Gürtelrose-Impfung: Wirksamkeit gegen Demenzerkrankungen auch in Australien nachgewiesen

Sa, 26.04.2025— Redaktion

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An Hand von sehr umfangreichen elektronischen Gesundheitsdaten aus Wales (UK) konnte kürzlich ein transdisziplinäres Team von Wirtschaftswissenschaftern und Medizinern in einem "Quasi-Experiment" zeigen, dass offensichtlich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Gürtelrose-Impfung und der Reduktion von Demenzerkrankungen besteht. Eine ähnliche "quasi-experimentelle Analyse" - nun basierend auf elektronischen Gesundheitsdaten aus Australien - ist am 23. April d.J. erschienen und bestätigt die Waliser Ergebnisse in einem anderen Volk und einem anderen Gesundheitssystem: Die Gürtelrose-Impfung dürfte Demenzerkrankungen weitaus stärker verhindern oder verzögern als die bislang angewandten Therapien.

Auswirkung der Zostavax Impfung in Wales.........

Vor drei Wochen ist eine aufsehenerregende Studie im Fachjournal Nature erschienen, welche die einzigartige Art und Weise, in der die Impfung gegen Gürtelrose (Zostavax) in Wales eingeführt wurde, nutzte, um überzeugend darzulegen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und der Reduktion von Demenzerkrankungen besteht [1].

Das Impfprogramm mit Zostavax - dem damals einzig verfügbaren abgeschwächten Lebendimpfstoff - war In Wales am 1. September 2013 eingeführt worden, wobei nur Personen zur Impfung zugelassen wurden, die an diesem Tag jünger als 80 Jahre (also nach dem 2. September 1933 geboren) waren. Knapp vor und nach diesem Stichtag gab es demnach - wie in einer randomisierten Placebo-kontrollierten klinischen Studie - gleichartig zusammengesetzte, äußerst ähnliche Kohorten von Geimpften und Nichtgeimpften, die nun ohne den in assoziierenden Beobachtungsstudien üblichen Bias von Herkunft, Bildung und sozialem Status auf das Auftreten von Demenzerkrankungen über eine Nachbeobachtungsperiode von 7 Jahren verglichen werden konnten. Die Studie nutzte dazu sogenannte Regressions-Diskontinuitäts (RD)-Analysen, in den Wirtschaftswissenschaften häufig angewandte Verfahren, um auf kausale Effekte zu testen. Diese zeigten eine große signifikante Diskontinuität in der Wahrscheinlichkeit, dass Geimpfte innerhalb der nächsten sieben Jahre an Demenz erkrankten: bezogen auf zur Impfung Berechtigte und Nichtberechtigte betrug dieser Sprung absolut 1,3 %, auf tatsächlich Geimpfte und Nichtgeimpfte bezogen waren es 3,5 %. Relativ zur Inzidenz der Erkrankungen entsprach dies rund 20 % der neuen Demenzdiagnosen.

Eine leicht verständliche Darstellung der Wales-Studie und ihrer Ergebnisse ist vor 2 Wochen im ScienceBlog erschienen und dazu auch ein Überblick zum Varicella-Zoster-Virus, das Windpocken auslöst und Nervengewebe infiziert, woraus sich Jahrzehnte später häufig eine Gürtelrose und möglicherweise auch neurodegenerative Erkrankungen entwickeln[2].

...........und in Australien

Eine sehr ähnliche Situation wie in Wales gab es auch in Australien. Hier wählte das Nationale Immunisierungsprogramm ebenfalls einen Stichtag, den 1. November 2016, ab dem die kostenlose Impfung mit der abgeschwächten Lebendvakzine Zostavax für 70 -79-Jährige, nicht aber für ältere Personen angeboten wurde, wobei Ärzte der Primärversorgung die Impfungen durchführten.

Pascal Geldsetzer (University Stanford), der auch an der Wales-Studie [1] federführend mitwirkte, und Kollegen wandten in ähnlicher Weise wie in Wales ein "Quasi-experimentelles Design" (dort als "natürliches Experiment" bezeichnet) an, um die Auswirkungen der Gürtelrose Impfung auf Demenzerkrankungen zu untersuchen [3]. Über eine Nachbeobachtungszeit von 7,4 Jahren verglichen sie mit Hilfe von Regressions-Diskontinuitäts -Analysen die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken von nahezu identisch zusammengesetzten Personengruppen - von solchen, die unmittelbar vor dem Stichtag 80 Jahre alt wurden und damit keinen Zugang zur Impfung erhielten und solchen, die unmittelbar nach dem Stichtag 80 wurden und damit berechtigt waren geimpft zu werden. Sie nutzten dazu Primärversorgungs-Daten der Gesundheitsinformatikplattform PenCS, die Forschern detaillierte elektronische Gesundheitsdaten (Diagnosen, Impfungen, andere Behandlungen der Gesundheitsversorgung, verschriebene Medikamente, sowie Geburtsdaten) landesweit von 65 Hausarztpraxen zur Verfügung stellt.

Wie die Studie ergab,

  • war bei den Impfberechtigten (d. h. bei den kurz nach dem 2. November 1936 Geborenen) die Wahrscheinlichkeit innerhalb von 7,4 Jahren eine neue Demenzdiagnose zu erhalten, statistisch signifikant um 1,8 Prozentpunkte (95% Konfidenzintervall: 0,4-3,3 Prozentpunkte; P = .01) niedriger, als bei den kurz vor dem 2. November 1936 Geborenen und daher Nichtberechtigten [3]. Der Unterschied (die Diskontinuität) war damit noch größer als in der Wales-Studie (siehe Abbildung 2 in [2]). Von einer Skalierung der Impfberechtigten auf tatsächlich Geimpfte und damit auf die relative Größe der Reduktion von Demenzdiagnosen (in Wales 20 %) nahmen die Forscher allerdings Abstand, da die Inanspruchnahme von präventiven Gesundheitsleistungen in Australien im Allgemeinen offenbar stark unterreportiert wird.
  • Anders als in der Wales-Studie konnte kein vergleichbarer Geschlechtsunterschied in der Wirkung auf Demenzen festgestellt werden. Dies könnte aber nach Meinung der Autoren auch an dem sehr breiten Konfidenzintervall (KI 95 %: -1,3 - 4,4 %; p==0,319) liegen
  • Wie auch in der Wales-Studie war der Effekt der Gürtelrose-Impfung auf Demenzerkrankungen spezifisch: Es wurden keinerlei Auswirkungen auf die Diagnosen von 15 anderen häufigen chronischen Erkrankungen oder Inanspruchnahmen von präventiven Gesundheitsleistungen beobachtet.

Schlussfolgerungen der Studienautoren

" In Verbindung mit den Resultaten eines ähnlichen Quasi-Experiments in Wales deuten die Ergebnisse unserer Studie darauf hin, dass die Gürtelrose-Impfung eine kostengünstige und lohnende Maßnahme ist, um die Belastung durch Demenzerkrankungen zu verringern.

Wir sind der Meinung, dass unsere Ergebnisse Investitionen in die weitere Forschung in diesem Bereich erfordern, einschließlich klinischer Studien, weiterer Replikationen in anderen Umfeldern, Bevölkerungsgruppen, und Gesundheitssystemen sowie mechanistischer Forschung."

Pomirchy M et al., 23.04.2025, JAMA [3]


[1] Eyting, M., Xie, M., Michalik, F., Hess S., Chung S. et Geldsetzer, P.. A natural experiment on the effect of herpes zoster vaccination on dementia. Nature (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-08800-x

[2] Redaktion, 09.04.2025: Die Impfung gegen Gürtelrose senkt das Risiko an Demenz zu erkranken.

[3] Pomirchy M, Bommer C, Pradella F, Michalik F, Peters R, Geldsetzer P. Herpes Zoster Vaccination and Dementia Occurrence. JAMA. Published online April 23, 2025. doi:10.1001/jama.2025.5013.