Durch Spiele verstehen: warum es uns immer noch nicht gelingt die Entwaldung zu stoppen
Durch Spiele verstehen: warum es uns immer noch nicht gelingt die Entwaldung zu stoppenDo, 28.05.2020 — IIASA
Klimawandel und veränderte Landnutzung bringen die Wälder weltweit in Gefahr. Trotz vielfach verstärkter nationaler und internationaler Bemühungen schreitet die Entwaldung fort. In den Strategien zur Wiederbewaldung wurde bis jetzt außer Acht gelassen, wie Menschen die Welt sehen und ihre Wahl zwischen Wäldern und ihrem Lebensunterhalt treffen. Speziell designte Spiele sollen zu einem besseres Verständnis des menschlichen Agierens verhelfen und es Interessensvertretern und Entscheidungsträgern auch bei kontroversen Wertvorstellungen ermöglichen ihre „Stärken aufeinander abzustimmen“ und zu praktikablen Lösungen zu gelangen.*
Die Entwaldung schreitet fort
Abbildung 1.
Abbildung 1. Entwaldung im Maranhao Staat (Brasilien) 2016 (Bild von Redn. eingefügt; Quelle: Wikipedia, File:Operação Hymenaea, Julho-2016 (29399454651).jpg CC BY 2.0) |
Während sich in den letzten Jahren nationale und internationale Anstrengungen vervielfacht haben den Trend zur Entwaldung umzukehren, gibt es noch keine eindeutigen Hinweise darauf, dass diese Initiativen tatsächlich funktionieren. Ein neuer, im Fachjournal One Earth veröffentlichter Artikel fordert einen radikal anderen Ansatz: dessen Schwerpunkt liegt darin zu verstehen, wie Individuen ihre Wahl zwischen dem Bestand von Wäldern und dem ihre Existenz sichernden Lebensunterhalt treffen [1].
Abbildung 2. Trotz nationaler und internationaler Initiativen verlangsamt sich die Entwaldung nicht. Rückgang der Baumkronen-Dichte und Zeitpläne internationaler Initiativen. (Daten von der Global Forest Watch. Adapted from a press release prepared by CIRAD.) |
An der Studie waren insgesamt 23 Forscher, Berater und NGO-Aktivisten aus 13 verschiedenen Ländern in Europa und Nordamerika beteiligt. Ihrer Meinung nach müssen die Strategien zur Entwaldung und Wiederaufforstung ebenso komplexen Charakter haben, wie die davon betroffenen Menschen. Die Studie betont dabei, dass in den letzten Jahren trotz der Fülle an nationalen, internationalen, öffentlichen und kommerziellen Initiativen die Ziele verfehlt wurden und die Trends zur Entwaldung fortdauern. Abbildung 2.
Initiativen zur Wiederbewaldung.......
Die großen Konzerne Nestlé und Procter & Gamble gaben beispielsweise im September 2019 bekannt, dass sie ihre selbst auferlegten Ziele einer Null Abholzung nicht einhalten würden. Von den an der an der Bonn Challenge [2] beteiligten Ländern haben sich 10 % das unmögliche Ziel gesetzt, eine Fläche aufzuforsten, die erheblich über das hinausgeht, was innerhalb ihrer Landesgrenzen zur Restaurierung zur Verfügung steht. Erst neulich, während der COVID-19-Krise, gab es in Brasilien einen Anstieg der Entwaldung. Bestimmender Faktor in all diesen Fällen ist die Art und Weise, wie Menschen Entscheidungen treffen.
.........haben bislang vernachlässigt, wie betroffene Menschen agieren
Um überhaupt einen Zugang dazu zu finden, warum Strategien versagen, muss man nach Meinung der Forscher zu einem besseren Verständnis kommen, wie von der Wiederbewaldung betroffene Menschen agieren und zu „mentalen Modellen“ - anders ausgedrückt, wie Individuen die Welt sehen und wie sie Entscheidungen treffen. Dieser Teil des Puzzles wurde bis jetzt weitgehend vernachlässigt, und dies könnte erklären, warum Verhandlungen in Pattsituationen enden und Zusagen und Strategien sich als unwirksam erweisen.
Speziell designte Spiele ermöglichen aufeinander abgestimmte Entscheidungsfindungen
Um dieses Problem anzugehen, sollte man nach Ansicht der Autoren die Annahme verwerfen, dass jeder auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten muss. Stattdessen schlagen sie vor, speziell designte Brettspiele zu verwenden, die es Interessensvertretern und Entscheidungsträgern ermöglichen, ihre „Stärken aufeinander abzustimmen“ ("align forces"), auch wenn sie unterschiedliche und manchmal sogar gegensätzliche Wertvorstellungen und Weltanschauungen haben. Es ist dies eine Methode, die nachweislich geholfen hat- ob in Gemeindesälen oder in Vorstandsetagen - Voreingenommenheit erfolgreich zu überwinden und aus Sackgassen heraus zu kommen. Die Forscher hoffen, dass Chefverhandler bei wichtigen internationalen Gesprächen wie der COP15 (der 15. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, die im Oktober 2020 in Kunming, China stattfinden soll ) und der 26. UN-Klimakonferenz (COP26; die für 2021 inGlasgow, Großbritannien geplant ist) auch bereit sein werden hier mit zu spielen.
„Wir haben bereits ein Vierteljahrhundert über das Problem gesprochen und sind weit davon entfernt, die aktuellen Trends umzukehren. Vielleicht ist es an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Claude Garcia, Ökologe am französischen Agrarforschungszentrum für internationale Entwicklung (CIRAD) und Erstautor des Artikels.
Mit Hilfe der Spiele können die Teilnehmer sich ihrer Möglichkeiten und der Prozesse, die zur Entscheidungsfindung führen, bewusst werden - dies gibt Raum für Überlegungen und zur Identifizierung von aufeinander abgestimmten Zielen. Dabei können Teilnehmer ihre eigene Rolle spielen oder in die Rolle eines anderen schlüpfen, um die Erfahrung der Entscheidungsfindung und der hypothetischen Konsequenzen zu durchleben; dies verleiht gewonnenen Erkenntnissen mehr Eindruck. Bereits 2018 hat sich die Methode als besonders erfolgreich erwiesen, als nach zwei Jahren Leerlauf ein solches Spiel den Teilnehmern half, eine Einigung über das Management der intakten Forstlandschaft im Kongobecken zu erzielen [3].
„Derzeit lassen alle unsere Modelle dieses menschliche Agieren außer Acht. Während wir in der Lage sein können schlechteste Szenarios zu eruieren und die Politik entsprechend zu beraten, gelingt es uns nicht ein Bild einer Zukunft zu geben, wie es sie bisher noch nicht gegeben hat. Dieses menschliche Handeln mit seinem Anpassungsverhalten, den sich ändernden Ansichten und die Entscheidungskriterien in unsere Modelle einzubeziehen, ist der logische nächste Schritt. Anstatt gerade nur das Worst-Case-Szenario vermeiden zu wollen, wird dieser Ansatz ein besseres Verständnis dafür ermöglichen, wie das Anthropozän gestaltet werden kann, um eine bessere Zukunft für alle zu gewährleisten “, schließt Studienkoautor Stephan Pietsch, Forscher im IIASA Ecosystems Services and Management Program.
* Der von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzte Artikel ist am 25. Mai 2020 auf der IIASA Webseite unter dem Titel: " Why are we still failing to stop deforestation?" https://iiasa.ac.at/web/home/about/news/200525-global-forest-transitions.html erschienen. IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung von Inhalten seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt.
[1] Garcia CA, Savilaakso S, Verburg RW, Gutierrez V, Wilson SJ, Krug CB, Sassen M, Robinson BE, et al. (2020). The Global Forest Transition as a human affair. One Earth DOI: 10.1016/j.oneear.2020.05.002
[2] Bonn Challenge: ein 2011 gestartetes globales Projekt zur Wiederherstellung entwaldeter und erodierter Flächen mit dem Ziel 150 Millionen Hektar bis zum Jahr 2020 und 350 Millionen Hektar bis 2030 zu renaturieren. https://www.bonnchallenge.org/
[3] Wicked games: using games to resolve environmental conflicts | Claude Garcia | TEDxZurich. Video 14 min. https://www.youtube.com/watch?v=v362bMWL0Yw&feature=emb_title
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