Do, 24.03.2022 — IIASA
Bergregionen besitzen ein großes Potenzial für Wasserkraft, das mit herkömmlichen Technologien nicht ausreichend effizient genutzt werden kann. Ein internationales Team um den IIASA-Forscher Julian Hunt hat auf der Basis von Elektro-Lkw eine innovative Wasserkrafttechnologie entwickelt, die eine flexible und saubere Lösung für die Stromerzeugung in Bergregionen bieten könnte. Dazu soll in großen Höhen Wasser aus Gebirgsbächen in Vorratsbehälter gefüllt, den steilen Berg hinunter transportiert, die potentielle Energie des Wassers mit den Rekuperationsbremsen der Elektro-Lkw in Strom umgewandelt und in der Batterie des Lkw gespeichert werden.*
Beim Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft wird die Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen. Trotz ihres Potenzials erfolgten Innovationen in der Wasserkrafttechnologie im letzten Jahrhundert langsam. Herkömmliche Verfahren setzen heute auf zwei miteinander verbundene Stauseen mit unterschiedlichen Wasserständen, in denen die potentielle Energie des Wassers in Strom umgewandelt wird. Abbildung 1, links.
Elektro-Lkw-Wasserkraft…
In steilen Gebirgsgegenden ist das Potenzial zur Stromerzeugung aus einem kleinen Wasserlauf hoch, jedoch bleibt das Wasserkraftpotenzial dieser Regionen ungenutzt, da es Speicherbecken benötigt, die ökologische und soziale Auswirkungen haben. Der IIASA-Forscher Julian Hunt und ein internationales Forscherteam haben eine neue Technologie namens Electric Truck Hydropower (ETH, Elektro-Lkw-Wasserkraft) entwickelt, die zu einer Schlüsselmethode für die Stromerzeugung in steilen Bergregionen werden könnte. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal Energy veröffentlicht [1].
Abbildung 1. Wasserkraft in steilen Bergregionen. Links: Konventionelle Wasserkraft im steilen Gebirge. Wasser- und Pumpspeicherkraftwerk Kaprun in Österreich. Die Anlage besteht aus hohen Staumauern und Stollen zur Vergrößerung des Einzugsgebietes der Anlage und zur Verbindung mit der Salzach und dem Zeller See. Rechts oben: Schematische Beschreibung des ETH-Systems, bei dem der leere LKW den Berg hinauffährt, um die mit Wasser gefüllten Behälter an der Ladestelle abzuholen, und der LKW mit dem vollen Behälter den Berg hinunterfährt, um Strom zu erzeugen. Das Wasser wird dann an der Einleitungsstelle entladen. Rechts unten: Luftbild des ETH-Systems im Vergleich zu einem bestehenden Wasserkraftprojekt, das die Flexibilität von ETH-Systemen unterstreicht. (Bild: Fig.1 und 2 plus Legenden aus Julian Hunt et al., 2022 [1]von der Redn. eingefügt. Lizenz cc-by) |
Elektro-Lkw-Wasserkraft würde die vorhandene Straßeninfrastruktur nutzen, um Wasser in Containern den Berg hinunter zu transportieren, die rekuperativen Bremsen des Elektro-Lkw zu betätigen, um die potenzielle Energie des Wassers in Strom umzuwandeln und die Batterie des Lkw aufzuladen. Die erzeugte Energie könnte dann in das Netz eingespeist oder vom Lkw selbst zum Transport anderer Güter verwendet werden. Elektro-Lkw-Wasserkraft könnte auch in Kombination mit Solar- und Windressourcen Strom erzeugen oder Energiespeicherdienste für das Netz bereitstellen. Abbildung 1, rechts.
„Die ideale Systemkonfiguration ist in Bergregionen mit steilen Straßen, wo die gleichen Elektro-Lkw zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft an verschiedenen Orten eingesetzt werden können. Das erhöht die Chancen, dass Wasser zur Verfügung steht“, sagt Hunt.
…mit anderen erneuerbaren Technologien konkurrenzfähig…
Die vorgeschlagene Technologie ist eine innovative, saubere Stromquelle, die mit Solar-, Wind- und konventioneller Wasserkraft konkurrenzfähig ist. Kostenschätzungen zeigen, dass die Gestehungskosten für Elektro-Lkw-Wasserkraft 30 - 100 US-Dollar pro MWh betragen, was erheblich billiger ist als herkömmliche Wasserkraft mit 50 - 200 US-Dollar pro MWh. Abbildung 2.
Abbildung 2. Globales Potential für Elektro-Lkw-Wasserkraft (ETH). Oben: Maximales ETH-Potenzial in den einzelnen Regionen. Unten: Kosten von ETH versus Potential der mittels ETH produzierten Energie Produktion. (Bild: Ausschnitte aus Fig.4 plus Legenden aus Julian Hunt et al., 2022 [1]von der Redn. eingefügt. Lizenz cc-by.) |
…und mit geringeren Auswirkungen auf die Umwelt
Auch die Auswirkungen von Elektro-LKW-Wasserkraft auf die Umwelt sind deutlich geringer als die von konventioneller Wasserkraft.
„Diese Technologie erfordert keine Staumauern, Stauseen oder Stollen und stört nicht die natürliche Strömung des Flusses und die Fischwanderung. Das System benötigt nur bereits vorhandene Straßen, Lade- und Entladestationen ähnlich kleinen Parkplätzen, eine an das Stromnetz angeschlossene Batterieanlage und die Lkw“, erklärt Hunt.
In Hinblick auf die globale Reichweite dieser Technologie kam das Forscherteam zu der Abschätzung, dass Electric Truck Hydropower 1,2 PWh Strom pro Jahr erzeugen könnte, was etwa 4 % des weltweiten Energieverbrauchs im Jahr 2019 entspricht. Mit dieser Technologie könnte das bisher ungenutzte Potenzial für Wasserkraft auf steilen Bergketten genutzt werden. Die Regionen mit dem größten Potenzial sind der Himalaya und die Anden. Abbildung 2, oben.
„Aufgrund seiner hohen Flexibilität ist es eine interessante Alternative zur Stromerzeugung. Befindet sich ein Land beispielsweise in einer Energiekrise, kann es mehrere Elektro-Lkw kaufen, um Wasserkraft zu erzeugen. Sobald die Krise vorbei ist, können die Lastwagen für den Frachttransport eingesetzt werden“, schließt Hunt.
[1] Hunt, J., Jurasz, J., Zakeri, B., Nascimento, A., Cross, S., Schwengber ten Caten, C., de Jesus Pacheco, D., Pongpairoj, P., Leal Filho, W., Tomé, F., Senne, R., van Ruijven, B. (2022). Electric Truck Hydropower, a Flexible Solution to Hydropower in Mountainous Regions. Energy Journal DOI: 10.1016/j.energy.2022.123495
*Die Presseaussendung "Electric Truck Hydropower, a flexible solution to hydropower in mountainous regions" https://iiasa.ac.at/news/mar-2022/electric-truck-hydropower-flexible-solution-to-hydropower-in-mountainous-regions ist am 7.März 2022 auf der IIASA Website erschienen. Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und durch 3 Untertitel und zwei Abbildungen aus der zitierten Originalarbeit [1] ergänzt. IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung der von uns übersetzten Inhalte seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt.
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