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Unser tägliches Brot — Ernährungsicherheit in einer sich verändernden Welt

Do, 12.01.2017 - 06:42 — IIASA

IIASAIcon GeowissenschaftenWeltweit ist unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln in Gefahr. Will man dieses Problem ernsthaft angehen, so bedarf es eines ausreichenden Verständnisses, wie sich das Klima künftig entwickeln wird und welche Auswirkungen dies auf unsere Nahrungsressourcen haben kann. Mit Hilfe der Systemwissenschaft lassen sich dazu Modelle erstellen, die auch einbeziehen wie unsere Aktivitäten - von Kriegen bis hin zu Handelsabkommen - die Ernährungssicherheit beeinflussen können und uns aufzeigen, wie wir uns an die sich verändernde Welt anpassen können. Das "Internationale Institut für Angewandte System-Analysen" - IIASA - in Laxenburg (bei Wien) erstellt derartige, für Politik und Gesellschaft wichtige Systemanalysen.*

Was ist in einer sich verändernden Welt sicher?

Ernährungssicherheit bedeutet nicht einfach, dass wir momentan ausreichend zu essen haben und auch genügend Saatgut vorrätig für die Ernte des nächsten Jahres. In der Welt von heute müssen wir uns für globale, langfristige Änderungen vorbereiten.

Um Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Nahrungsressourcen vorherzusagen, bedarf es großer Datenmengen, die aufzeigen, welche Nutzpflanzen wo wachsen, wie empfindlich diese auf einen Klimawandel reagieren und welche Verfahren oder Technologien vor Ort angewendet werden. Um diese Informationen für die Bedürfnisse der Politik zurecht zu schneidern, hat IIASA mit geholfen eine neue interaktive Plattform - Spatial Production Allocation Model "MapSPAM" - zu erstellen, die 42 der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen kartiert, bei einer räumlichen Auflösung von 10 km [1]. Abbildung 1 zeigt als Beispiel den Ernteertrag der enorm wichtigen Kulturpflanze Reis in Europa, Afrika und Asien und wie wichtig künstliche Bewässerung vor allem in verschiedenen asiatischen Regionen ist.

Abbildung 1. Reisernte in Europa, Afrika und Asien. Oben: Gesamtertrag (kg/ha), Unten: Ertrag ohne künstliche Bewässerung. Der Ertrag hängt in weiten Teilen Asiens von der Bewässerung ab. Die räumliche Auflösung beträgt 10 km.(Statistische Daten von ca. 2005 . Quelle: You, L., U. Wood-Sichra, S. Fritz, Z. Guo, L. See, and J. Koo. 2014. Spatial Production Allocation Model (SPAM) 2005 v2.0.January 11, 2017. Available from http://mapspam.info; License: cc-by-nc)

Wie IIASA kürzlich gezeigt hat, spielt auch die Bodenbeschaffenheit eine essentielle Rolle [2]. Christian Folberth (IIASA) meint : "Unterschiedliche Böden können sehr verschiedene Charakteristika aufweisen, u.a. hinsichtlich ihrer Gehalte an Nährstoffen oder ihrer Fähigkeit Wasser zu speichern. Manche Böden wirken wie ein Schwamm und versorgen Pflanzen auch während Trockenperioden mit Wasser."

In Gegenden, die nur wenig Dünger oder Bewässerung anwenden - meistens handelt es sich hier um die ärmeren Gebiete -, hängen die Ernteerträge tatsächlich stärker vom bebauten Bodentyp ab als vom Wetter. Abbildung 2.

Dies hat wesentliche Konsequenzen für die Verbesserung der Ernährungssicherheit. Folberth: "Mit genauen Bodendaten in unseren Modellrechnungen können wir die Bauern besser beraten, wie sie für ihre Böden geeignete Nutzpflanzen auswählen und wie sie ihre Böden vor einer Degradierung schützen können."

Abbildung 2. Ernteerträge von Mais als repräsentativer Kulturpflanze: Ohne Zusatz von Dünger und ohne künstliche Bewässerung bestimmt häufig die Bodenqualität die globalen Erträge. Ist ausreichend Dünger und Bewässerung vorhanden, bestimmt das Klima die Erträge. (Quelle: http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/160621-soil-data.html)

Diversität, um Veränderungen zu bewältigen

Ebenso wie unsere Böden nach und nach ihre Fähigkeit verlieren uns zu versorgen, gibt es eine andere langsam wachsende Bedrohung, nämlich unseren Einfluss auf das Erbgut all der Organismen von denen unsere Ernährung abhängt. Sogenannte "alte Sorten", von lilafarbenen Karotten bis hin zu alten Weizensorten sind plötzlich populär, zum Teil weil es die berechtigte Sorge gibt, dass die genetische Vielfalt unserer Nahrung auf ein gefährliches Niveau abnimmt. Wenn nur ein einzelner Stamm übrig ist, kann Krankheit jede Nutzpflanze dezimieren - tatsächlich haben wir ja bereits einen wichtigen Bananenstamm verloren.

Ebenso wie das Herauszüchten gewisser Eigenschaften den Genpool verändern kann, bewirkt dies auch das Ernten bestimmter Einzelorganismen aus einer Population. Im Zusammenhang mit den wasserbewohnenden Nahrungsressourcen hat dies IIASA gezeigt: intensiver Fischfang - wobei immer die größeren Fische entfernt werden - kann in der Fischpopulation zu einer Änderung des Genpools führen - zu einer sogenannten Fischerei-induzierten Evolution - und damit zu dem Risiko, dass die Bestände kollabieren, ebenso zu einem Absinken ihrer Produktivität und ihres Erholungspotentials. Um dem vorzubeugen, haben IIASA-Forscher ein Programm zur evolutionären Folgenabschätzung - Evolutionary Impact Assessment Framework - entwickelt, welches es Managern ermöglicht die Anfälligkeit unterschiedlicher Fischpopulationen abzuschätzen und Strategien zur Schaffung florierender, nachhaltiger Fischereien zu finden [3].

Instabilität bedeutet Unsicherheit

Wenn Nahrung knapp ist, steigen die Spannungen. Unruhen und Krieg können Nahrungsknappheit verursachen und auch dadurch verursacht werden. Indem es Informationen über sozioökonomische Risikofaktoren (beispielsweise politische Konflikte) mit Satellitendaten über physikalische Bedingungen (etwa Bodenfeuchtigkeit und Wetter) kombiniert, hat IIASA mitgeholfen eine App für das Mobiltelefon - SATIDA COLLECT- zu entwickeln, die von Nahrungsknappheit gefährdete Gemeinschaften identifiziert [4]. Diese App wird gegenwärtig von Ärzte ohne Grenzen in der Zentralafrikanischen Republik erprobt. Abbildung 3.

Abbildung 3. SATIDA COLLECT (Satellite Technologies for Improved Drought Risk Assessment): Eine App für Mobiltelefone, die zur Unterstützung von Ärzte ohne Grenzen entwickelt wurde. (Details: http://www.geo-wiki.org/mobile-apps/satida-collect).

"Wenn man von Nahrungsmittelknappheit bedrohten Gemeinschaften helfen möchte, besteht eine der größten Herausforderungen darin, dass man primär keine Information über die Gefährdung hat und dann, dass man diese nicht rechtzeitig hat," sagt die IIASA-Forscherin Linda See. Die SATIDA COLLECT App ist für die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen entworfen: diese nehmen damit Antworten der Bevölkerung auf einfache, die Nahrungsversorgung betreffende Fragen auf. Darunter sind auch Fragen, wie: "Sind Familienmitglieder kürzlich aus der Gegend weggezogen?" "Ist irgendjemand gestorben?" "Wie häufig essen Sie?"

Sobald das Smartphone Internetkontakt hat, kann diese Information hochgeladen werden. Zusammen mit den Satellitendaten über die lokalen physikalischen Bedingungen, können diese verwendet werden, um Orte mit hohem Risiko - Hotspots - für Mangelernährung zu kartieren.

"Ernährungssicherheit kann auf wöchentlicher Basis überwacht werden", sagt See. "Außerdem -, wenn wir wissen, dass ein Desaster bevorsteht (beispielsweise El Nino), das die Nahrungsversorgung gefährdet, können NGOs die Daten nützen, um die Resilienz von Orten mit höchstem Risiko zu erhöhen."

Zusammenhänge schaffen

Die Ernährungssicherheit steht nicht nur in Wechselbeziehung mit einer Reihe von Systemen - von physikalischen bis hin zu sozioökonomischen Systemen -, sie hängt auch eng von anderen, essentiellen Ressourcen ab. Beispielsweise kann eine Intensivierung der Landwirtschaft die Wasserversorgung beeinträchtigen, indem sie Wasser verunreinigt und übermäßig verbraucht. Derartige Abhängigkeiten erstrecken sich auch auf Energie, Waldwirtschaft und internationalem Handel.

Mit Systemanalysen , die solche Abhängigkeiten berücksichtigen, bereitet IIASA nun zusammen mit der Nationalem Akademie der Wissenschaften der Ukraine eine "Politikberatung für die Ukraine" vor - für ein Land, das in der Vergangenheit niedrige Ernteerträge in Kauf nehmen musste und als Folge davon Exportquoten einführte um die heimische Nahrungsmittelversorgung sicher zu stellen und die Auswirkungen auf deren Preise abzuschwächen [5]. Die IIASA-Forscherin Tatiana Ermolieva beschreibt dies: "Wir haben nationale Modelle mit einem globalen, Multiregionen-Modell - dem IIASA "Global Biosphere Management Model" - verknüpft, das die wechselseitigen Abhängigkeiten von einzelnen Ländern und von Wirtschaftszweigen berücksichtigt. Wir haben gefunden, dass im Verlauf der Klimaerwärmung die Ukraine einen Vorteil von Nutzpflanzen erzielen könnte, die anderswo Schaden erleiden - wie beispielweise von einigen Getreidearten, deren Erträge in Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien voraussichtlich sinken werden. So kann auch analysiert werden, welche Auswirkungen die EU-Politik auf die Ukraine und vice versa hat und wie beide zusammenarbeiten können, um die regionale und globale Ernährungssicherheit zu stärken."


*Der von der Redaktion aus dem Englischen übersetzte Text von Daisy Brickhill stammt aus dem Options Magazin (Winter 2016) des IIASA, das freundlicherweise der Veröffentlichung von Inhalten seiner Website in unserem Blog zugestimmt hat. http://www.iiasa.ac.at/web/home/resources/publications/options/w16_daily_bread.html. Die Abbildungen wurden von der Redaktion zugefügt und stammen ebenfalls aus IIASA-Unterlagen.


[1] Spatial Production Allocation "MapSpam" http://mapspam.info/

[2] Better soil data key for future food security .http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/160621-soil-data.html

[3] Protecting fisheries from evolutionary change. http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/160427-plaice-fish.html

[4] Monitoring food security with mobile phones. http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/news/151118-PLOS-food.html

[5] Robust solutions for the food-water-energy nexus. http://www.iiasa.ac.at/web/scientificUpdate/2015/program/asa/Robust-solutions-for-the-food-water-energy-nexus.html


Weiterführende Links

Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA)

Beiträge im IIASA Research Blog Nexus (englisch)

  • Interview: Defining the future(s) (Nov 25, 2016).
  • David Leclère, IIASA Ecosystems Services and Management Program: Should food security be a priority for the EU? (Oct 4, 2016)
  • Interview: Are we accidentally genetically engineering the world’s fish? (Dec 23, 2015)

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