Do, 05.07.2018 - 01:04 — Ricki Lewis
Wie werden Biowissenschaften in Filmen dargestellt? Die US-amerikanische Science-Fiction- Filmreihe Jurassic Park gehört zu den finanziell erfolgreichsten Serien aller Zeiten; sie schürt Ängste vor genetischer Manipulation und unverstandenen, weltweiten Folgen. Ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Film über die geklonten Dinosaurier ist nun der fünfte Teil " Das gefallene Königreich" angelaufen. Es soll darin um die "entfesselte Macht der Genetik" der Dinosaurier gehen. Nur ist das de facto nicht der Fall; es wird ein grotesker Eindruck von der Genetik vermittelt, wissenschaftliche Seriosität bleibt auf der Strecke. In ihrer Rezension weist die Genetikerin Ricki Lewis auf einige der Ungereimtheiten hin (ihre Meinungen sind in Kursiv gesetzt).*
Die Handlung des Streifens ist oberflächlich, oberflächlich. Die vorhandenen Rezensionen weisen auf den dünnen Handlungsfaden hin, scheinen sich ansonsten mehr auf das, seit der vorigen Folge besser gewordene Schuhwerk der Hauptdarstellerin Bryce Dallas Howards zu kümmern. Viele Rezensenten vermissten aber Einzelheiten und Begründungen aus der Wissenschaft. Ich saß im dunklen Theater und kritzelte, wie ich es ein paar Wochen zuvor für eine Rezension des lächerlichen Science Fiction Films Rampage getan hatte. Im Vergleich dazu ist Das gefallene Königreich besser - zumindest sind einige Gedankengänge eingeflossen.
Rettet die Dinosaurier!
2015 haben wir die Dinos zum letzten Mal gesehen; damals liefen sie auf Isla Nublar, 150 Meilen westlich von Costa Rica, Amok (Abbildung 1). In der neuen Folge hat dort nun ein riesiger Vulkan zu speien begonnen.
Was soll man tun?
"Schließlich haben wir sie zurückgeholt" postuliert Jeff Goldblum, wiederholt damit was er in der ersten Szene seinen vom Mathematiker zum Biologen konvertierten Ian Malcolm sagen lässt und verwendet komplizierte Ausdrücke, wenn er zu einem verdatterten Senator spricht.
Die Tiere stehen vor einem Massenaussterben.
Abbildung 1. Die fiktionelle Insel Isla Nublar, auf der der Multimilliardär John Hammond einen Erlebnispark mit geklonten Dinosauriern geschaffen hat.
Szenenwechsel
Benjamin Lockwood (gespielt von dem aus Ein Schweinchen namens Babe bekannten James Crowell), Partner des Vaters der Dinosaurier John Hammonds, lebt in einem Schloss in Nordkalifornien. Es ist ein riesiges Schloss, das auch drei unterirdische Stockwerke eines "eingeschränkten Zugangsbereichs" aufweist. Es ist dies ein Labyrinth aus Kammern, Käfigen und dazwischen Laptops, die frühere Dressureinheiten mit Dinosauriern zeigen. In Brutkästen liegen große Eier. Lockwood setzt den Traum von Hammonds fort und zieht die Jurassic-Dinosaurier auf. Und mittendrin läuft seine quicklebendige Enkelin Maisie herum - Lockwoods Tochter, Maisies Mutter, war bei einem Autounfall getötet worden.
Lockwood will die auf der Insel im Stich gelassenen Dinosaurier retten, doch sein Assistent, der schmierige Eli Mills, verabredet sich mit Tierhändlern, die die Dinos nur retten wollen, um sie an die Meistbietenden zu verkaufen, dies aber nicht nur zum Zweck des Entertainments. Jede der gewünschten elf Spezies produziert ein einzigartiges Biopharmazeutikum.
Der Genetiker Dr. Wu (gespielt von Law and Order B.D. Wong) ist immer noch an Bord. "Wissen Sie, wie schwierig es ist, noch eine weitere Lebensform zu erschaffen?" äußert er frustriert. Ich kann es mir nur vorstellen.
Dinos zum Verkauf!
Die elf Dino-Arten sollen versteigert werden, um Startkapital für das Konstruieren von "Kreaturen der Zukunft aus Stücken der Vergangenheit" zu beschaffen (tatsächlich macht dies ja die Natur mit den Genomen jedes sich sexuell fortpflanzenden Organismus'). Das neue Reptil, Indoraptor, soll als Waffe taugen! Es wird irgendwie genetisch programmiert, sodass es auf einen Laserpointer reagiert und auf ein darauffolgendes "akustisches Signal" mit Angreifen reagiert. Ich habe keine Ahnung, wo die genetische Manipulation herkommt - es handelt sich hier ja um eine klassische konditionierte Reaktion. Und diese ist kaum neu. Katzen verfolgen seit Jahren Laserpointer. Abbildung 2.
Abbildung 2. Kona, Luna und Lydia verfolgen hypnotisiert den Lichtfleck eines Laser Pointers (Rachel Ware)
Aber die Guten wie auch die Bösen müssen zuerst die Dinosaurier finden, um sie vor dem Lava speienden Vulkan zu retten. Und hier tritt nun die von Bryce Dallas Howards gespielte Figur, Claire Dearing, auf. Als ehemalige Direktorin des zerstörten und verlassenen Jurassic-Themenparks weiß sie, wo die Dinos zu finden sind. Doch zuerst schleppt sie den attraktiven Tier-Verhaltensforscher Owen Grady (gespielt von Chris Pratt) dorthin zurück.
Mit vereinigten Kräften schaffen sie es, die meisten Kolosse von der Insel zu transportieren, einschließlich einiger Babys und Jungtiere. Die Dinosaurier werden gefangen und hinter Gittern eingesperrt , einschließlich der Kleinen, während diejenigen, die nicht sicher transportiert werden können, zurückgelassen werden, um in einer gespenstischen Szenerie hinter brennendem Blattwerk zu sterben. Das Ganze erinnerte ein bisschen an die Nachrichten der letzten Woche.
Genetische Veränderung oder Verhaltensänderung?
An mehreren Stellen des Films zeigt ein Video den Verhaltensforscher Owen, der eine Gruppe von Baby Theropoden dressiert. Theropoden sind eine Unterordnung der Dinosaurier, die hohle Knochen und drei Zehen pro Gliedmaßen aufweist und zu der auch die wilden Velociraptoren, Stars der vergangenen Filme, gehören. Zunächst scheint die Interaktion mit den Babys eine Variation der klassischen Prägung zu sein, die Baby-Dinosaurier folgen Owen wie die Gänse, die hinter dem berühmten Ethologen Konrad Lorenz her watschelten und ihn für ihre Mutter hielten. Aber während sie heranwachsen, rückt für Owen ein kluger Velociraptor, Blue, in den Vordergrund. Abbildung 3.
Abbildung 3. Das Theropodenweibchen Blue und der Verhaltensforscher Owen interagieren miteinander.
Im Dressieren von Blue geht Owen über die angeborene Prägungs-Reaktion hinaus und fördert Verhaltensweisen, die Zuneigung, Bindung, Interesse, Neugier und Empathie zeigen. Der Genetiker Dr. Wu nimmt davon Kenntnis und möchte die Verhaltensweisen in seine Schöpfungen einbringen. Offenbar ist es ihm nicht bewusst, dass es sich dabei um angelernte und nicht um angeborene Eigenschaften handelt. Vermutlich hat er einen Einführungskurs in die Psychologie versäumt.
Der Film stellt die durch das Klonen eingeführte genetische Veränderung, die vor oder bei der Befruchtung stattfindet, dem Lernen und der klassischen Konditionierung, wie sie nach der Geburt auftreten, gegenüber.
Wie also fördert genetische Veränderung die neuronalen Verknüpfungen, die den erst nach der Geburt gelernten Verhaltensweisen zugrundeliegen? Ist es nicht besser die Epigenetik einzubringen, die Genexpression zu verändern und damit ein Widerspiegeln der Umwelteinflüsse? Dies ist einfacher zu kontrollieren.
Wie in vielen Stücken, die über Genetik gehen, geben die Drehbuchautoren leider kein zusammenhängendes Bild. Stattdessen lassen sie ein Stakkato von Hokuspokus niederprasseln, so dass Zuschauer oder Leser meinen, dass damit Lücken im Verständnis gefüllt sind, und es das Ganze Sinn macht - wenn dies tatsächlich aber nicht der Fall ist. Vielleicht haben das die Rezensenten gemeint, als sie von einer dünnen Handlung sprachen.
Eine unverständliche Transfusion
Der Velociraptor Blue verliert viel Blut und braucht eine Transfusion! Warum nicht Blut des Tyrannosaurus Rex (T. Rex) nehmen, der betäubt im nächsten Käfig döst - so der Vorschlag des jungen Paläo-Veterinärs.
Was ist, wenn es sich nun um verschiedene Arten handelt? Blue hätte nahezu augenblicklich eine Abstoßungsreaktion erleiden müssen - zum Glück war dies nicht der Fall.
Das liegt daran, dass Bryce Dallas Howard das Blut des Spenders, des schnarchenden T. rex, fachmännisch untersuchte und genau wusste, wo sie in seine schuppige Haut einstechen sollte. Ihre Erfahrung bezog sie von einer freiwilligen Teilnahme an einer Blutspendeaktion des Roten Kreuzes. Okay.
Die Transfusion wird sich später zumindest für Dr. Wu als wichtig erweisen als er predigt, dass Blue "in jeder Zelle des Körpers" reine DNA hat.
Aber nein!
Wenn eine hämatopoetische Stammzelle des Spenders T. rex in den Empfänger gelangte - und dies war wahrscheinlich der Fall -, könnte die genetische Reinheit von Blue mit einer T. rex-Zelllinie verunreinigt sein. Dieses Phänomen (Mikrochimerismus) ist der Grund, warum eine Frau, die eine Knochenmarkspende von einem Mann erhält, Blutzellen enthalten könnte, die Y-Chromosomen tragen. Dr. Wu sollte das begriffen haben, weil er auch der forensische Psychiater Special Agent in der Spezialeinheit "Law & Order Special Victim" ist, wo der Mikrochimerismus manchmal falsch zugeordnete Blutgruppen erklärt. Aber keine Sorge. Solange die Spenderzellen nicht in Dinosauriersperma oder -ei gelangen, wird die Veränderung nicht weiter vererbt.
Der Fauxpas mit der Transfusion ist nicht das Einzige, was mit der Taxonomie und Evolution nicht stimmt. Die elf Dinosaurierarten produzieren jeweils ein einzigartiges Biopharmazeutikum, aber sie sind nahe genug verwandt, um Blut zu spenden/empfangen. Zufällig sagt dann Dr. Wu " in Hinblick auf seine DNA ist ein Stier kaum von einer Bulldogge zu unterscheiden". Ich denke, es ist Zeit, noch ein paar Genetiker aufzutreiben.
Auktion und Aktion
Die Auktion läuft und die bösen Jungs verdienen Millionen für ihre Dinosaurier.
"Was höre ich für den jugendlichen Allosaurus? Verkauft! ", brüllt der gnomartige Auktionator. "Oder wie wäre es mit diesem Vierfüßer aus der Kreidezeit, Ankylosaurus? Einer der größten Panzerdinosaurier, ein lebendiger Panzer!
" Dann enthüllt der hämmernde Gnom einen Prototypen des Indoraptors, "eine perfekte Waffe für die heutige Zeit!" Und die Menge tobt.
Dr. Wu jammert: "Er ist nicht zu verkaufen! Er ist der Prototyp! " "Beruhigen Sie Sich. Wir werden mehrere davon produzieren ", antwortet der Gnom, während er ein Gebot von 28 Millionen Dollar akzeptiert.
Was ein Action-Film ist, muss natürlich mit einer Verfolgungsjagd enden. Die Jagd in Jurassic World: Das gefallene Königreich wird nicht von dem eingesperrten und wütenden Indoraptor ausgelöst, sondern von dem gepanzerten Ankylosaurus, der auskommt, unglücklicherweise mit seinem Kopf auf ein Rohr schlägt und durch die Menge der Investoren rast, die hektisch für den gepanzerten Prototyp bieten.
Menschen oder Teile von diesen werden gefressen, einschließlich des Arms des Gierigsten unter ihnen, der während des gesamten Films heimlich Dinosaurierzähne gesammelt hatte. Der gnomartige Versteigerer läuft um sein Leben, sein Toupet flattert hoch wie Donald Trumps orangefarbene Fransen, wenn er in ein Flugzeug steigt. Und die im Keller eingeschlossenen Dinosaurier werden auf mysteriöse Weise gasförmiger Blausäure ausgesetzt und fangen an zu husten. (Sie erinnern mich an den alten Gary-Larsen-Cartoon von Dinosauriern, die beim Rauchen ausstarben.)
Irgendwo in dem Chaos liegt das kleine Mädchen in einem Bett unter der Decke, als sich ein wilder Dinosaurier nähert und in letzter Minute von einem anderen Dinosaurier abgelenkt wird. Das passiert dann noch oft, ein Reptil greift ein anderes an. Und in einem kurzem Augenblick ist eine spiralenförmige Wendeltreppe in Form einer Doppelhelix zu sehen.
Am Ende fliehen Claire, Owen, Maizie, der Paläo-Veterinär und ein nerdiger IT-Typ. Zwischen Owen und Blue kommt es zu einer berührenden Szene. Aber alles ist nicht gut. Ein Knopfdruck wird die Dinosaurier befreien! Sollte die weinende Claire es tun? "Sei vorsichtig, wir sind nicht mehr auf einer Insel!"- wohlwollend warnt Owen.
Ian Malcolm bekommt das letzte Wort. "Die Macht der Genetik wurde jetzt entfesselt. Jetzt passiert es. Sie waren vor uns hier und, wenn wir nicht vorsichtig sind, werden sie danach hier sein. Wir treten in eine neue Ära ein. Willkommen in der Jurassic World. " Ich denke, wir werden sehen, was am 11. Juni 2021 passiert, wenn der nächste Film anläuft.
Inzwischen Spielverderber Alarm: eine menschliche Figur ist ein Klon, und dies ist entscheidend für den Übergang zum nächsten Film. Uns bleiben die riesigen Reptilien in Nordkalifornien, die uns von Berggipfeln aus beobachten und Surfer terrorisieren. Ich kann mich nur fragen, ob sie sich mit den Flüchtlingen vom Planeten der Affen treffen werden. ------------------------------------------------------------------------------------------------------- Nachsatz der Redaktion: in den wenigen Monaten seit seinem Erscheinen ist der erste Trailer zu dem Film (siehe Link, unten) bereits mehr als 7,5 Millionen Mal angeklickt worden. Die dubiosen wissenschaftlichen Inhalte des Films setzen sich millionenfach in den Köpfen fest. Dagegen sind auch die besten, verständlichsten und unterhaltsamsten Videos mit seriösen wissenschaftlichen Inhalten chancenlos - sie erreichen gerade Bruchteile im Promill- bis unteren Prozentbereich!
*Der Artikel ist erstmals am 28. Juni 2018 in PLOS Blogs - DNA Science Blog unter dem Titel " The Genetic Power of Jurassic World: Fallen Kingdom " erschienen (http://blogs.plos.org/dnascience/2018/06/28/the-genetic-power-of-jurassic-world-fallen-kingdom/) und steht unter einer cc-by Lizenz. Die Autorin hat sich freundlicherweise mit der Übersetzung ihrer Artikel durch ScienceBlog.at einverstanden erklärt, welche so genau wie möglich den englischen Fassungen folgen.
Weiterführende Links
Jurassic World: Das gefallene Königreich, ausführliche Inhaltsangabe und Links in Wikipedia.
JURASSIC WORLD 2: Fallen Kingdom Trailer (Extended) 2018. Video 5:16 min. Standard-YouTube-Lizenz
Life finds a way in the absurdly entertaining Jurassic World: Fallen Kingdom: EW review.
- Printer-friendly version
- Log in to post comments