, vor dem Austrocknen des Organismus oder dem Eindringen von Fremdstoffen und Mikroorganismen. Der Komplexität der Haut in ihrem Aufbau, ihrer Dynamik und ihren Funktionen wird man sich erst seit rund vierzig Jahren mehr und mehr bewußt. Tatsächlich ist die Haut ein stoffwechselaktives, neuro-immuno-endokrines Organ, ein Sinnesorgan, das unterschiedlichste Informationen aus der Umwelt verarbeitet, Schäden abwehrt und repariert und über Signale mit dem Körperinneren kommuniziert.

Sensor für UV-Licht

Eine besonders wichtige Rolle für das Sinnesorgan Haut spielt das Licht der Sonne und hier insbesondere die Strahlung aus dem UV-Bereich des Sonnenspektrums, d.i. Licht von 200 bis 400 nm Wellenlänge. UV-Photonen lösen in den Schichten der Haut eine Vielzahl und Vielfalt (photo)chemischer Reaktionen aus, die überaus negative aber auch stark positive Konsequenzen für Gesundheit und Wohlbefinden nach sich ziehen.

Die kürzestwellige und damit energiereichste Strahlung (UVC) spielt allerdings keine Rolle, da sie bereits in der Stratosphäre durch Ozon (O3)völlig absorbiert wird. Dies ist auch für den Großteil der längerwelligen UVB-Strahlen der Fall. So gelangt nur ein kleinerer Teil der UVB Strahlung- zwischen 5 - 10 % - auf die Erdoberfläche - wie viel ankommt hängt u.a. von der geographischen Lage, der Jahreszeit, der Höhe, der Wetterlage, etc. ab. Die energieärmere langwellige UVA-Strahlung trifft dagegen praktisch ungefiltert auf uns. Abbildung 1.

UV-Strahlung, die auf die Haut fällt, dringt abhängig von der Wellenlänge - d.i. vom Energiegehalt - in diese unterschiedlich tief ein:

UVB-Photonen werden bereits in der Epidermis, die bis in eine Tiefe von rund 0,15 mm reicht, vollständig absorbiert. Die meiste Strahlung wird bereits in der obersten Schichte, dem sogenannten Stratum Corneum, abgefangen - einer Schichte, die aus toten verhornten,in einen "Mörtel" aus Lipiden (Fettsäuren, Ceramiden und Cholesterin) eingebetteten Keratinozyten besteht und eine weitgehend undurchdringliche Barriere zur Außenwelt bildet.Graduell reduziert durchdringen UVB-Strahlen die darunter liegenden Schichten differenzierender Keratinozyten und erreichen auch noch die proliferierenden Zellen (Stammzellen) der Basalschicht. Zwischen den basalen Epithelzellen eingesprengt finden sich dendritischeZellen: Melanozyten und Langerhanszellen - Immunzellen, die auf mikrobielle und andere Antigene aus der Umwelt reagieren. (Zur Architektur der Haut: siehe [1]).

UVA-Strahlen gelangen tiefer, auch noch in die unter der Epidermis liegende Dermis ("Lederhaut"), eine bis zu 3 mm dicke Schicht Bindegewebe. Abbildung 1.

Abbildung 1. Elektromagnetisches Spektrum der Sonnenstrahlung (oben). Die auf die Haut treffende UV-Strahlung besteht aus UVA (90 - 95 %) und UVB (5 - 10 %) Strahlen (unten). Die kürzestwelligen UVC-Strahlen und ein Großteil der UVB-Strahlen werden in der Atmosphäre absorbiert. Während UVB-Strahlen vollständig in der Epidermis absorbiert werden, reichen die längerwelligen UVA-Strahlen bis in die Dermis. (Quelle: oben Wikimedia Commons file Sonne Strahlungsintensitaet.svg; cc-by-sa. Unten modifiziert nach J. D'Orazio et al., Int. J. Mol. Sci. 2013, 14, 12222-12248; open access, cc-by-3.0)

Die Dermis ist heterogen aufgebaut. UVA-Strahlen treffen hier auf verschiedene Zelltypen - vor allem auf Fibroblasten, die Produzenten der gelartigen extrazellulären Matrix, der Kollagenfasern und elastischen Fasern sind, welche unsere Haut stützen und ihr Elastizität verleihen. Dazu kommt ein breites Spektrum an (patrouillierenden) Zellen des Immunsystems. Weiters finden sich Blut- und Lymphkapillaren, welche die gefäßfreie Epidermis und die Dermis versorgen und entsorgen, Zellen der Haarfollikel, der Drüsen (Talg, Schweißdrüsen) und Nervenenden (Thermorezeptoren, Mechanorezeptoren).

Was bewirkt UV-LIcht in der Haut?

Eine Vielzahl unterschiedlicher Moleküle in den Zellen und in extrazellulären Bereichen der Haut enthält Strukturen - sogenannte Chromophore -, die Licht im Bereich der UV-Strahlung absorbieren. Im UVB-Bereich sind das beispielsweise die Nukleobasen (Purine- und Pyrimidine) - essentielle Bausteine, deren Basenpaarung und Abfolge die Erbinformation, den genetischen Code, in unserer DNA festlegen -, aber auch Aminosäuren mit einem aromatischen Rest - Tyrosin, Tryptophan, Phenylalanin und Histidin. Abbildung 2.

Abbildung 2. Absorptionsspektren essentieller Bausteine von Nukleinsäuren und Proteinen liegen im Bereich der UVB-Strahlung. (Plot: log Absorption vs Wellenlänge). Für die Nukleobasen repräsentativ stehen das Purin Adenin und das Pyrimidin Cytosin (hier nicht gezeigt: Thymin, das ein etwa doppelt so hohes Absorptionsmaximum aufweist).Die Absorption der Aminosäure Tryptophan (nicht gezeigt) ist rund 5mal höher als von Tyrosin. (Quelle:modifiziert nach Internet Archive: Cytology (1961), p.239; https://archive.org/details/cytology00wils.)

Die energiereichen UV-Photonen regen die Moleküle an und führen in Folge zu einer breiten Palette an chemischen Reaktionen, die positive aber auch negative Auswirkungen für die Haut selbst und auch den ganzen Organismus haben können.

Auswirkungen von UVB-Photonen auf Nukleinsäuren,…

und hier insbesondere auf die Nukleobasen (Purine- und Pyrimidine) der DNA, wurden auf Grund ihrer schädigenden Effekte bis jetzt am intensivsten untersucht. Die Absorption von UVB verursacht die Bildung charakteristischer Photoprodukte (UVB-Signaturen). In der Hauptsache reagieren benachbarte Pyrimidinbasen (Thymin und Cytosin) an einem Strang zu Dimeren und können daher nicht mehr Paarungen mit den komplementären Partnern am anderen Strang (Adenin und Guanin) eingehen. Abbildung 3.

Abbildung 3.UVB-Photonen erzeugen u.a. Dimere aus benachbarten Pyrimidinen (hier Thymin in gelb, das mit einem Adenin -grün - am anderen Strang paart) und brechen damit die Basenpaarungen der Doppelhelix auf. Ohne entsprechende Reparaturmechanismen können Gene nicht mehr korrekt abgelesen werden. (Bild links: NASA/David Herring,Bild rechts:chem.libretexts.org https://bit.ly/2MNUeCU; beide Quellen unter cc-by Lizenz)

UVB-Licht erzeugt aber auch zahlreiche weitere Läsionen in den Nukleobasen, die potentiell mutagen sind und - wenn die Zellen nicht über ausreichende Reparaturfunktionen verfügen - Hautkrebs verursachen können. Bereits normale, morphologisch unauffällige Haut hat - je nach Länge der Exposition und Hauttyp - mehr Mutationen akkumuliert als man in verschiedenen Tumoren - Brust, Lunge und Leber - findet. In Hauttumoren ist dann die Dichte solcher Mutationen noch um ein Vielfaches höher; beispielsweise kann die DNA einer einzigen Basaliomzelle an die 500 000 Mutationen aufweisen.

Hautkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen: am sogenannten "weißen" Hautkrebs (Basaliom und Plattenepithelkarzinom), der von geschädigten Keratinozyten in der Basalschichte der Epidermis ausgeht und erfolgreich behandelbar ist, erkranken in Österreich jährlich rund 20 000 bis 30 000 zumeist ältere Menschen. Seltener, aber wesentlich gefährlicher ist das Melanom, das seinen Ursprung in den Melanozyten hat (Statistik Austria 2018: gibt für 2015 rund 1700 Fälle an).

…auf Aminosäuren mit einem aromatischen Rest…

Tyrosin, Tryptophan, Phenylalanin und Histidin werden ebenfalls durch UVB angeregt. Anders als im Fall geschädigter Nukleobasen entstehen hier auch physiologisch benötigte Photoprodukte.

Als Beispiel soll hier die vor kurzem entdeckte Dimerisierung von Tryptophan durch UV-Licht zu einem FICZ (6-Formylindolo(3,2-b)carbazole) genannten Produkt beschrieben werden. Abbildung 4.

FICZ ist offensichtlich ein lang gesuchter, überaus potenter endogener Agonist des Transkriptionsfaktors Arylhydrocarbon-Rezeptor (AHR), der massiv in der Epidermis exprimiert ist. Bereits in äußerst niedrigen Konzentrationen aktiviert FICZ den AHR und dies führt zur Expression von zahlreichen, für die Intaktheit und Funktion der Haut wichtigen Genen. Abbildung 4.

Abbildung 4. Aus 2 Molekülen Tryptophan entsteht durch UV-Licht der endogene Ligand des Arylhydrocarbon Rezeptors (AHR): FICZ (6-Formylindolo(3,2-b)carbazole). Der FICZ-aktivierte Rezeptor reguliert die Expression von Genen, die für Schutz und Funktion der Haut wichtig sind.

Es sind dies Gene, die u.a. in der Regulierung der Homöostase von Stammzellen eine Rolle spielen, in der Modulierung der Immunantwort u.a. eine Balance zwischen Abwehr von Pathogenen und Unterdrückung einer schädigenden Entzündung herstellen und vor allem auch effizienten Schutz vor Fremdstoffen bieten. Letzteres geschieht durch die AHR-induzierte Expression von Enzymen (vor allem aus der CYP1-Familie), die insbesondere planare aromatische Kohlenwasserstoffe aus Umwelt und Industrie abbauen und dadurch (zumeist) "entgiften". Substrate dieser Enzyme sind aber auch endogene Verbindungen wie beispielsweise mehrfach ungesättigte Fettsäuren (u.a. Arachidonsäure) aus denen (patho)physiologische Signalmoleküle entstehen. Auch das Hormon Melatonin, das in der Haut (ebenfalls aus Tryptophan) synthetisiert wird und dort über Rezeptoren wirkt, ist Substrat dieser Enzyme, verliert dabei seine hormonelle Aktivität und fungiert nun als effizienter Fänger von Radikalen.

…aber auch viele andere chemische Strukturen,

beispielsweise Intermediärprodukte in der Synthese des Cholesterins, werden durch UVB-Licht angeregt: gut untersucht ist hier die Aktivierung der direkten Vorstufe des Cholesterins zu Vitamin D, das in zwei Stufen (auch in der Haut) zum aktiven Hormon umgewandelt wird (Synthese und Funktion sind ausführlich beschrieben in [2]).

UVA-Photonen interagieren

im Gegensatz zu den UVB-Photonen vorwiegend indirekt: Es werden sogenannte Photosensibilisatoren angeregt, d.i. Molekülstrukturen, welche die absorbierte Lichtenergie auf ein weiteres Molekül übertragen, das in Folge reaktiven Sauerstoff (ROS; siehe unten) generiert. Welche Moleküle als derartige Photosensibilisatoren für UVA-Photonen fungieren, ist nur ansatzweise bekannt; beschrieben sind einige Kandidaten wie Melanin, Vitamin E, das Sebum-Lipid Squalen und Porphyrine. Auch das oben erwähnte, durch UVB entstandene FICZ dürfte neben der Funktion als AHR-Ligand auch durch UVA angeregt werden.

Reaktiver Sauerstoff - das Superoxid-Radikal, Wasserstoffperoxid und das Hydroxyl-Radikal - reagiert sofort mit beliebigen Molekülen der Umgebung und kann diese durch Oxydation zerstören - ob es sich um die Stoffklassen der Nukleinsäuren, Proteine, Lipide und Kohlehydrate handelt, deren Struktur und Funktion durch ROS ruiniert werden kann, um endogene Stoffwechselprodukte oder auch um Fremdstoffe, die an der Oberfläche der Haut oder in darunterliegenden Schichten liegen. Abbildung 5. 

Abbildung 5. Reaktiver Sauerstoff als Folge von UVA-Strahlung kann Schädigungen in allen Molekülen und Strukturen hervorrufen. Sind ausreichend anti-oxidative Moleküle und Enzyme vorhanden können die Schäden klein gehalten werden. (Bild: modifiziert nach J. D'Orazio et al., Int. J. Mol. Sci. 2013, 14, 12222-12248; open access, cc-by-3.0)

Eine bekannte Auswirkung der UVA-Strahlung betrifft das Bindegewebe in der Dermis. Schäden an dem Collagen-Netzwerk und den elastischen Fasern führen zu einer stetigen Reduktion der Hautspannung und Elastizität,zur Bildung von Falten und frühzeitigen Alterung der Haut.

Dass nicht nur UVB-Strahlen als Cancerogene für die Haut einzustufen sind, sondern auch UVA Strahlen , die über lange Zeit als unschädlich angesehen wurden, ist nun hinlänglich nachgewiesen: UVB-Photonen indem sie direkt Mutationen in der DNA generieren, UVA-Photonen indirekt durch reaktiven Sauerstoff, der die Basen oxydiert und die korrekte Basenpaarung verhindert.

Besitzen Zellen in ausreichendem Maße "Radikalfänger", anti-oxidative Moleküle wie z.B. Glutathion und Enzyme, welche die reaktiven Spezies inaktivieren - u.a. Superoxid-Dismutase , Katalase und Glutathion-Peroxidase - so können Schäden verhindert werden. Abbildung 5.

Welche Maßnahmen die Haut zum Schutz vor den UV-Strahlen entwickelt hat - von Radikalfängern, Pigmentierung zu Reparatursystemen und morphologischen Anpassungen - soll in einem nachfolgenden Artikel beschrieben werden.


[1] Inge Schuster, 17.07.2015: Unsere Haut – mehr als eine Hülle. Ein Überblick. http://scienceblog.at/unsere-haut.

[2] Inge Schuster, 10.05.2012: Vitamin D — Allheilmittel oder Hype? http://scienceblog.at/vitamin-d-%E2%80%94-allheilmittel-oder-hype.


Weiterführende Links

Artikel zum Thema Haut im ScienceBlog