Wie die Bausteine des Lebens aus dem Weltall auf die Erde kamen

Wie die Bausteine des Lebens aus dem Weltall auf die Erde kamen

DoDmitry Semenov, Thomas Henning19.07.2018 - 10:03 — Dmitry Semenov, Thomas Henning Icon Astronomie

Die Frage nach dem Ursprung des Lebens auf der Erde ist eine der grundlegenden Fragen der Wissenschaft. Astronomen der McMaster University und des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) haben ein stimmiges Szenario für die Entstehung von Leben auf der Erde berechnet, das auf astronomischen, geologischen, chemischen und biologischen Modellen basiert [1]. Dmitry Semenov und Thomas Henning vom MPIA beschreiben hier dieses Szenario, in welchem sich das Leben nur wenige hundert Millionen Jahre, nachdem die Erdoberfläche soweit abgekühlt war, dass flüssiges Wasser existieren konnte, formte. Die wesentlichen Bausteine für das Leben wurden während der Entstehung des Sonnensystems im Weltraum gebildet und durch Meteoriten in warmen kleinen Teichen auf der Erde deponiert.*

Wie auf der Erde vor rund vier Milliarden Jahren das erste Leben entstand, ist eine der großen Fragen der Wissenschaft. Neue Ergebnisse von Forschern der McMaster University (Hamilton, Kanada) und des Max-Planck-Instituts für Astronomie deuten darauf hin, dass Meteoriten dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben dürften. Diese Körper landeten in warmen kleinen Teichen auf der Erde (Abbildung 1) und deponierten dort organische Stoffe, welche die Entstehung des Lebens in Form von selbstreplizierenden RNA-Molekülen ermöglichten [1].

Abbildung 1. Ein kleiner warmer Teich auf der heutigen Erde, auf dem Bumpass Hell Trail im Lassen Volcanic National Park in Kalifornien. Die kleinen warmen Teiche, in denen das erste Leben entstanden sein könnte, sahen vermutlich nicht unähnlich aus. © B. K. D. Pearce

Lebensentstehung - Ein Modell, das Astronomie, Geologie, Chemie und Biologie zusammenfasst

Die Schlussfolgerungen der Astronomen basieren auf einem Modell, das heutiges Wissen zu Planetenentstehung, Geologie, Chemie und Biologie zusammenfasst - Berechnungen, die unser Wissen über die Geologie der frühen Erde, die chemischen Bedingungen, die Eigenschaften der beteiligten Moleküle und astronomische Informationen über die Eigenschaften von Meteoriten und interplanetaren Stäuben miteinander verbinden. Dass solch eine quantitative Analyse nun erstmals möglich ist, verdanken wir Fortschritten auf vielen Gebieten: von der Mikrobiologie über die Suche nach Exoplaneten bis hin zu Beobachtungen planetarer Kinderstuben bei anderen Sternen.

Das vielleicht interessanteste Ergebnis der Berechnungen ist, dass das Leben vergleichsweise früh entstanden sein dürfte: Nur wenige hundert Millionen Jahre nachdem die Erde ausreichend abgekühlt war, um flüssiges Oberflächenwasser wie Teiche oder Ozeane zuzulassen. Damals trafen ungleich viel mehr Meteorite auf die Erde als heutzutage.

Bis jetzt hatte niemand diese Berechnungen tatsächlich durchgeführt. Weil das neue Modell so viele Ergebnisse aus so vielen verschiedenen Bereichen einschließt, ist es erstaunlich, dass alles so schlüssig zusammenhängt. Jeder Schritt des Modells führte ganz natürlich zum nächsten. Dass dabei am Ende ein klares Bild herauskam, ist ein klares Indiz dafür, dass das Szenario so falsch nicht sein kann.

Um den Ursprung des Lebens zu verstehen, müssen wir die Erde so verstehen, wie sie vor Milliarden von Jahren war. Wie die Studie des Max-Planck-Instituts zeigt, liefert die Astronomie einen wichtigen Teil der Antwort. Die Details der Entstehung unseres Sonnensystems haben direkte Folgen für den Ursprung des Lebens auf der Erde.

Meteorite transportieren Bausteine des Lebens in kleine warme Teiche

Die neue Arbeit unterstützt die Hypothese, Leben sei in kleinen warmen Gewässern entstanden. (Der Ausdruck "kleiner warmer Teich", „warm little pond“, geht übrigens auf eine der frühesten Spekulationen über den Ursprung des Lebens zurück: einen Brief von Charles Darwin an den Botaniker Joseph Hooker aus dem Jahr 1871.) In den Zyklen, in denen flache Teiche erst austrocknen und sich dann wieder mit Wasser füllen, werden die chemischen Inhaltsstoffe gehörig konzentriert, was Bindungen zwischen den Nukleotiden (aus Nukleobasen, Phosphatgruppen und Zuckerresten zusammengesetzte Bausteine der Nukleinsäuren; Anm. Redn.) und damit die Entstehung längerer RNA-Ketten begünstigt. Die Forscher konnten zeigen, dass Meteoriten eine ausreichende Menge an Nukleobasen zu Tausenden solcher Teiche auf der Erde transportiert haben könnten und damit die Entstehung selbstreplizierender RNA-Moleküle in mindestens einem dieser Teiche anstießen. Abbildung 2.

Abbildung 2. Schematische Darstellung der verschiedenen Einflüsse auf chemische Verbindungen in kleinen warmen Teichen im Wasser und während der Trockenphase: Materialnachschub durch Meteoriten und interplanetare Staubkörnern, Versickerung, Verdunstung, Wiederbefüllung durch Niederschlag, Hydrolyse komplexerer Moleküle und Photodissoziation durch UV-Photonen der Sonne. (Anm. Redn.: Nucleobasen - hier im Bild Adenin - werden in Meteoriten in Konzentrationen bis zu 515 ppb gefunden [1]; IDP bedeutet interplanetare Staubpartikel) © McMaster University

Basierend auf dem bekannten Wissen über die Planetenbildung und die Chemie des Sonnensystems haben die Forscher des MPIA ein konsistentes Szenario für die Entstehung des Lebens auf der Erde vorgeschlagen. Sie liefern plausible physikalische und chemische Informationen über die Bedingungen, unter denen das Leben hätte entstehen können. Jetzt sind die Experimentatoren an der Reihe, herauszufinden, wie das Leben unter diesen ganz spezifischen frühen Bedingungen tatsächlich entstanden sein könnte.

Eine frühe RNA-Welt

Damit ist zwar noch lange keine definitive Antwort auf die fundamentale Frage nach dem Ursprung des Lebens auf der Erde gefunden, aber in den letzten Jahrzehnten haben sich einige interessante mögliche Antworten ergeben. Eine in den 1980er Jahren näher ausgearbeitete Theorie postuliert eine RNA-Welt: Die genetische Information höherer Organismen wird in der Doppelhelix der DNA-Moleküle gespeichert, aber es gibt auch eng verwandte Moleküle, RNA (Ribonukleinsäure), die eine herausragende Rolle in modernen Zellen spielen. Insbesondere katalysieren sie in den Zellen bestimmte chemische Reaktionen und sind für die Weiterleitung genetischer Informationen ebenso unentbehrlich wie für die Synthese spezifischer Proteine (sozusagen den Dekreten der Zellregierung) auf der Grundlage des genetischen Codes. Bei einigen Viren wird für die Speicherung der genetischen Information überhaupt keine DNA verwendet, sondern alle Informationen sind in Virus-RNA kodiert.


[1] Ben K. D. Pearce, Ralph E. Pudritz, Dmitri Semenov, Thomas K. Henning. Origin of the RNA World: The Fate of Nucleobases in Warm Little Ponds. Proc. Nat. Acad. Sci,114,11327 (2017). Die Arbeit ist unter https://arxiv.org/pdf/1710.00434.pdf frei zugänglich.

Vor wenigen Wochen wurden die Autoren Ben K. D. Pearce ( McMaster University), Ralph E. Pudritz (McMaster University, Max-Planck-Institut für Astronomie und Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg) und Dmitri Semenov und Thomas K. Henning (beide Max-Planck-Institut für Astronomie) für diese bahnbrechende Arbeit von der US National Academy of Sciences mit dem renommierten Cozzarelli Preis ausgezeichnet.


* Der Artikel ist eben unter dem gleichnamigen Titel: " Wie die Bausteine des Lebens aus dem Weltall auf die Erde kamen" (https://www.mpg.de/11813292/mpia_jb_2018?c=12090594) im Jahrbuch 2018 der Max-Planck-Gesellschaft erschienen. Der Artikel wurde mit freundlicher Zustimmung der Autoren und der MPG-Pressestelle dem ScienceBlog zur Verfügung gestellt. Der Artikel erscheint ungekürzt; von der Redaktion eingefügt wurden Untertitel und zwei Sätze wurden aus der Seite des MPIA http://www.mpia.de/aktuelles/wissenschaft/2017-10-rna-teiche?page=2&seite=2.


Weiterführende Links

Max-Planck-Institut für Astronomie (Heidelberg)

Bausteine, die vom Himmel fallen (18.06.2018) (ausführliche Darstellung der Arbeit von Dimitrov und Henning)

Ursprung des Lebens (02.07.2018) Podcast, 22:45 min.

Heidelberg Initiative for the Origins of Life – HIFOL

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Petra Schwille: Campus TALKS: Zelle 0:0: Was braucht es, um zu leben? Video: 12:46 min.

Artikel im ScienceBlog

inge Thu, 19.07.2018 - 10:03