Pflanzen entfernen Luftschadstoffe in Innenräumen

Do, 05.09.2019 — Inge Schuster

vIcon BiologiePflanzen nehmen nicht nur CO2 und Wasser auf, wandeln diese via Photosynthese in Biomasse um und produzieren dabei den für uns essentiellen Sauerstoff, sie tragen auch zu unserem Wohlbefinden und unserer Produktivität bei. Für unser Leben, das wir zum Großteil in geschlossenen Räumen verbringen, ist eine weitere, bereits vor 30 Jahren von NASA-Forschern entdeckte Eigenschaft von enormer Bedeutung: bestimmte Zimmerpflanzen können gesundheitsschädliche Stoffe aus der Luft effizient entfernen. Es ist dies eine sehr wichtige, in vielen Details noch unverstandene Funktion, die lange unterschätzt wurde und erst in den letzten Jahren wieder in den Blickpunkt der Forschung rückt.

Wenn von Luftverschmutzung gesprochen wird, so ist in erster Linie von der Außenluft die Rede und von Emissionen, wie sie durch Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und viele andere menschliche Aktivitäten (aber auch durch natürliche Ereignisse wie etwa Vulkanismus) erzeugt werden. Allerdings hält sich der typische Mitteleuropäer nur einen kleinen Teil seines Lebens im Freien auf, verbringt dagegen im Durchschnitt rund 60 % der Zeit in der eigenen Wohnung und rund 30 % in anderen geschlossenen Räumen (Arbeitsplatz, Schulen, Verkehrsmittel, Gaststätten, Theater, etc.). Sofern in den Innenräumen keine zusätzlichen Schadstoffemissionen generiert werden, ist die Schadstoffbelastung mit der des Außenbereichs vergleichbar.

Tatsächlich gibt es aber zahlreiche Schadstoffquellen, welche die Belastung in Innenräumen um ein Vielfaches höher machen können als in der Außenluft. Beispielsweise können Möbel und Bauprodukte (wie Holzwerkstoffe, Holzschutzmittel, Farben, Lacke, Bodenbeläge, Wandverkleidungen, Klebstoffe, etc.) flüchtige Schadstoffe temporär und kontinuierlich freisetzen. Emissionen entstehen ebenso durch Wasch-, Putz-und Desinfektionsmittel, Körperpflegeprodukte, Sprays, beim Kochen und Heizen (vor allem durch offene Feuerstellen) und natürlich auch durch Tabakrauchen.

Von der Innenraumluft atmen wir - abhängig von Alter und Aktivität - täglich 10 bis 20 m3 ein; unsere Empfindlichkeit gegenüber Luftschadstoffen ist dabei individuell sehr verschieden. Die Reaktionen reichen von ziemlich unspezifischen Symptomen wie verringerter Leistungs-, Konzentrationsfähigkeit, Schlafstörungen über Reizungen der Schleimhäute des Atmungstrakts, Bindehautentzündungen, Beeinträchtigungen von Nerven- und Immunsystem, Asthma bis hin zu krebserregenden Auswirkungen. In Summe tragen diese Reaktionen zu einem als "sick building syndrome" bezeichneten Phänomen bei.

Schadstoffe in der Innenluft

Zu den häufigsten Schadstoffen in Innenräumen werden sogenannte "flüchtige organische Verbindungen" ("volatile organic compounds" - VOCs) gezählt. Auf den einfachsten Aldehyd - Formaldehyd - wird dabei auf Grund seiner hohen chemischen Reaktivität und seiner sehr weiten Verbreitung in Gegenständen des täglichen Bedarfs, Bauprodukten (Holzwerkstoffen, Polymeren) und Inneneinrichtungen gesondert eingegangen.

Unter der Abkürzung VOC wird eine Vielzahl organischer Verbindungen - Lösungsmittel, Reiz- und Geruchsstoffe und andere chemische Substanzen - zusammengefasst, die einen relativ niedrigen Siedepunkt haben und aus den unterschiedlichsten im Haushalt vorhandenen/verwendeten Materialien (s.o.) ausgasen. Darunter fallen:

  • aromatische Kohlenwasserstoffe wie u.a. Benzol, Toluol oder Styrol (in Bauprodukten, Inneneinrichtungen, Feuchteabdichtungen, Zigarettenrauch),
  • aliphatische Kohlenwasserstoffe wie z.B. Hexan, Heptan, Oktan, Undecan, etc. (als Verdünner, Klebstoffe, in Heizölen),
  • halogenierte Kohlenwasserstoffe - z.B. Tetrachlorethen (chem. Reinigung), Dichlorbenzol (Desinfektionsmittel, Mottenschutz), Perfluoroktansäure (Beschichtung von Outdoorkleidung)
  • Terpene als Lösungsmittel (Terpentinöl), Riechstoffe (Kampher), Duftstoffe (Limonen),
  • Ester, Alkohole, Ketone - z.B. Ethylacetat, Butylacetat (Bodenversiegelung), Isobutanol (als Lösungsmitel in Kunstharzlacken), Cyclohexanon, Benzophenon (Lösungsmittel für Lacksysteme),
  • Aldehyde - Reaktionsprodukte die z.B. aus Leinöl enthaltenden Materialien entstehen,
  • Siloxane - in speziellen Lacken für Möbeloberflächen.

Wie Messungen in deutschen Wohnungen ergeben haben, liegen Gesamtkonzentrationen an VOC im Mittel in der Größenordnung von einigen hundert Mikrogramm (Millionstel Gramm; µg) pro Kubikmeter, wobei im Durchschnitt rund 40 µg/m3 (50 Perzentil) auf Toluol und Xylole zurückgehen; es werden aber auch mehr als zehnfach höhere Werte (95 Perzentil) gefunden. Für Formaldehyd wurden in deutschen und österreichischen Wohnungen, Schulen und Kindergärten Werte zwischen 16 und 150 µg/m3 bestimmt [1]. Insbesondere nach Renovierungen und Großreinigungen ist in den gut abgedichteten und häufig zu wenig gelüfteten modernen Bauten mit einer temporär erhöhten Schadstoffexposition zu rechnen.

Richtlinien zur Bewertung von Schadstoffen, i) für die sich relevante Quellen in Innenräumen befinden, ii) die gesundheitlich relevant sind und iii) für die ausreichend toxikologische Daten und analytische Messmethoden vorliegen, sind in Österreich auf der Seite des Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus zu finden [1]. Beispielsweise liegt für das besonders häufig auftretende Toluol der "No Adverse Effect Level" (NOAEL) für Dauerbelastung bei einem mittleren Stundenwert von 75 µg/m3; als Richtwert für Formaldehyd sollte der Wert der WHO-Air Quality Guidelines for Europe von 60 µg/m3 (24-Stunden Mittelwert) herangezogen werden [1]; dies sind Konzentrationen, die in Innenräumen durchaus überschritten werden können.

Die NASA Clean Air Studie

Mit dem Bau hermetisch isolierter Raumstationen wurde bereits in den 1970er Jahren das Problem der Luftverschmutzung in solchen Räumen evident und die National Aeronautics Space Administration (NASA) suchte nach Möglichkeiten diese zu reduzieren. Eine herausragende Chance entdeckten Forscher am John C. Stennis Center (NASA) und berichteten vor 30 Jahren darüber [2]:

Ein Team um B.Wolverton fand heraus, dass höhere Pflanzen inklusive Substrat und der damit diesen assoziierten Mikoorganismen Schadstoffe sehr effizient reduzieren können. Bei den Pflanzen handelte es sich um 12 populäre Zimmerpflanzen - Bergpalme, Birkenfeige, Chrysantheme, Efeu, Einblatt, Gerbera, Kolbenblatt, Sansivieria und mehrere Dracaena-Arten. Diese wurden jeweils drei repräsentativen Schadstoffen - Benzol, Formaldehyd und Trichlorethylen - ausgesetzt. Dazu wurde jede Pflanze in ihrer Erde und ihrem Topf in einer von der Aussenluft völlig isolierten Plexiglaskammer platziert, der jeweilige Schadstoff injiziert und Luftproben unmittelbar nach Zugabe und nach 6 und 24 Stunden entnommen und die Konzentration des Schadstoffes analysiert. Einen qualitativen Eindruck davon, welche Kapazitäten der Schadstoffentfernung bei solchen Pflanzen gemessen wurden und wie sich Pflanzen diesbezüglich unterscheiden, gibt Abbildung 1.

Abbildung 1. Entfernung der Schadstoffe Benzol, Formaldehyd und Trichlorethylen durch einige Zimmerpflanzen. Die Pflanzen waren dabei über 24 Stunden einer sehr hohen Konzentration Schadstoff (über 15 ppm) ausgesetzt. Daten wurden aus Tabs 1 - 4 der NASA-Studie zusammengestellt [2]. (Eine ungenaue Angabe der eingesetzten Mengen erlaubt nicht die Umrechnung auf das Extraktionsausmaß in %.)

Neben der hohen, Pflanzen-spezifischen Kapazität einzelne Schadstoffe zu eliminieren, brachte die Studie ein weiteres, wesentliches Ergebnis: auch nach dem kompletten Entblättern der Pflanzen blieb die Schadstoffentfernung zum größten Teil aufrecht - zum überwiegenden Teil musste diese also über die Wurzelsphäre und die assoziierten Mikroorganismen erfolgt sein.

Die wichtigen Entdeckungen der NASA gerieten leider mehr oder weniger in Vergessenheit - sieht man in der Datenbank PubMed unter den Schlagworten indoor pollution AND plants nach, so sind dazu bis 2010 nur 0-3 Veröffentlichungen/Jahr gelistet; erst danach steigen die Arbeiten zu diesem Thema an. Bis jetzt fehlen aber robuste Daten über das Funktionieren von Pflanzen unter realen Gegebenheiten und über die für diverse Situationen geeignetsten Pflanzen. Auch die Mechanismen wie Pflanzen Luftschadstoffe reduzieren, sind erst in sehr groben Umrissen aufgeklärt.

Wie entfernen Pflanzen Schadstoffe (VOCs) aus der Luft?

Prinzipiell können Schadstoffe auf mehreren Wegen von Pflanzen aus der Luft entfernt werden: i) über die oberirdischen Teile der Pflanze, ii) über die Wurzelzone, iii) über die mit dieser in Gemeinschaft lebenden Mikroorganismen und iv) über das Substrat (Erde). Dabei kann man zwischen Absorptionsvorgängen - Aufnahme in die Pflanze - und Adsorption - Anlagerung an Oberflächen - unterscheiden.

Im oberirdischen Teil können VOCs über die Stomata der Blätter - das sind Poren an der Blattunterseite, die den Gasaustausch von CO2, O2 und Wasser regulieren - in die Zellen aufgenommen (absorbiert) werden. Sie können aber auf Grund ihres fettlöslichen Charakters im wachsartigen Überzug der Blätter, den Cuticula, "steckenbleiben" - adsorbiert - werden.

Schadstoffe werden auch über das Wurzelwerk der Pflanze und die Rhizosphäre (Bereich um die Wurzel im Substrat) aufgenommen und/oder angelagert (in der NASA-Studie war erfolgte offensichtlich der Großteil der Schadstoffreduktion über diesen unterirdische Teil der Pflanze; s.o.). Aufnahme erfolgt zweifellos auch die Mikroorganismen im Substrat, welche die VOCs metabolisieren und im eigenen Stoffwechsel einbauen.

Abbildung 2 gibt diese Wege schematisch wieder.

Abbildung 2. Wege, auf denen VOCs durch Pflanzen aufgenommen werden. (Bild modifiziert nach Armijos Moya et al.(2019 [3]; Lizenz: cc-by-nc).

Nach der Aufnahme in die Pflanzenzellen können VOCs dann enzymatisch "verarbeitet" und die Produkte in den Stoffwechsel der Pflanze eingebaut werden. In zahlreichen Pflanzen, darunter auch Zimmerpflanzen wie Ficus, Grünlilie und Einblatt wurde beispielsweise eine Dehydrogenase identifiziert, die Formaldehyd zur Ameisensäure oxydiert. Mittels radioaktiv markiertem Formaldehyd konnte dann gezeigt werden, dass die so entstandene Ameisensäure vollständig in den Stoffwechsel der Pflanze eingebaut wird. [4]

Neue Ansätze zur Luftreinigung

Kürzlich hat die NASA eine Hamburger Firma (AIRY GreenTech) für das Design eines Pflanzentopfes geehrt, mit dem "Erkenntnisse der Weltraumforschung auf der Erde nutzbar gemacht werden". Basierend auf dem Ergebnis der 30 Jahre alten NASA-Studie, wonach ein Großteil der Luftreinigung über die Rhizosphäre der Pflanzen mit den assoziierten Mikroorganismen erfolgt [2], ist der Topf so designt, dass die Raumluft Boden und Wurzelwerk maximal durchströmt. Aus dem Luftstrom filtert bereits der Boden Schadstoffe, Wurzeln und Mikroorganismen absorbieren dann Substanzen, metabolisieren diese und verwandeln sie in Produkte ihres Stoffwechsels. Nach Angaben der Firma können mit passend großen Töpfen die gefährlichsten Schadstoffe innerhalb 24 Stunden nahezu vollständig entfernt werden.

Ein Team um Long Zhang von der University of Washington (Seattle) verfolgt einen anderen Ansatz, nämlich den enzymatischen Abbau von Schadstoffen in Pflanzen zu beschleunigen, indem sie diese gentechnisch manipulieren. Dies demonstrieren sie an Hand des Cytochrom P450 2E1 (CYP2E1), eines Enzyms, das in allen Säugetieren vorkommt und neben Ethanol relativ unspezifisch eine Vielzahl anderer organischer Moleküle , darunter auch Chloroform und Benzol, oxydiert und entgiftet. Die Forscher schleusten ein solches CYP2E1-Gen (aus Kaninchen) in das Genom der Efeutute (Epipremnum aureum), einer anspruchslosen Zimmerpflanze, ein und zeigten, dass die transgene Pflanze nun Chlorform und Benzol effizient abbaute, die unveränderte Pflanze jedoch praktisch nicht dazu in der Lage war. Nach Meinung der Forscher können solche transgenen Pflanzen als effiziente, kostengünstige Biofilter zur Entfernung von VOCs in Innenräumen dienen.

Fazit

30 Jahre nach dem sensationellen Ergebnis aus einem NASA-Labor beginnt man sich nun erst für das Potential von Pflanzen zur Luftreinigung zu interessieren. Welche Mechanismen hier zum Tragen kommen, welche Rollen den einzelnen Elementen im System Boden - Pflanze - Wurzelgeflecht - Mikroorganismen bei der Eliminierung von Luftschadstoffen zukommt, welche Pflanzen für welche Schadstoffe als Biofilter besonders geeignet sind und natürlich auch ob und welche Risiken mit deren Einsatz verbunden ist (viele Pflanzen sind giftig und für Kinder und Haustiere eine Gefahr) und noch viel mehr Fragen warten noch auf eine Antwort.

Die Fähigkeit der Pflanzen Fremdstoffe unschädlich zu machen ist zweifellos nicht auf einige Vertreter von Zimmerpflanzen beschränkt. Unsere Wiesen und Wälder im Freien erzeugen nicht nur den Sauerstoff sondern halten sicherlich die Luft auch sauber, die wir alle zum Atmen brauchen.


[1] Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT): Richtlinie zur Bewertung der Luftqualität von Innenräumen.

[2] B.C.Wolverton et al., Interior Landscape Plants for Indoor Air Pollution Abatement. Final Report September 15, 1989.

[3] Armijos Moya et al., A review of green systems within the indoor environment. Indoor and Built Environment 2019, Vol. 28(3) 298–309. DOI:10.1177/1420326X18783042

[4] A. Schäffner et al., Genes and Enzymes for In-Planta Phytoremediation of Air, Water and Soil. Acta Biotechnol.22 (2002) 1--2, 141--152.