Do, 21.07.2022 — Redaktion
Der Klimawandel nimmt an Fahrt zu und bedroht den Bestand einiger unserer Grundlebensmittel, dazu kommt die Pandemie und schlussendlich der Krieg in der Ukraine mit den daraus resultierenden Problemen in den Versorgungsketten mit Grundlebensmitteln. Dies sind einige der Gefahren, die sich aus der Abhängigkeit von einer globalisierten Versorgung mit der "Handvoll" von Nahrungsmitteln ergeben, die heute an die 90 % zur Ernährung der Menschheit beitragen. Forscher in in den Royal Botanic Gardens (Kew, UK) arbeiten an der Erweiterung der Vielfalt unserer Nahrungsmittel und zeigen klimaresistente Nutzpflanzen auf, die in unserer heißeren, trockeneren Zukunft Sinn machen werden.*
Der sich beschleunigende Klimawandel bedroht einige unserer bevorzugten Nahrungsmittel. Bei nur 15 Pflanzen, die zu 90 Prozent der Energiezufuhr der Menschheit beitragen, könnte der Verlust eines einzigen Grundnahrungsmittels eine Katastrophe bedeuten. Dabei gibt es weltweit mehr als 7.000 Arten von essbaren Pflanzen.
Forschung in den Royal Botanic Gardens, Kew (UK)
"Warum nutzen wir den Rest nicht?", fragt die Naturschutzbiologin Tiziana Ulian, Leiterin des Forschungsteams Sustainable Use, Seeds and Solutions in den Royal Botanic Gardens, Kew in Großbritannien. (https://www.kew.org/science/our-science/departments/ecosystem-stewardship/sustainable-use-seeds-and-solutions)
Um unsere Ernährung "zukunftssicher" zu machen, haben sich die Forscher in Kew daran gemacht zur Erweiterung der Vielfalt unserer Nahrungsmittel beizutragen. Sie befassen sich mit wenig genutzten Nahrungsmitteln - sowohl Wildpflanzen als auch Kulturpflanzen - und fragen, welche davon in unserer heißeren, trockeneren Zukunft Sinn machen werden.
Unsere derzeit bevorzugten Feldfrüchte "sind nicht unbedingt solche, die einem Klimawandel in der Zukunft standhalten können", sagt Ulian. "Sie wurden wegen ihrer Farbe oder ihres Ertrags ausgewählt. Man braucht aber Alternativen, die an örtliche Gegebenheiten angepasst sind".
In einigen der Biodiversitätsinitiativen von Kew wird mit Gemeinschaften zusammengearbeitet, um das Wissen über lokale Nahrungspflanzen zu erhalten und mit der Kultivierung von Wildarten zu beginnen. Ein Projekt im Libanon und in Jordanien konzentriert sich auf die Gundelia tournefortii, die auf Arabisch als Akkoub bekannt ist und angeblich wie eine Kombination aus Artischocke und Spargel schmeckt. Sie kommt nur in der freien Natur vor, wo sie auf naturbelassenen felsigen Böden wächst; an der Kultivierung arbeiten die Kew-Forscher jedoch mit lokalen Gärtnereien zusammen. Akkoub ist nicht nur schmackhaft (die Einheimischen braten die unreifen Blütenköpfe der Pflanze in Olivenöl und Knoblauch und geben sie zu Omeletts, Fleisch und Kichererbsengerichten), sondern auch reich an Kalzium und Eisen.
Ein anderes Projekt befasst sich mit Fonio-Hirse, einem in Westafrika beheimateten Getreide. Dieses braucht sehr wenig Wasser, was es zu einer guten Wahl für eine zunehmend von Trockenheit bedrohte Welt macht. Es ist reich an Eisen, Kalzium, Aminosäuren und B-Vitaminen. Außerdem ist es glutenfrei, was es für Menschen mit Zöliakie interessant machen könnte. Die Einheimischen essen es als Frühstücksbrei oder als Getreidegericht ähnlich wie Couscous.
Die Forscher untersuchen, welche Fonio-Sorten unter verschiedenen Bedingungen am besten gedeihen, beispielsweise in heißen Tälern oder in kühleren, höher gelegenen Gebieten. Es ist äußerst wichtig, dass die Pflanzen an bestimmte Standorte angepasst sind, sagt Ulian. "In der Vergangenheit war es ein Fehler zu versuchen, alle wesentlichen Feldfrüchte überall auf der Welt haben zu wollen", sagt Ulian. "Warum müssen wir überall die gleichen Pflanzen essen? Jedes Land muss sich Gedanken machen und vorausschauend planen, welche Nutzpflanzen tatsächlich an die eigenen Gegebenheiten angepasst sind."
Probleme mit Versorgungsketten bei Pandemien und der Krieg in der Ukraine haben einige der Gefahren aufgezeigt, die sich aus der Abhängigkeit von einer globalisierten Lebensmittelversorgung ergeben," sagt Ulian.
Der Welt war nicht bewusst, wie viel Weizen in der Ukraine produziert wurde, bis dieser plötzlich nicht mehr verfügbar war. Dies hat die Lebensmittelpreise weltweit in die Höhe getrieben, was Entwicklungsländer besonders hart trifft.
Ein Schlüssel zur Kompensation dieser Art von Verlusten ist sich botanische Verwandte von Grundnahrungsmitteln wie Weizen anzuschauen, sagt Ulian. Kew-Wissenschaftler haben mit Partnern in 24 Ländern zusammengearbeitet, um Alternativen zu herkömmlichen Reissorten zu finden. Sie sammeln die Samen von wilden Reisverwandten und senden einige davon zur sicheren Aufbewahrung an die Millennium Seed Bank von Kew, einen unterirdischen Tresor mit mehr als 2,4 Milliarden Samen aus der ganzen Welt. Das Saatgut wird daraufhin untersucht, ob es dem Klimawandel standhält; die derzeit angebauten Reispflanzen können ja leicht durch Überschwemmungen oder Hitze zerstört werden.
Um uns eine Vorstellung davon zu geben, wie unsere Lebensmittelzukunft aussehen könnte, hat Kew kürzlich eine Liste klimaresistenter Lebensmittel veröffentlicht und veranstaltet eine spezielle Sommerausstellung mit Vorträgen, Installationen und Kochdemonstrationen. Außerdem hat Kew Gardens das Kew Gardens Cookbook herausgegeben, ein Kompendium vegetarischer Rezepte, das ab September in den USA erhältlich ist und einige dieser Lebensmittel enthält, um die köstliche Seite der Lebensmittelvielfalt zu zeigen.
Einige der Lebensmittel, die wir in den kommenden Jahren vermehrt essen könnten, sind:
Maramabohnen
Ulians Spezialität, die Maramabohne, ist eine im südlichen Afrika beheimatete Hülsenfrucht. Abbildung 1 A. Marama-Bohnen stammen aus der Kalahari-Region und sind an den Anbau in extrem trockenen, sandigen und nährstoffarmen Böden angepasst. Die Bohnen sind reich an Kohlenhydraten und Mineralien und können zur Herstellung von Öl und Pflanzenmilch verwendet werden. Sie liefern auch eine große, essbare Knolle, die süß und zart sein soll und sind eine gute Quelle für Wasser.
Abbildung 1. A: Maramabohnen (Bild: NoodleToo via Wikipedia, public domain), B: Coffea stenophylla (Bild: Ingo Schulz/Getty Images), C: Feigenkaktusblätter (Mauricio Palos/Bloomberg Creative Photos/Getty Images), D: Enset (Firdausiah Mamat/Getty Images). |
Sierra Leone Kaffee
Viele von uns beginnen den Tag mit einer Tasse Arabica-Kaffee, dem weltweit beliebtesten Getränk, das aufgrund steigender Temperaturen und der Abholzung der Wälder bedroht ist. Kew-Forscher haben herausgefunden, dass eine seltene Wildkaffeeart (Coffea stenophylla) aus Sierra Leone wesentlich hitzetoleranter ist als ihre Verwandten. Abbildung 1 B. Kaffee ist natürlich nicht lebensnotwendig, stellt Ulian fest, weist aber darauf hin, dass er für Gesellschaften auf der ganzen Welt eine wirtschaftlich äußerst wichtige Pflanze ist. "Unter dem Gesichtspunkt des Lebensunterhalts macht [klimasicherer Kaffee] einen großen Unterschied", sagt sie.
Kakteen
In Mexiko sind Nopales - die Blätter des Feigenkaktus - ein beliebtes Gemüse, das oft in Tacos oder mit Rührei serviert wird. Der Feigenkaktus ist nicht die einzige essbare Kaktusart. Verschiedene Sorten der trockenheitstoleranten Pflanze, wie der Kugelkaktus, der Saguaro und der Cholla, können gedünstet, eingelegt, zu Saft verarbeitet oder sogar frisch gegessen werden (wie die Drachnfrucht) und sind eine gute Quelle für Wasser, Ballaststoffe und Vitamine. Abbildung 1 C.
Falsche Banane
Die äthiopische Enset-Pflanze bringt zwar eine bananenähnliche Frucht hervor, aber die ist eigentlich ungenießbar. Der stärkehaltige Stängel und die Wurzeln können zu einem Teig für Brot und Brei fermentiert werden. Eine Enset-Pflanze kann bis zu 12 Jahre alt werden, und 60 Pflanzen könnten eine fünfköpfige Familie ein ganzes Jahr lang ernähren, so Kew. Das und die Tatsache, dass er zu jeder Jahreszeit gepflanzt und geerntet werden kann, haben ihm den Namen "Baum gegen den Hunger" eingebracht. Wilde Verwandte des Enset wachsen bis nach Südafrika, was bedeutet, dass die Pflanze potenziell in großem Umfang angebaut werden könnte. Ein weiterer Pluspunkt: Sie kann als Baumaterial verwendet werden, da ihre Fasern Lehmmauern verstärken. Abbildung 1 D.
Andere Bohnen
Bohnen sind bereits weltweit beliebt, aber die Kew-Wissenschaftler sind der Meinung, dass sie noch vielseitiger genutzt werden könnten. Neben den weltweit bekannten und beliebten Bohnen wie Kidneybohnen, Pintos, Favas, Kichererbsen, Erbsen und Linsen könnten Hunderte weiterer wilder Arten angebaut werden. So zum Beispiel die Yeheb-Nuss, die in Somalia und Äthiopien wächst und wie eine Kastanie schmeckt, oder die im Mittelmeerraum verbreitete essbare Lupine, die für Snacks eingelegt oder zu Mehl gemahlen werden kann. Bohnen sind äußerst trockenheitstolerant und führen dem Boden Stickstoff zu, der ihn für andere Kulturen vorbereitet. Außerdem wachsen sie bereits auf allen Kontinenten außer der Antarktis. Abbildung 2A.
Abbildung 2. A: Bohnen (Elizabeth Perez Holowaty/Getty Images) , B: Nori-Kultur im Meer in der Stadt Xiapu, Provinz Fuijian, China (Pone Pluck/Getty Images), C: Pandanus Nan Marot / 500px/Getty Images, D: Chaya (Frank Vincentz via Wikipedia under CC BY-SA 3.0 |
Seetang
In den letzten Jahren hat das "Ocean Farming" an Popularität gewonnen, da es eine Möglichkeit darstellt, Gemüse ohne Süßwasser, Dünger oder Landnutzung zu produzieren. Die meisten von uns kennen Nori, die getrockneten Blätter aus rotem Seetang, die zum Einwickeln von Sushi verwendet werden. Aber auch viele andere Formen von Algen sind essbar, von Kelp (auf Japanisch als Wakame bekannt und in Suppen und anderen Gerichten verwendet) bis hin zu Dulse, die in Irland oft in Sodabrot gebacken wird. Abbildung 2B.
Pandanus
Pandanus, ein kleiner Baum aus der Gattung der Schraubenkiefern, wächst in warmen Niederungen an der Küste und auf Inseln im asiatisch-pazifischen Raum. Als Küstenpflanze ist sie an Salzsprühnebel und starke Winde gewöhnt. Die weibliche Pflanze bringt eine vitamin- und kaliumreiche, ananasähnliche Frucht hervor, und sowohl die männlichen als auch die weiblichen Pflanzen haben aromatische Blätter, die zum Würzen von Marmeladen, Kuchen und Reisgerichten oder zum Einwickeln von Fleisch und Fisch verwendet werden. Abbildung 2C.
Chaya
Die auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan im Süden Mexikos beheimatete Chaya produziert Blätter und Triebe, die auch als Baumspinat bekannt sind. In rohem Zustand sind diese hochgiftig. Werden sie jedoch gekocht und gedünstet, sind sie eine hervorragende Quelle für Proteine, Vitamine, Eisen und Kalzium. Sie sind äußerst resistent gegen Schädlinge und vertragen Trockenheit und starken Wind. Abbildung 2D.
*Der vorliegende Artikel ist unter dem Titel " Eight Superfoods That Could Future-Proof Our Diet" am 12 . Juli 2022 im Smithsonian Magazin erschienen https://www.smithsonianmag.com/innovation/eight-superfoods-that-could-future-proof-our-diet-180980394/.
Autorin ist die Innovations-Korrespondentin Emily Matchard. Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt.
Information zu den Royal Society Gardens, Kew (UK)
Kew Gardens
Pflanzen und Pilze sind lebenswichtig für die Zukunft von Lebensmitteln, sauberer Luft und Medizin. Wir kämpfen gegen den Verlust der biologischen Vielfalt, um das Leben auf der Erde zu retten.https://www.kew.org/kew-gardens
Kew Science
Unser Ziel ist es, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und naturbasierte Lösungen für einige der größten globalen Herausforderungen der Menschheit zu entwickeln. https://www.kew.org/science
Millennium Seed Bank
Die größte und vielfältigste genetische Ressource für Wildpflanzenarten in der Welt; eine unterirdische Sammlung von mehr als 2,4 Milliarden Samen aus der ganzen Welt, die seit 2000 in einer Bank aufbewahrt werden, um sie für die Zukunft zu erhalten. 97 Länder haben beigetragen.https://www.kew.org/wakehurst/whats-at-wakehurst/millennium-seed-bank
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