Einstellung der EU-Bürger zur Umwelt - Special Eurobarometer 550 Report

So, 23.06.2024 — Redaktion

Redaktion

Icon Politik & Gesellschaft Im Abstand von wenigen Jahren gibt die EU-Kommission repräsentative Umfragen in Auftrag, welche die Einstellung der EU-Bürger zur Umwelt ermitteln sollen. Die jüngste Umfrage wurde im Frühjahr 2024 durchgeführt; deren Ergebnisse sind nun im Report "Special Eurobarometer 550"am 29. Mai 2024 erschienen. Wie auch in den vergangenen Jahren ist dem überwiegenden Großteil der Bürger bewusst, dass Umweltprobleme direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben und die Gesundheit haben, die einzelnen Länder differieren aber in ihren Ansichten über die die prioritären Maßnahmen zur Bewältigung der Umweltprobleme, über die problematischsten Schadstoffe und Abfallprodukte in ihren Regionen und deren Vermeidung und über die Rolle der EU und der einzelnen Staaten in der Umweltpolitik. In diesem Überblick werden den Ergebnissen über die EU-Bürger (im EU27- Mittel) die über die Österreicher (und auch die Deutschen) erhobenen Daten gegenüber gestellt.

Die jüngste Umfrage zur Einstellung der EU-Bürger gegenüber der Umwelt wurde im Zeitraum 6. März bis 8. April 2024 abgehalten, wobei insgesamt 26 346 Personen aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten - rund 1000 Personen je Mitgliedsland - befragt wurden [1]. Wie üblich waren dies vorwiegend persönliche (face to face) Interviews mit Personen ab 15 Jahren aus unterschiedlichen sozialen und demographischen Gruppen, die in deren Heim und in ihrer Muttersprache stattfanden. Insgesamt 17 Fragen (QB1 - QB17; einige davon auch schon zum wiederholten Male) wurden zu folgenden Themen gestellt:

  • Generelle Ansichten zu Umweltfragen und zu effektiven Wegen Umweltprobleme in den Griff zu bekommen.
  • Einstellung zu Umweltpolitik und Gesetzgebung (Rolle der EU und der öffentlichen Hand).
  • Grüne- und Kreislaufwirtschaft (Abfall, Abfallvermeidung, Nachhaltigkeit).
  • Gefährliche Chemikalien (mit Fokus auf "Ewigkeitschemikalien" - PFAS).
  • Gefahren, die in Zusammenhang mit dem Wasser in den jeweiligen Ländern stehen.

Generelle Einstellungen zu Umweltproblemen und zu ihrer Lösung

Abbildung 1. Der überwiegende Anteil der EU-Bürger fühlt sich durch die Auswirkungen von Umweltproblemen bedroht. (Quelle: QB1 in Report Special Eurobarometer 550 [1]).

Wie auch schon in vorhergegangenen Umfragen zeigte sich eine überwältigende Mehrheit der EU-Bürger - im EU27 Schnitt 78 % - besorgt über die zunehmenden Umweltprobleme und deren Auswirkungen auf Leben und Gesundheit. Abbildung 1.

Auffällig dabei ist ein starkes Nord-Süd-Gefälle: die südeuropäischen Länder fühlen sich ungleich stärker bedroht als die nordeuropäischen Staaten. (Siehe dazu im Vergleich die Ergebnisse aus 2017 [2].)

Lösung von Umweltproblemen: In der Frage, wie man diese am effektivsten lösen kann, differieren die EU-Bürger in der Wahl der Vorgehensweisen. Zur Auswahl wurden 8 Alternativen gestellt, die nach der  Reihung der EU27-Ergebnisse  angeführt sind:

  1. Förderung der Kreislaufwirtschaft durch Reduzierung/Vermeidung von Abfall und Wiederverwendung oder Recycling von Produkten (Nummer 1 in 14 Mitgliedsstaaten - darunter Österreich und Deutschland  (17 %)
  2. Wiederherstellung der Natur - Renaturierung (wurde in 6 Staaten als prioritär angesehen)
  3. Einhaltung des Umweltrechts (prioritär in 4 Staaten)
  4. Erhöhte Garantie, dass auf dem EU-Markt verkaufte Produkte nicht zur Schädigung der Umwelt beitragen (prioritär in 3 Staaten)
  5. Ivestitionen in Forschung und Entwicklung, um beste technische Lösungen zu finden (Nummer 1 in Schweden und Dänemark)
  6. Bereitstellung von mehr Informationen/Bildung zu Umweltfreundlichkeit (Nummer 1 in Luxemburg).
  7. Höhere Besteuerung umweltschädlicher Aktivitäten
  8. Abschaffung staatlicher Subventionen für Umwelt verschmutzende Aktivitäten.

Abbildung 2. Maßnahmen zur Bewältigung von Umweltproblemen. Zustimmung in Österreich und Deutschland im Vergleich zum EU27-Schnitt. Die ausführliche Bezeichnungen der Maßnahmen sind im Text oben nachzulesen. (Grafik erstellt aus den Daten von QB2a in Report Special Eurobarometer 550 [1]).

Die Akzeptanz der Vorgehensweisen ist für Österreich und Deutschland im Vergleich zu den EU27 in Abbildung 2 dargestellt.

In beiden Ländern ist mit 20 % die Zustimmung zur Kreislaufwirtschaft höher als im EU27-Schnitt. Die Renaturierung liegt in Deutschland mit 19 % knapp dahinter, in Österreich mit 13 % erst an dritter Stelle. Interessanterweise halten 17 EU-Länder Renaturierung für eine wirksamere Maßnahme als Österreich. Noch weniger Zuspruch als in Österreich  gibt es in Schweden (6 %), Finnland (6 %), Polen (8 %) und Italien (10 %) - Länder, die am 19, Juni gegen das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt haben.

Einstellungen zur Umweltpolitik

EU-Umweltgesetze (QB3): Nahezu identisch mit den Umfrageergebnissen der letzten Jahre stimmt auch nun der überwiegende Teil der EU-Bürger zu, dass EU-Umweltgesetze für den Umweltschutz in ihrem Land notwendig sind: im EU27-Schnitt und ebenso in Deutschland sind 84 % dafür, 13 % dagegen, in Österreich ist die Zustimmung mit 76 % niedriger, die Ablehnung mit 21 % höher.

Auch die Frage, ob die EU Nicht-EU-Ländern helfen sollte deren Umweltstandards zu erhöhen, stößt auf breite Zustimmung: 80 % im EU27-Schnitt und praktisch gleich viel in Österreich und Deutschland. (Siehe dazu auch [3]).

Welche Rolle kommt nun der EU im Schutz der Natur zu - welche Maßnahmen werden als prioritär erachtet (QB13)? Die Zustimmung im EU27-Schnitt zu den 5 zur Auswahl stehenden Maßnahmen hat zu folgender Reihung geführt:

  1. Stärkung der Naturschutzbestimmungen und Sicherstellung, dass sie beachtet werden (24%)
  2. Sicherstellung des Naturschutzes bei der Planung von neuen Entwicklungen oder Infrastrukturen (22 %) ex aequo mit: Wiederherstellung der Natur - Kompensation von durch menschliche Aktivitäten verursachten Schäden (22 %)
  3. Bessere Information der Bürger über die Bedeutung der Natur (16%)
  4. Ausdehnung der Naturschutzgebiete (15 %)

Wer kommt für die Beseitigung von Umweltverschmutzung auf (QB4)? Wer trägt die Kosten? Wird die Frage in Zusammenhang mit der Industrie gestellt, so sind in fast allen EU-Ländern mehr als 90 % der Befragten der Meinung, dass diese für die Beseitigung der von ihr verursachten Verschmutzung aufkommen muss.

Wird die Frage generell gestellt, so gehen die Meinungen weit auseinander. Im EU27-Mittel befürworten 74 %, dass die öffentliche Hand dies tun sollte, dabei variiert die Zustimmung von 89 % (Kroatien, Malta) bis 44 % (Finnland); in Österreich sind es 71 %, in Deutschland 56 %.

Der Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft

Abbildung 3. QB8. Sind Sie bereit beim Kauf von Produkten wie Möbel, Textilien, Elektronik-Geräten mehr zu bezahlen, wenn diese leichter reparierbar, recycelbar und/oder umweltverträglicher hergestellt werden? (Grafik aus Infographic zu Report Special Eurobarometer 550 [1]).

Generell besteht die Bereitschaft zu einem nachhaltigeren Verbraucherverhalten (QB8), wobei im EU27-Schnitt 59 % (in Deutschland 68 %, in Österreich 52 %) der Befragten bereit sind, mehr für nachhaltige Produkte zu zahlen, die leichter zu reparieren, recycelbar und/oder auf umweltverträgliche Weise hergestellt sind. Am höchsten ist die Zustimmung in den Skandinavischen Ländern (77 -86 %), am niedrigsten in osteuropäischen Ländern und insbesondere Portugal (41 %). Abbildung 3.

Im Rahmen einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft unterstützen die EU-Bürger die Verringerung der Abfallmenge, indem sie ihre Abfälle für das Recycling richtig sortieren und wiederverwendbare Verpackungen verwenden (QB6). Darüber hinaus würde fast die Hälfte der Befragten zur Verringerung des Abfalls in erster Linie Produkte kaufen, die nicht mehr Verpackung als nötig haben, und über 40 % würden in erster Linie Produkte in recycelten Verpackungen kaufen.

Welche Abfälle werden als besonders problematisch gesehen? (QB7a) In allen EU-Ländern werden Kunststoff- und Chemieabfälle als die problematischsten Abfälle angesehen. In keinem EU-Land werden die anderen Arten von Müll an erster Stelle genannt. Am Wenigsten werden Textilabfälle als Problem gesehen. Abbildung 4.

Abbildung 4. Problematischster Abfall in Österreich und Deutschland im Vergleich zum EU27-Schnitt. (Grafik erstellt aus den Daten von QB7a in Report Special Eurobarometer 550 [1]).

Bewusstsein für die Auswirkungen von schädlichen Chemikalien

Rund vier von fünf Befragten (EU-weit: 84 %, Österreich 79 %, Deutschland 82 %) machen sich Sorgen über die Auswirkungen schädlicher Chemikalien in Alltagsprodukten - beispielsweise in Pfannen, Spielsachen, Reinigungsmitteln - auf ihre Gesundheit; ein etwa gleicher Anteil (EU-weit: 84 %, Österreich 80 %, Deutschland 83 %)macht sich Sorgen über die Auswirkungen solcher Chemikalien auf die Umwelt (QB10). Seit der Umfrage von 2019 sind diese Sorgen fast unverändert hoch geblieben.

Sowohl in Hinblick auf die Auswirkungen auf die Gesundheit als auch auf die Umwelt ist die Mehrzahl der Befragten (EU-weit 52 %, Österreich 42 %, Deutschland 59 %) der Ansicht, dass der Schutz vor gefährlichen Chemikalien in der EU zu gering ist und verbessert werden sollte (QB9). EU-weit sagen 72 % der Europäer (76 % der Österreicher und 75 % der Deutschen), dass sie beim Kauf von Produkten auf deren chemische Sicherheit achten.

Besonderer Fokus auf Ewigkeitsmoleküle PFAS (per-und polyfluorierte Kohlenstoffverbindungen) QB11. QB12. Auf Grund ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Verbindungen aller Art, Hitze und Wasser sind PFAS in industriellen Anwendungen nahezu unentbehrlich geworden- die Kehrseite ist eine enorm hohe Persistenz gegenüber natürlichen Abbaumechanismen und damit eine fortschreitende Akkumulation in Umwelt und auch in unseren Körpern und als Folge gravierende Auswirkungen auf Natur und Gesundheit. Trotz der stark zunehmenden Information über diese Chemikalien geben im EU27 Schnitt nur 29 % der Befragten (25 % der Österreicher, 29 % der Deutschen) an bereits von PFAS gehört zu haben - nur nordeuropäische Staaten sind offensichtlich gut informiert (Schweden, Dänemark, Niederlande > 80 %).

Nachdem ihnen die Bedeutung von PFAS erläutert worden war, äußerten die Befragten große Besorgnis über die Auswirkungen dieser Verbindungen auf die Gesundheit (EU27: 88 %, Österreich 92 %, Deutschland 88 %) und auf die Umwelt (EU27: 92 %. Österreich 92 %, Deutschland 93 %).

Vom Wassser ausgehende Probleme in den jeweiligen Ländern

Wie hoch ist das Bewusstsein der EU-Bürger für Bedrohungen, die in ihren Ländern vom Wasser ausgehen? (QB14). In dieser Frage fühlen sich EU-weit 51 % der Bürger (56 % Österreich, 48 % Deutschland) gut informiert was Probleme wie Verschmutzung, Überflutungen, Trockenheit und ineffiziente Wassernutzung in ihren Ländern betrifft. Ein fast gleich hoher Anteil (EU27: 48 %) fühlt sich dagegen schlecht informiert.

Abbildung 5. Größte vom Wasser ausgehende Bedrohungen im EU27-Schnitt und in Österreich und Deutschland Problematischster Abfall in Österreich und Deutschland im Vergleich zum EU27-Schnitt. (Grafik erstellt aus den Daten von QB15a in Report Special Eurobarometer 550 [1]).

QB15a. Was sind die größten vom Wasser ausgehenden Bedrohungen im eigenen Land? Insgesamt gesehen nannten EU27-weit die Befragten in erster Linie die Verschmutzung, gefolgt von übermäßigem Verbrauch und Wasserverschwendung (Abbildung 5). In weiterer Folge zeigten sich aber Regionen -spezifische Unterschide - Trockenheit in Spanien, Portugal, Zypern; Hochwässer in Belgien, Dänemark; Algen in Finnland.

QB16. Die Frage, ob die nationalen Akteure in Industrie, Energieerzeugung, Tourismus, öffentlicher Verwaltung, Haushalten, Landwirtschaft und Fischereibetrieben derzeit genug tun, um Wasser effizient zu nutzen, verneinte die Mehrheit der Befragten - keiner der Akteure würde genügend tun.

QB17.Die Frage, ob die EU zusätzliche Maßnahmen vorschlagen sollte, um wasserbezogene Probleme in Europa zu lösen, bejahten imEU27-Schnitt mehr als drei Viertel (78 %) der Europäer, wobei die Zustimmungen zwischen 57 % (Estland) und 91 % (Malta) variierten. In Österreich gab es 62 % Ja-Stimmen in Deutschland 81 %.

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Fazit

Fazit Gegenüber den vorhergegangenen Reports ist der aktuelle Report (nicht nur in Hinblick auf das Volumen) mager ausgefallen. Viele Fragen wurden - ident oder leicht verändert - schon wiederholt gestellt und haben zu ähnlichen Ergebnissen geführt.

In den Maßnahmen zur Lösung von Umweltproblemen steht nun neu die Wiederherstellung der Natur. Trotz ihrer breiten Publicity haben die EU-Bürger diese Maßnahme nicht als First Choice gereiht (diese blieb - wie schon in der letzten Umfrage die Kreislaufwirtschaft). In Österreich steht die Renaturierung an dritter Stelle, in Ländern wie Schweden, Finnland, Italien und Polen an letzter/vorletzter Stelle.

Neu hinzu gekommen zu den Umwelt/Gesundheit schädigenden Chemikalien sind die "Ewigkeitsmoleküle " PFAS. Hier ist noch massive Aufklärung notwendig: im EU27 Schnitt geben nur 29 % der Befragten bereits von PFAS gehört zu haben und sind dann - nach Aufklärung - über deren Auswirkungen schwer betroffen.

Mehr Information ist vor allem aber auch bei den Bedrohungen erforderlich, die in den einzelnen Ländern vom Wasser ausgehen - 48 % der EU-27 fühlen sich über die Situation im eigenen Land schlecht informiert. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt. Auf nationaler Ebene macht der Großteil der heimischen Akteure - von Industrie über Verwaltung bis hin zu den Haushalten - zu wenig um Wasser effizient zu nutzen.


[1]  Special Eurobarometer 550: Attitudes of Europeans towards Environment SP550 Report_en-3.pdf. 29. Mai 2024. https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/3173 . Plus Links zu Infographics:

  • Attitudes of Europeans towards the Environment - Infographics
  • Attitudes of Europeans towards the Environment - What EU citizens have to say about water - Infographics.

[2] Inge Schuster, 16.11.2017.: Einstellung der EU-Bürger zur Umwelt (Teil 1) – Ergebnisse der ›Special Eurobarometer 468‹ Umfrage.

[3] Inge Schuster, 23.11.2027: EU-Bürger, Industrien, Regierungen und die Europäische Union in SachenUmweltschutz - Ergebnisse der Special Eurobarometer 468 Umfrage (Teil 2)


PFAS im ScienceBlog:

Inge Schuster, 04.04.2024: Ewigkeitsmoleküle - die Natur kann mit Fluorkohlenstoff-Verbindungen wenig anfangen.