Wissenschaftskommunikation in Österreich und die Rolle der Medien — Teil 1: Eine Bestandsaufnahme

Do, 17.10.2013 - 23:00 — Josef Seethaler & Helmut Denk

ÖAWJosef SeethalerHelmut DenkWissenschaft und Forschung nehmen in unserem Land einen alarmierend niedrigen Stellenwert ein, die Mehrzahl der Österreicher bewertet diesbezügliche Informationen als irrelevant für ihr tägliches Leben. Auf der Datengrundlage aktueller Umfragen (EU-Special Eurobarometer) analysieren Josef Seethaler (Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW) und Helmut Denk (Altpräsident der ÖAW) die Problematik von Wissenschaftsberichten in den Medien.

Das Verhältnis von Wissenschaft und Medien hat sich in den letzten fünfzehn Jahren deutlich gewandelt. Die Wissenschaftsberichterstattung, deren Bedeutung Mitte der 1990er Jahre noch als „stabil marginal“ galt - um den deutschen Kommunikationswissenschaftler Walter Hömberg zu zitieren –, ist heute ein fixer und wichtiger Bestandteil des Medienangebots, vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wissenschaftler wiederum sind sich bewusst, dass in der modernen Wissensgesellschaft die Vermittlung für ihre Themen, Resultate und Anliegen an die Öffentlichkeit ein unabdingbarer Bestandteil der wissenschaftlichen Tätigkeit selbst ist. Aber auch erhöhter gesellschaftlicher und politischer Legitimierungsdruck lasst die öffentliche Aufmerksamkeit und die mediale Präsenz zu wettbewerbsrelevanten, wenn auch riskanten Ressourcen werden. Wissenschafts-PR hat sich heute zu einem florierenden Wirtschaftszweig entwickelt, dessen „Nebenwirkungen“ aus einer wissenschaftlichen oder wissenschaftsethischen Sicht nicht immer wünschenswert sind.

Nicht nur deshalb stellt sich die Frage, ob die gegenwärtige Situation befriedigend oder doch verbesserungswürdig ist, und zwar im Sinne aller Beteiligten: für die Wissenschaft, die Medien und für die Gesellschaft, an die sich Wissenschaft und Medien richten.

Zum Stellenwert der Forschung

Ein Blick auf den Stellenwert, den die Forschung in Osterreich in der öffentlichen Wahrnehmung einnimmt, ist alarmierend. Laut einer von der Europäischen Kommission 2010 in Auftrag gegebenen Umfrage in allen EU-Ländern erklären 57 Prozent der Österreicher, dass Informationen über Wissenschaft und Forschung für ihr tägliches Leben keinerlei Bedeutung haben. Das sind fast doppelt so viele wie im EU-Durchschnitt. (Abbildung 1).

Bedeutung von WisenschaftskenntnissenAbbildung 1. Dem Satz: „Kenntnisse über Wissenschaft und Forschung zu besitzen, ist für mein tägliches Leben nicht von Bedeutung“ stimmen 57 % der Österreicher zu (grün), aber nur 33 % im EU-27-Mittel [Quelle: Special EUROBAROMETER 340.2010 (QC6.10)]

Weniger als die Hälfte der Bevölkerung stimmt einer öffentlichen Unterstützung von Grundlagenforschung zu. Das ist rund um die Hälfte weniger als im EU-Durchschnitt. In beiden Rankings bildet Österreich das Schlusslicht unter den Staaten der Europäischen Union (Abbildung 2).

Unterstützung der GrundlagenforschungAbbildung 2. Unterstützung der Grundlagenforschung. (Antwort auf: „Auch wenn sich daraus kein unmittelbarer Nutzen ergibt, ist wissenschaftliche Forschung, die das Wissensspektrum erweitert, notwendig und sollte von der Regierung unterstützt werden“; Quelle:EUROBAROMETER 340.2010 (QC1.5)

Das nationale Image der österreichischen Forschung ist somit denkbar schlecht. Das kann nicht allein an der Medienberichterstattung liegen, hängt aber doch ganz wesentlich mit dieser zusammen; in unserer heutigen Informationsgesellschaft haben die Bürger in kaum einem gesellschaftlichen Bereich die Möglichkeit eigener Primärerfahrung und beziehen ihre Kenntnisse über fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens aus den Medien.

Wissenschaftsberichte in den Medien

Welche Medieninhalte interessieren die österreichische Bevölkerung am meisten? Laut einer anderen EU-weiten Umfrage (Special Eurobarometer 282; Abbildung 3) ist es in erster Linie Unterhaltung. Dagegen wäre auch gar nichts einzuwenden, läge nicht in Osterreich der Anteil jener Personen, für die Unterhaltung zu den drei primären Medieninteressen zahlen, weit über dem EU-Durchschnitt (53 gegenuber 35 Prozent). An zweiter Stelle steht der Sport mit 45 Prozent. Mit großem Abstand folgen Politik und Kunst; das Interesse für Wissenschaft und Wirtschaft liegt hingegen mit 22 Prozent signifikant unter dem EU Durchschnitt von 31 Prozent (von Ländern wie Schweden mit über 50 Prozent-Anteilen ganz zu schweigen).

MedieninhalteAbbildung 3. Welche Medieninhalte interessieren Österreicher? (Quelle: Special EUROBAROMETER 282. 2007 (QB1)) Die Medien bedienen mit ihrem Angebot im Interesse hoher Reichweitenquoten allzu oft genau diese Interessenlage, woraus sich aber ein circulus vitiosus ergibt: wichtige Zukunftsthemen finden weder in den Medien noch in der österreichischen Bevölkerung die entsprechende Resonanz.

In der Bewertung der über die Medien vermittelten Wissenschaftsinformation zeigt sich ein scheinbar widersprüchliches Bild: Einerseits erklären rund zwei Drittel der Österreicher – und damit um 10 Prozent mehr als im EU-Durchschnitt –, mit der Wissenschaftsberichterstattung im Generellen zufrieden oder zumindest weitgehend zufrieden zu sein. Auch das Ausmaß dessen, was geboten wird, scheint zu genügen: Lediglich ein Drittel der Befragten wünscht sich einen höheren Stellenwert der Wissenschaftsberichte.

Kritik an den Medienberichten

Andererseits entspricht die Qualität der Berichterstattung nur teilweise ihren Erwartungen (Abbildung 4). So sind für die Österreicher Verständlichkeit, Nützlichkeit der Information, persönliche Betroffenheit und die berichteten Themen die entscheidenden Kriterien für die Nutzung von wissenschaftlicher Information, wobei sie darüber hinaus – mehr als alle anderen EU-Bürger – dem Unterhaltungswert der Information eine nicht zu unterschätzende Bedeutung einräumen (22 gegenuber 9 Prozent).

Allerdings empfinden über die Hälfte der Österreicher (56 bzw. 57 Prozent) wissenschaftliche Beiträge als schwer verständlich und in einem noch höheren Ausmaß (61 Prozent) als zu weit entfernt von den eigenen Bedürfnissen.

Ferner glauben mehr als die Hälfte der Österreicher, dass europäische oder internationale Forschung in den Medienberichten überrepräsentiert ist. Für 57 Prozent sind diese Berichte schließlich auch zu wenig unterhaltend.

WissenschaftsberichterstattungAbbildung 4. Wichtigste Eigenschaften der Wissenschaftsberichterstattung (Quelle: Special EUROBAROMETER 282. 2007 (QB7a,b; Stufe 1+2); Daten für Österreich)

Immerhin entspricht das gebotene Themenspektrum den Vorstellungen von 58 Prozent der Österreicher, und mehr als die Hälfte erachten die Informationen sogar als nützlich.

Wer soll wissenschaftliche Themen präsentieren?

Die Mehrheit der Österreicher (36 Prozent) wünscht sich eine gemeinsame Präsentation durch Wissenschaftler und Journalisten. Wenn dies nicht möglich ist, werden Wissenschaftler gegenüber Journalisten bevorzugt (24 gegenuber 13 Prozent), begründet durch deren höhere Glaubwürdigkeit, Präzision und Objektivität (Abbildung 5).

PräsentatorAbbildung 5. Wer sollte Wissenschaftsberichte präsentieren? (Daten für Österreich; Special Eurobarometer: 282.207 (QB4) und 340.210 (QC5)

Die Umfrage verweist also auf eine prekäre Situation: Wissenschaftler genießen zwar einen guten Ruf, können aber offenbar nur selten die richtigen Worte finden, um mit einem breiteren Publikum zu kommunizieren (siehe Abbildung 4: Verständlichkeit). Journalisten gelingt es zwar zu einem gewissen Grad, relevante und als nützlich empfundene Themen aufzugreifen, aber es gelingt nicht, sie so spannend zu präsentieren, dass zumindest die an wissenschaftlichen Informationen Interessierten ihre Suche nach Wissen intensivieren möchten, geschweige denn, dass ihre Zahl erweitert und zumindest an ein europäisches Durchschnittsmaß herangeführt werden kann.

Fazit

Unterm Strich bleibt das Ziel jedweder Kommunikation über weite Strecken unerreicht: Betroffenheit. Damit können wissenschaftliche Erkenntnisse und Überlegungen oft nicht auf die Bedürfnisse der Menschen bezogen, nicht in ihren Lebenszusammenhang integriert werden.


Anmerkungen der Redaktion

Der vorliegende Text basiert auf dem Artikel: Josef Seethaler & Helmut Denk: Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Wissenschaft in Österreich. ORF-Schriftenreihe "Texte 5- Öffentlich-rechtliche Qualität im Diskurs (2012). (PDF-DOwnload; zuletzt abgerufen am 8.10.2013).

Auf Grund der Länge dieses Artikels und der Absicht diesen ungekürzt zu bringen und zusätzlich mit Illustrationen versehen zu bringen, erscheint dieser in 2 Teilen. Teil 2: ›Wissenschaftskommunikation in Österreich und die Rolle der Medien. Was sollte verändert werden?‹ erscheint in Kürze.

Literaturzitate zu beiden Teilen sind unter der angegebenen Quelle zu finden. Die Illustrationen basieren auf „Special Eurobarometer“ Umfragen.

Weiterführende Links

Special Eurobarometer: Science and Technology Report (2010), 163 p (PDF-Download)

Bisher im ScienceBlog erschienene Artikel zum Thema Wissenschaftskommunikation: