Von ägyptischen Katzenmumien zu modernen Haustieren

Fr, 22.11.2024 — Redaktion

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Um Einblicke in die bereits sehr lange Beziehung zwischen Katzen und Menschen zu gewinnen, analysiert das EU-finanzierte Projekt FELIX archäologische Proben von Katzen, die aus der Zeitspanne von vor 10 000 Jahren bis hin zum 18. und 19. Jahrhundert und von archäologischen Stätten in Europa, dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika stammen. Das Projekt konzentriert sich dabei auf drei fundamentale Bereiche, die stark vom Vorgang der Domestizierung beeinflusst werden: Auf Genome, Ernährung und Mikroorganismen. Die Arbeit von FELIX wird einen neuen Blickwinkel auf die Debatte über die Domestizierung von Tieren und die einzigartigen biologischen und ökologischen Besonderheiten bieten, die die Domestizierung von Katzen prägten.*

Egal ob verehrtes Symbol antiker Zivilisationen, Schädlingsbekämpfung auf vier Beinen oder Lieblingshaustier – unsere Verbindung zur Hauskatze reicht viele tausend Jahre zurück. Trotz dieser langen Beziehung ist jedoch nur sehr wenig darüber bekannt, welche biologischen und kulturellen Entwicklungen hinter dem Aufkommen der Interaktionen zwischen Katze und Mensch im Laufe der Zeit stehen.

Diese Wissenslücke soll nun vom EU-finanzierten Projekt FELIX [1, 2] geschlossen werden, indem mittels modernster bioarchäologischer Methoden die Überreste von mehr als 800 Katzen vergangener Zeiten untersucht werden. Die Proben stammen aus dem Zeitraum von vor 10 000 Jahren bis ins 18. und 19. Jahrhundert. Sie wurden aus archäologischen Stätten in Europa, dem Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika entnommen. Das 2021 begonnene, von der Universität Tor Vergata in Rom koordinierte Projekt wir bis 31. März 2026 dauern.

Katzenbesitzer, die mit der rätselhaften und unabhängigen Natur ihrer geliebten Haustiere vertraut sind, wird es wahrscheinlich nicht überraschen, dass Wissenschaftler herausgefunden haben, dass der Domestikationsprozess von Katzen im Vergleich zu anderen Tieren recht ungewöhnlich verlaufen ist.

"Katzen sind in gewisser Weise wirklich seltsam, weil sie sich stark an den Menschen angepasst haben, ohne dabei ihr Wesen wirklich zu verändern", sagt Dr. Claudio Ottoni, Paläogenetiker von der Universität Tor Vergata in Rom. "Selbst körperlich unterscheiden sich Wildkatzen und Hauskatzen nicht sehr. Katzen waren in der Evolution sehr erfolgreich und haben sich sehr gut an die menschliche Nische angepasst, was faszinierend ist."

Antike DNA

Ottoni, der mit Hilfe alter DNA die Vergangenheit von menschlichen und tierischen Populationen rekonstruiert, leitet das EU Projekt Felix. Das internationale Forschungsteam, dem führende Experten für Paläontologie, Archäozoologie und Molekularbiologie aus Museen und akademischen Instituten in ganz Europa angehören, analysiert über 1 300 archäologische Proben von Katzen aus einigen der wichtigsten Museumssammlungen.

Durch die Extraktion der genetischen Daten aus diesen alten Überresten von Katzen wollen die Forscher die einzigartigen biologischen und umweltbedingten Einflüsse rekonstruieren, welche die Domestizierung der Katze geprägt haben, und das Auftreten von Hauskatzen auf der ganzen Welt nachverfolgen.

Hightech-Analyse

Um das Risiko einer DNA-Kontamination zu minimieren, arbeiten die Forscher in spezialisierten Einrichtungen und testen Katzenproben mit modernsten molekularbiologischen Techniken, die es ihnen ermöglichen, genetische Informationen zu extrahieren und zu analysieren.

Winzige Knochen- und Zahnfragmente werden zu einigen Milligramm Pulver zermahlen, aus dem die DNA extrahiert und in "genomische Bibliotheken" umgewandelt wird - eine Sammlung sich überlappender DNA-Fragmente, die zusammen die gesamte genomische DNA eines einzelnen Organismus bilden. Die genetische Information wird dann mit Hilfe der leistungsstarken Next-Generation-Sequenzierung entschlüsselt - einer Gensequenzierungstechnologie, die es ermöglicht, große Datenmengen sehr schnell zu verarbeiten. Unterstützt werden die Forscher dabei von der Recheninfrastruktur des Cineca, einer der europäischen Großforschungseinrichtungen und einem der weltweit leistungsfähigsten Supercomputing-Dienstleister. Diese hochentwickelte Technologie ermöglicht es den Forschern, biologische Systeme auf einem bisher unerreichten Niveau zu untersuchen und wird es auch leichter machen, Muster genetischer Mutationen über die Zeit hin zu erkennen, die die verschiedenen Stadien der Domestizierung von Katzen anzeigen.

"Auf diese Weise können wir feststellen, ob ein alter Knochen zum Beispiel zu einer europäischen Wildkatze oder zu einer afrikanischen oder nahöstlichen Wildkatze gehört, die der Vorfahre der modernen Hauskatze ist", sagt Ottoni.

Fischen nach Hinweisen

Die Forscher setzen auch ausgefeilte Techniken ein, die auf der chemischen Analyse von Kollagen, dem am häufigsten vorkommenden Protein in Knochen, basieren, um zu untersuchen, wie sich die Ernährung der Katzen im Laufe der Zeit entwickelt hat. Wann haben sie zum Beispiel begonnen, Fisch zu fressen, weil die Fischer sie mit den Resten ihres Fangs fütterten? So kann man sich ein Bild davon machen, wie sich die Domestizierung der Katze entwickelt hat.

Abbildung 1: . Ägyptische Katzenmumien könnten neue Informationen über die Abstammung unserer Katzen-Partner liefern. ©Andrea Izzotti, Shutterstock.com

Auf Grund der weitverbreiteten Ikonographie von Katzen und der Entdeckung von Katzenmumien (Abbildung 1), die als Opfergaben für die Götter gedacht waren, haben Wissenschafter über lange Zeit geglaubt, dass die Domestizierung der Katze im alten Ägypten ihren Ausgang genommen hat. Die Entdeckung der antiken Grabstätte eines jungen Mannes und einer Katze auf Zypern - im neolithischen Dorf Shillourokambos - im Jahr 2004 deutete jedoch darauf hin, dass Katzen bereits vor 11 000 Jahren domestiziert worden sein könnten.

Die von Ottoni und seinen Kollegen durchgeführte DNA-Analyse hofft, dieses Geheimnis zu lüften. Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verbindung zwischen den europäischen Hauskatzen und den Menschen in Nordafrika begann und möglicherweise mit den Römern, die über das Mittelmeer Handel trieben, nach Europa kam.

"Wenn alles vor etwa 10 000 Jahren begonnen hat, würden wir erwarten, dass die Katzen bald darauf nach Europa gebracht wurden, so wie es bei Schweinen und anderen Haustieren finden", sagt Ottoni. "Unsere DNA-Analyse zeigt jedoch, dass die Katzen in Europa noch Wildkatzen waren und erst viel später, vor etwa 2 500 Jahren, genetisch von der domestizierten Katzenart abstammen."

Wie diese verschiedenen Zentren der Katzendomestikation zusammenwirkten, kann jedoch erst geklärt werden, wenn die Analyse des Genoms der alten Katzen - des Bauplans, der alle Informationen über Wachstum, Entwicklung und Funktion eines Organismus enthält - abgeschlossen ist.

Das geheime Leben der Katzenmumien

In den letzten zwei Jahren der Studie werden die Forscher die genetischen Geheimnisse ihrer großen Sammlung ägyptischer Katzenmumien entschlüsseln. Sie wollen die DNA dieser Katzen mit der DNA moderner Hauskatzen und mit der DNA von antiken Katzenresten vergleichen, die bereits in Europa analysiert wurden.

Das Forscherteam wird mit ägyptischen Katzenmumien arbeiten, die aus verschiedenen Sammlungen in ganz Europa stammen, darunter aus dem Naturhistorischen Museum in Wien, dem Musée des Confluences in Lyon, dem Natural History Museum und dem British Museum in London sowie dem Naturhistorischen Museum in Warschau.

Professor Wim Van Neer, ein renommierter belgischer Archäo-Zoologe am Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften in Brüssel, ist eng in diesen Teil der Forschung eingebunden. Er hat selbst Katzenmumien in Ägypten ausgegraben und verfügt über praktische Erfahrungen, die in seine Forschung einfließen. Abbildung 2.

Abbildung 2: Professor Wim van Neer analysiert Schädel von Katzenmumien aus den Gräbern von Beni Hassan in Ägypten. © Bea De Cupere, RBINS

"Als ich sechs vollständige Katzenskelette in einem 6 000 Jahre alten ägyptischen Grab ausgrub, konnte ich zeigen, dass diese Tiere zwar gezähmt, aber nicht vollständig domestiziert waren", so van Neer. "Diese Funde liegen mehr als 2 000 Jahre vor den frühesten Nachweisen von Hauskatzen im pharaonischen Ägypten. Ich frage mich immer noch, ob diese frühen Versuche, Katzen zu kontrollieren, schließlich zur Domestizierung führten."

Eine der Herausforderungen für die Forscher ist die mögliche Beschädigung der DNA durch den Mumifizierungsprozess. Van Neer hofft, dass die hochentwickelte Sequenzierungstechnologie, die ihnen jetzt zur Verfügung steht, dazu beitragen wird, diese potenzielle Hürde zu überwinden und weitere Einzelheiten über die faszinierende Reise der Hauskatze vom Wildtier zum Couch-Begleiter zu enthüllen.

"Ich sehe, wie viel die Menschen über ihre Katzen wissen wollen. Dieses Projekt wirft ein Licht darauf, wie die Beziehung des Menschen zur Katze begann - und wo", so Ottoni.


[1] EU-Projekt: Genomes, food and microorganisms in the (pre)history of cat-human interactions. https://cordis.europa.eu/project/id/101002811/de DOI  10.3030/101002811

[2] Neue Erkenntnisse über den zweitbesten Freund des Menschen: https://cordis.europa.eu/article/id/445553-gaining-new-insight-into-man-s-second-best-friend/de


* Dieser Artikel wurde ursprünglich am 31. Oktober 2024 von Ali Jones in Horizon, the EU Research and Innovation Magazine unter dem Titel "Tracing the journey from Egyptian cat mummies to modern house pets" - "https://projects.research-and-innovation.ec.europa.eu/en/horizon-magazine/tracing-journey-egyptian-cat-mummies-modern-house-pets" - publiziert. Der unter einer cc-by-Lizenz stehende Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzt und durch einige Sätze aus der Homepage des Projekts ergänzt.


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