Do, 16.05.2019 - 06:48 — Elena Levashina
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) zeigt mit seinem alljährlichen Bericht „Environment Frontiers“ auf, welche Herausforderungen die natürlichen Lebensgrundlagen auf unserem Planeten künftig maßgeblich mitbestimmen werden. Im kürzlich vorgestellten Report 2018/2019 [1] wird fünf neu auftretenden Themen besondere Bedeutung zugemessen. Es sind dies die Synthetische Biologie, die Ökologische Vernetzung, Permafrostmoore im Klimawandel, die Stickstoffkreislaufwirtschaft und Fehlanpassungen an den Klimawandel. In der Synthetischen Biologie, der "Neugestaltung unserer Umwelt" wird das Erbgut von Organismen verändert, sodass für den Menschen nützliche Eigenschaften entstehen. Nach dem Interview zur Freisetzung genetisch veränderter infektiöser Viren in der Vorwoche [2] bezieht nun Prof. Elena Levashina (Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie) Stellung zur Anwendung solcher Technologien im Kampf gegen Malaria-Erreger.
Wenn sich Gene schneller in einer Population ausbreiten als normal, spricht man von einem sogenannten Gene Drive [3]. Wissenschaftler wollen diesen Mechanismus zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten nutzen, indem sie die Überträger von Krankheitserregern, zum Beispiel Moskitos, unfruchtbar machen. Für Elena Levashina vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin könnte die Technik eine wichtiger Bestandteil im Kampf gegen Infektionskrankheiten werden.
H.R.: Kann es Ihrer Meinung nach gelingen, mit Gene Drive Mückenpopulationen auszurotten und damit Infektionskrankheiten zu eliminieren?
E.L.: Der Gene Drive ist ein faszinierender Mechanismus, mit dem wir sehr schnell eine Population verändern können. Es geht aber nicht nur darum Mücken auszurotten. Man könnte die Tiere auch zum Beispiel resistent gegen bestimmte Krankheitserreger machen oder eine Population durch eine andere ersetzen. Abbildung 1.
Abbildung 1. Die Ägyptische Tigermücke kann verschiedene Krankheiten übertragen, darunter Gelb- und Dengue-Fieber. Genetisch veränderte Mücken aus dem Labor sollen die wildlebenden Vorkommen dezimieren und so die Infektionsgefahr für den Menschen verringern. ©Science Photo Library / Agentur Focus
Der Gene Drive wird sicherlich nicht das Allheilmittel gegen Infektionskrankheiten sein. Dafür sind die Verhältnisse vor Ort zu unterschiedlich. In Afrika zum Beispiel, wo durch Mücken übertragene Malaria jedes Jahr immer noch unzählige Menschenleben fordert, werden wir verschiedene Maßnahmen kombinieren müssen, um die Krankheit zu besiegen. Der Gene Drive kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
H.R.: Was weiß die Wissenschaft über die Auswirkungen des Gene Drive?
E.L.: Auf genetischer Ebene ist der Gene Drive inzwischen recht gut erforscht. Laborergebnisse zeigen, dass sich damit Moskito-Populationen zuverlässig eliminieren lassen.
H.R.: Was ist mit den ökologischen Folgen in der freien Natur?
E.L.: Hier besteht in der Tat noch Forschungsbedarf. Manche Moskito-Arten haben komplexe Populationsstrukturen. Außerdem haben wir es manchmal mit verschiedenen Arten zu tun, die eine Krankheit übertragen können. Was passiert, wenn wir eine dieser Arten ausrotten oder genetisch verändern?
Unsere eigenen Forschungsergebnisse haben beispielsweise gezeigt, dass eine der beiden Malaria-Mücken in Afrika ein Resistenz-Gen gegen die Erreger (das sind einzellige Parasiten - Plasmodien; Anm. Redn.) besitzt. Wenn nun ausgerechnet diese mittels Gene Drive eliminiert wird, kann sich die Art ohne Resistenz möglicherweise ausbreiten. Dies könnte zu höheren Infektionsraten führen als zuvor (siehe: Weiterführende Links).
Bei anderen Mückenarten wie den Überträgern des Zika-Virus sind die Verhältnisse einfacher. Deshalb werden hier schon Freilandstudien durchgeführt.
In jedem Fall müssen die möglichen Folgen genau überprüft und Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden, bevor genetisch veränderte Moskitos in die Umwelt entlassen werden.
Und natürlich muss die Bevölkerung vor Ort in solche Entscheidungen mit einbezogen werden. Das Gespräch hat Dr.Harald Rösch (Redaktion MaxPlanckForschung) geführt.
[1] UN Environment: Frontiers 2018/19: Emerging Issues of Environmental Concern (04.03.2019) https://www.unenvironment.org/resources/frontiers-201819-emerging-issues-environmental-concern
[2] Guy Reeves, 9.5.2019: Zur Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Natur. http://scienceblog.at/freisetzung-genetisch-ver%C3%A4nderter-organismen
[3] Video, Akademie der Naturwissenschaften, Schweiz: Gene Drives - Wundermittel? Biowaffe? Hype? (Fast Forward Science 2018). 6:19 min. (Quelle: https://naturwissenschaften.ch/topics/synbio/applications/gene_drive) https://www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=ezR3CzOi8j8
*Das Interview mit Elena Levashina zum Einsatz genetisch veränderter Moskitos gegen Malaria ist unter der Headline " „Ein Maßnahmenbündel gegen Infektionskrankheiten“ am 18.April 2019 auf der News-Seite der Max-Planck-Gesellschaft erschienen (https://www.mpg.de/13364284/earth-day-2019-levashina?c=13363910) und wurde mit freundlicher Zustimmung der MPG-Pressestelle ScienceBlog.at zur Verfügung gestellt. Einige Links wurden von der Redaktion eingefügt.
Weiterführende Links
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. http://www.mpiib-berlin.mpg.de/
Vector Biology (Leitung: Elena Levashina). http://www.mpiib-berlin.mpg.de/research/vector_biology
Malaria: Auf die Mücke kommt es an. http://www.mpiib-berlin.mpg.de/1872316/malaria-it-s-all-about-the-mosquito
Ein bewegliches Ziel. Interview mit Elena Levashina zum Stand der Malariaforschung, 24. April 2019. https://www.mpg.de/newsroom/Infektionsbiologie/de
Ein Stich gegen Malaria. https://www.mpg.de/4327238/W001_Biologie-Medizin_056-063.pdf
Kampf gegen Malaria: Können wir gewinnen? | Projekt Zukunft.(2015) Video 3:47 min. Ein Gepsräch über die Seuche Malaria und die Schwierigkeiten, einen Impfstoff dagegen zu entwickeln. Dr. Kai Matuschewski ist Forscher am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie Berlin. https://www.youtube.com/watch?v=qim6d-OMSsA
WHO: World malaria report 2018. https://www.who.int/malaria/publications/world-malaria-report-2018/report/en/
Artikel im ScienceBlog
Bill and Melinda Gates Foundation, 02.05.2014: Der Kampf gegen Malaria. http://scienceblog.at/der-kampf-gegen-malaria.
Redaktion, 09.10.2015: Naturstoffe, die unsere Welt verändert haben – Nobelpreis 2015 für Medizin. http://scienceblog.at/nobelpreis-2015-medizin.
Peter Seeberger, 16.05.2014: Rezept für neue Medikamente http://scienceblog.at/rezept-fuer-neue-medikamente
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