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  4. 2017

Climate Engineering: Unsichere Option im Umgang mit dem Klimawandel

Do, 14.09.2017 - 14:13 — Nils Matzner

Nils MatznerIcon GeowissenschaftenIm 5. Sachstandbericht des Weltklimarats, 2013–2014 (IPCC: Intergovernmental Panel on Climate Change) werden die Maßnahmen gegen den globalen Klimawandel als unzureichend bezeichnet. In den vergangenen Jahren wurden Ideen entwickelt, mittels sogenanntem Climate Engineering gezielt und in großem Rahmen in biochemische Kreisläufe der Erde einzugreifen und damit den Klimawandel zu verlangsamen oder zu stoppen. Im Rahmen eines Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SPP 1689, http://www.spp-climate-engineering.de) bearbeiten Nils Matzner und Kollegen (Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung; Alpen-Adria-Universität Klagenfurt) ein Forschungsprojekt zu Climate Engineering

Seit jeher träumen Menschen davon, das regionale Wetter positiv beeinflussen zu können. Der voranschreitende Klimawandel hat in den vergangenen Jahren nun zur Entwicklung von Ideen geführt, wie in das globale Klimasystem mittels Climate Engineering (auch als Geoengineering bezeichnet) gezielt und im großen Rahmen eingegriffen werden könnte.

Was ist Climate Engineering?

Climate Engineering (CE) unterscheidet sich grundlegend von den Maßnahmen zur Beeinflussung von regionalem Wetter. Bedeutende Wissenschaftsorganisationen aus Deutschland, Großbritannien und den USA definieren CE übereinstimmend als intentionale, großskalige Beeinflussung des Klimasystems, um den globalen Klimawandel zu verlangsamen [1–5]. Drei Merkmale sind charakteristisch:

  • CE ist immer intentional. Emissionen von Treibhausgasen verändern das Klima zwar, jedoch ist die globale Erwärmung kein gewünschter Effekt. Intentionalität bedeutet auch, dass CE von bestimmten Akteuren absichtlich durchgesetzt werden kann, insofern diese dazu in der Lage sind. Einige, aber nicht alle CE-Technologien könnten von einzelnen Staaten oder reichen Individuen eingesetzt werden. Allerdings sind derzeit keine Anzeichen dafür verfügbar, dass irgendein Akteur konkrete Vorbereitungen zu einem Einsatz trifft, die über grundlegende Erforschung hinausgeht.
  • CE ist immer großskalig. Im Gegensatz dazu ist die Beeinflussung von lokalem Wetter – sei es als Versuch der Herstellung eines gewünschten Wetters oder als Verhinderung gefährlicher Wetterlagen (für die Landwirtschaft oder für öffentliche Veranstaltungen) – kleinskalig und daher kein CE. Auch wenn bei beiden Technologien Flugzeuge Material in Wolken versprühen, dann ist das schon die größte Ähnlichkeit: Einige Methoden von CE zielen auf die Stratosphäre (8 bis 50 km Höhe) in globaler Ausdehnung, während Wetterbeeinflussung in sehr geringer Höhe und über kleiner Fläche durchgeführt wird.
  • CE wirkt dem Klimawandel entgegen. Der Klimawandel und seine Folgen werden als eines der wichtigsten globalen Probleme gesehen. Mit dem Klimaabkommen von Paris 2015 wurde eine verbindliche Zielmarke von 2 °C Erwärmung, wenn möglich 1,5 °C, installiert. Aktuell ist höchst umstritten, ob CE als ein legitimes Mittel zur Begrenzung der globalen Erwärmung überhaupt anerkannt werden soll oder nicht. Dass aber CE auf den Klimawandel der Erde und nicht etwa auf lokales Wetter oder andere Planeten zielt, ist aus Sicht von Forschung und Politik weitgehend unumstritten.

Welche Technologien von Climate Engineering werden erforscht?

CE-Technologien werden in zwei grundlegende Typen unterteilt:

  • Technologien, die die Sonneneinstrahlung zur Erde reduzieren (auch Solar Radiation Management, SRM, genannt) und
  • Technologien, die Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernen helfen (auch Carbon Dioxid Removal, CDR, genannt).

Als mögliche CE-Methoden im SRM werden beispielsweise die künstliche Wolkenerzeugung oder Spiegel im Weltraum zwischen Sonne und Erde genannt. Im Falle von CDR sind es u.a. die chemische Bindung von CO2 im Meer, die Stimulierung des Phytoplankton-Wuchses durch "Eisendüngung" der Meere, Artificial Upwelling, eine gesteigerte CO2-Aufnahme durch Aufforstung, das Herausfiltern von CO2 aus der Luft (Direct-Air-Capture; eine erste kommerzielle Anlage ist kürzlich in der Schweiz in Betrieb gegangen [6]) und Sequestrierung von CO2 direkt am Entstehungsort. Abbildung 1 fasst diese Technologien zusammen.

Jede Technologie besitzt ein individuelles Risikoprofil, Unsicherheiten, ökonomische Kosten und politische Regulierungsprobleme. Beispielsweise läge im Einbringen von Aerosolen in der oberen Atmosphäre das Risiko, die globalen Niederschlagsmuster zu verändern, sodass Dürren und Überschwemmungen möglich wären. Bei der Düngung der Meere wäre gänzlich unklar, wie dies langfristig auf die maritimen Ökosysteme wirkt. Neben bekannten Risiken und Unsicherheiten existiert ein großer Bereich von nicht einschätzbarem Nichtwissen („unknown unknowns“), da CE-Technologien sich in einem sehr frühen Forschungsstadium befinden.

Abbildung 1. Climate Engineering durch Technologien, die die Sonneneinstrahlung zur Erde reduzieren (Solar Radiation Management) und durch Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal). Bild: http://www.spp-climate-engineering.de; Lizenz:cc-by-nd4.0.

Wird Climate Engineering bereits eingesetzt?

Seit Ende der 1990er Jahre hat die ernsthafte wissenschaftliche Beschäftigung mit Climate Engineering zugenommen. Bis dahin war CE aus Sicht vieler Wissenschaftler eine akademische Übung, um überhaupt zu verstehen, wie Menschen auf das Klimasystem Einfluss nehmen könnten, ohne jedoch konkrete politische Ziele zu verfolgen. David Keith, zweifelsohne einer der am längsten aktiven CE-Forscher, hat mit seiner Zusammenfassung des Forschungsstandes im Jahr 2000 eine Grundlage nicht nur für naturwissenschaftliche, sondern auch für gesellschaftswissenschaftliche Forschung gelegt [7]. Schon damals prognostizierte Keith Schwierigkeiten in der politischen Regulierung von CE-Technologien und dass CE ein einfacher, aber problematischer Ausweg aus der schwierigen Politik der Emissionsreduktion sein könnte.

CE wird derzeit an Computern, in Laboren und in wenigen kleinen Feldanlagen erforscht – Wetterbeeinflussung wird offen eingesetzt. Tatsächlich betreiben einige Länder, darunter auch Österreich, Programme zur Herstellung gewünschter Wetterlagen oder zur Verhinderung von Unwetterschäden.

Während der Einsatz von Wetterbeeinflussung mittels versprühter Aerosole aus Flugzeugen zum Teil stattfindet, obwohl dessen Effektivität nach wie vor umstritten ist, ist weder ein Experiment, noch ein Einsatz von CE in der Atmosphäre bisher geschehen. Alle CE-Technologien befinden sich aktuell im Planungsstadium. Lediglich ein paar wenige, kleine Feldexperimente zu CE hat es gegeben, welche jedoch nicht atmosphärisch waren. Beispielsweise wurden vor der kanadischen Küste 100 Tonnen Eisen ausgebracht, um die Algenblüte anzuregen, die dann mehr CO2 bindet (Abbildung 1).

Sowohl diejenigen Forscher, die heute eine intensivere Erforschung befürworten, als auch diejenigen, die vor allem die Risiken betonen, lehnen einen baldigen Einsatz von CE ohne vorherige politische Klärung als nicht wünschenswert klar ab.

Welche Kosten sind mit Climate Engineering verbunden?

Die voraussichtlichen Kosten für Climate Engineering unterscheiden sich je nach konkreter Technologie. Um die globale Temperatur abzukühlen und mögliche Klimaschäden abwenden zu können, wären Methoden mit atmosphärischen Aerosolen verglichen mit dem direkten Entzug von CO2 aus der Atmosphäre günstig. Einige CE-Technologien könnten kostengünstiger sein, als eine vergleichbare aggressive Emissionsreduktion binnen wenigen Jahren. Jedoch ginge eine solche Rechnung nur auf, wenn CE risikoarm betrieben werden könnte. In jedem Fall müssten immer noch einige Prozent des globalen Sozialproduktes dafür aufgewendet werden. Wer diese Kosten trägt und ob überhaupt private Investitionen in CE zugelassen werden sollen, befindet sich derzeit in der Diskussion.

Was die Forschung zu Climate Engineering betrifft, so zeigt sich, dass Climate Engineering keine Grundlagenforschung ist, die vergleichbar mit Teilchenphysik wäre. CE-Forschung zeichnet sich durch Anwendungsorientierung aus, wird aber von einer teils proaktiven aber selbstkritischen, teils zurückhaltenden Forschungsgemeinschaft geleitet. Fragen von Governance und Verantwortung sind den Naturwissenschaftlern und Ingenieuren nicht fremd, müssen aber im transdisziplinären Dialog weiterentwickelt werden.

Hinsichtlich der Förderung der CE-Forschung erhält das deutsche Schwerpunktprogramm (SPP), in dessen Rahmen auch unser eigenes Projekt fällt [8], die aktuell höchste Fördersumme (insgesamt über 5 Mio. Euro) an öffentlichen Forschungsgeldern. Diese übersteigt US-amerikanische, britische und chinesische Investitionen. In Österreich findet dazu aktuell kaum Forschung statt, außer der Beteiligung einiger WissenschaftlerInnen am deutschen SPP. Da Österreich in der konventionellen Klimaforschung gut vertreten ist, könnte sich dies noch ändern.

Fazit

Die aktuellen Schwierigkeiten, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen – bei stetig neuer Sicherheit aus der Wissenschaft, dass der Klimawandel gefährlich fortschreitet – bereiten weltweit vielen Akteuren große Sorgen. Ob und wie Climate Engineering eine Option gegen die globale Erwärmung sein kann, hängt von neuen Forschungsergebnissen, politischen Verhandlungen und der öffentlicheren Debatte zu diesem Thema ab. CE ist zweifelsohne eine bisher wenig erforschte und politisch kaum regulierte Risikotechnologie. CE als Ersatz für einen umweltfreundlicheren Lebensstil und damit die Einsparung von Treibhausgasemissionen zu verwenden, wäre fatal.


[1] Rickels W. et al., (2011): Large-Scale Intentional Interventions into the Climate System? Assessing the Climate Engineering Debate. Scoping report conducted on behalf of the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF), Kiel Earth Institute, Kiel, Online verfügbar unter http://www.kiel-earth-institute.de/scoping-report-climate-engineering.html (open access, abgerufen am 11.9.2017)

[2] Royal Society (2009): Geoengineering the climate: science, governance and uncertainty. London. Online verfügbar unter http://royalsociety.org/policy/publications/2009/geoengineering-climate/. Open access

[3] Shearer, Christine; West, Mick; Caldeira, Ken; Davis, Steven J. (2016): Quantifying expert consensus against the existence of a secret, large-scale atmospheric spraying program. In: Environ. Res. Lett. 11, S 84011. open access: DOI: 10.1088/1748-9326/11/8/084011.

[4] National Acadamy of Sciences (2015a): Climate Intervention [a]. Carbon Dioxide Removal and Reliable Sequestration. Washington, D.C. Online verfügbar unter http://www.nap.edu/catalog/18805/climate-intervention-carbon-dioxide-rem....

[5] National Acadamy of Sciences (2015b): Climate Intervention [b]. Reflecting Sunlight to Cool Earth. Washington, D.C. Online verfügbar unter http://www.nap.edu/catalog/18988/climate-intervention-reflecting-sunligh....

[6] Climeworks, 06.06.2017 - NPO: Erste kommerzielle Anlage saugt CO2 aus der Luft. http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-21524-2017-06-06.html

[7] Keith, David W. (2000): Geoengineering the Climate: History and Prospect. In: Annu. Rev. Energy Environ (Annual Review of Energy and the Environment) 25 (1), S. 245–284. Online verfügbar unter https://keith.seas.harvard.edu/files/tkg/files/26.keith_.2000.geoenginee...

[8] CE-SciPol2. Verantwortliche Erforschung und Governance an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik des Klimawandels,

http://www.spp-climate-engineering.de/sci-pol2.html


Weiterführende Links

Info-Portal Geo-Engineering

SPP1689 Schwerpunktprogramm

N. Janich, Ch Stumpf: Naturwissenschaftler antworten Journalisten, wie Ungewissheiten und Unsicherheiten in der Klimaforschung kommuniziert werden (sollten) (SPP 1689 der DFG).

Deutsche Meteorologische Gesellschaft (2017): Stellungnahme zum Climate Engineering.

Nils Matzner (2011): Die Politik des Geoengineering. (PDF-Download)

A. Mihm (FAZ, 15.08.2017): Klimaschutz braucht mehr Forscher und Erfinder.

Artikel im ScienceBlog:

Wir haben dem Komplex einen eigenen Schwerpunkt Klima & Klimawandel gewidmet, der aktuell 29 Artikel enthält.

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