Die globale Krise der Antibiotikaresistenz und diesbezügliches Wissen und Verhaltensweisen der EU-Bürger (Spezial Eurobarometer 522)

Die globale Krise der Antibiotikaresistenz und diesbezügliches Wissen und Verhaltensweisen der EU-Bürger (Spezial Eurobarometer 522)

So, 11.12.2022— Redaktion Vorname ZunameIcon Medizin

Übermäßiger und untauglicher Einsatz von Antibiotika in Human- und Veterinärmedizin hat zunehmend zur Entstehung (multi-) resistenter Keime geführt, gegen die auch die potentesten Reserve-Antibiotika nichts mehr ausrichten können; an und mit antibiotikaresistenten Infektionen sterben weltweit jährlich bereits Millionen Menschen. Um die Ausbreitung solcher Infektionen einzudämmen, ist ein gezielter, maßvoller Umgang mit Antibiotika erforderlich. Dies setzt ausreichende Kenntnisse über Antibiotika, deren Gebrauch und Risiken voraus. Seit 2009 hat die EU-Kommission ihre Bürger nun bereits zum fünften Mal hinsichtlich ihres diesbezüglichen Wissenstands, ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen befragt. Laut der diesjährigen Umfrage ist der Einsatz von Antibiotika zwar auf den bislang niedrigsten Wert gesunken, allerdings nimmt die Hälfte der Befragten fälschlicherweise an, dass Antibiotika gegen Virusinfektionen wirken und wendet diese auch dagegen an  - das Problem, dasss über 90 % der dafür ausgestellten Rezepte und Behandlungen von Ärzten stammten, wird nicht behandelt [1].

Die Krise der Antibiotikaresistenz ist - wie auch andere derzeitige Krisen - eine globale und anthropogen, vom Menschen gemacht. Verursacht wurde sie durch übermäßigen Einsatz und falsche Anwendung der vorhandenen Antibiotika und eine vor mehr als 30 Jahren ins Stocken geratene Entwicklung neuer wirksamer Antibiotika, gegen die (vorübergehend noch) keine Resistenzen bestehen. Zuvor existierte eine so breite Palette hochwirksamer Medikamente, dass die Pharmaindustrie die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotikaklassen einstellte und aus nachvollziehbaren Rentabilitätsgründen auch nicht wieder aufnahm, als Resistenzen gegen mehr und mehr "alte" Antibiotika auftauchten. Abbildung 1.

Abbildung 1. Seit mehr als 30 Jahren sind keine neue Klassen von Antibiotika auf den Markt gekommen. (Bild übernommen aus A. Hudson (11.2021) https://www.asbmb.org/asbmb-today/policy/110721/antibiotic-resistance-is-at-a-crisis-point. Quelle React Group, Lizenz cc-by-nd)

Antibiotikaresistenzen sind auf dem Vormarsch....

Mikroorganismen - ob es sich nun um Bakterien, Pilze, Algen, Viren oder Protozoen handelt - werden in zunehmendem Maße gegen antimikrobielle Substanzen resistent, auf die sie vordem hochsensitiv angesprochen haben. Dies ist ein natürlicher Evolutionsprozess, der auf Genmutation und Selektion der fittesten - d.i. im Infektionsprozess am besten propagierenden - Mikrobenstämme basiert.

Bakterien vermehren sich sehr rasch und machen bei der Kopierung ihres Erbguts relativ viele Fehler. Durch solche Mutationen kann eine bakterielle Zielstruktur (Target) von dem dagegen designten Antibiotikum schlechter/nicht mehr erkannt werden; das betroffene Bakterium kann sich in Gegenwart des Antibiotikums weiter zu einer neuen, resistenteren Population vermehren. Erfolgt eine Antibiotika Behandlung nicht ausreichend lang, oder war die Dosis zu niedrig, um auch die resistenteren Keime zu eliminieren, so bleiben diese über und können ihre Resistenzgene auch auf andere Bakterien übertragen. So entstehen dann multiresistente Erreger.

Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin und ihre falsche Anwendung - etwa bei der Behandlung von Viren, gegen die sie ja unwirksam sind, oder wenn sie nicht über die notwendige Behandlungsdauer eingenommen werden - haben die Resistenzentwicklung von Bakterien gegen diese Medikamente forciert und zu einer enormen Gefahr für die ganze Welt werden lassen.

Gegen Antibiotika (multi)resistente Bakterien kommen überall und in allen Ländern vor. Sie finden sich in Lebensmitteln, in der Umwelt, bei Tier und Mensch; in Spitälern - vor allem in den Intensivstationen - stellen sie eine enorme Bedrohung dar. Es wird damit immer schwieriger, Patienten vor solchen Infektionen zu schützen und chirurgische Eingriffe, Transplantationen, Chemotherapien und andere Behandlungen mit nur geringem Risiko durchzuführen. Ein Video der WHO vor 2 Wochen hat eingehend vor einem Aufsuchen von Spitälern ohne triftigem Grund gewarnt [2].

Eine Prognose der WHO aus dem Jahr 2015 geht davon aus, dass 2050 voraussichtlich bereits 10 Millionen Menschen an bakteriellen Infektionen sterben werden, mehr als an der bisherigen Nummer 1, den Krebserkrankungen, sofern keine wirksamen neuen Medikamente, Vakzinen oder andere Behandlungsmethoden auf den Markt kommen. Eine neue Studie [3] lässt befürchten, dass dieser Todeszoll schon viel früher erreicht werden wird.

....... und gehören bereits zu den häufigsten Todesursachen

Die Entwicklung der Corona-Pandemie hat die Gefahr der global steigenden Antibiotikaresistenzen vorübergehend in den Hintergrund rücken lassen, obwohl deren Auswirkungen noch gravierender sein dürften, als die von COVID-19. So sind laut täglichem Dashboard seit Beginn der Pandemie anfangs 2020 rund 6,65 Millionen Menschen an und mit COVID-19 verstorben. Pandemien sind definitionsgemäß aber zeitlich begrenzt, nicht so Antibiotikaresistenzen - die Zahl der Schwerstkranken und der Todeszoll steigen weiter und weiter. Eine neue, im Rahmen des  Global Research on Antimicrobial Resistance (GRAM) Project durchgeführte Studie, liefert die erste umfassende Evaluierung der antibiotikaresistenten Bakterien und deren Auswirkungen auf der ganzen Welt. Basierend auf der Analyse von 471 Millionen einzelnen Datensätzen oder Isolaten aus 204 Ländern kommt das Autorenteam (mehr als 170 Forscher!) zu dem Schluss, dass 1,27 Millionen Todesfälle im Jahr 2019 direkt durch Antibiotikaresistenzen verursacht wurden und insgesamt 4,95 Millionen Verstorbene mit mindestens einer antibiotikaresistenten Infektion assoziiert wurden [3].

Es sind durchwegs häufige, früher auf Antibiotika gut ansprechende bakterielle Infektionen, die nun durch resistente, oft multiresistente Keime ausgelöst werden; vor allem sind hier Infektionen der unteren Atemwege, des Blutkreislaufs (Sepsis) und intraabdominelle Infektionen zu nennen, die Hunderttausende Todesopfer fordern. Abbildung 2. Für fast 80 % dieser Todesfälle sind 6 (multi)resistent gewordene Bakterienstämme verantwortlich von: Escherichia coli , Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae , Streptococcus pneumoniae, Acinetobacter baumannii, und Pseudomonas aeruginosa [3].

Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit kollektiver globaler Maßnahmen, wie die Entwicklung neuer Antibiotika - die von der Pharmaindustrie über Jahrzehnte ignoriert wurden - und Impfstoffe und eine verbesserte Überwachung der Antibiotikaresistenz.

Abbildung 2. Weltweite Todesfälle (Zahlen), die auf bakterielle Resistenz gegen Antibiotika zurückzuführen sind ("attributable")/ damit in Verbindung stehen ("associated"), nach infektiösem Krankheitsbild. Abkürzungen stehen für bakterielle Infektionen von: LRI+: unteren Atemwegen,Thorax; BSI: Blutbahn; UTI: Harntrakt, Pyelonephritis; CNS: Meningitis u.a. CNS Infektionen, cardiac: Endocarditis u.a.; Skin= Haut und Subcutis; Bone+: Knochen, Gelenke; TF–PF–iNTS= Typhus, Paratyphus und invasive nicht-typhoide Salmonella spp. (Bild aus ‘Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis’ [2]; Lizenz: cc-by)

Zur Situation in der EU....

Laut einem aktuellen Report der ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten) sind im Zeitraum 2016 - 2020 in der EU/EEA jährlich mehr als 35 000 Menschen an antibiotikaresistenten Infektionen gestorben [4]; 4 Jahre zuvor war man noch von mehr als 25 000 Todesfällen ausgegangen. Die Infektionen mit den oben genannten resistenten Bakterienstämmen haben sich z.T. mehr als verdoppelt.

Die Bekämpfung von antibiotikaresistenten Infektionen hat zweifellos prioritäre Bedeutung. Die EU hat bereits 2017 den Aktionsplan "One Health" ins Leben gerufen, der über 70 Maßnahmen in neun Politikbereichen umfasst und Gesundheit von Mensch und Tier, Landwirtschaft, Umwelt und Forschung einschliesst [5]. Es kommt darin klar zum Ausdruckt, dass "menschliche und tierische Gesundheit miteinander zusammenhängen, Krankheiten vom Menschen auf Tiere und umgekehrt übertragen werden und deshalb bei beiden bekämpft werden müssen" [5].

Zudem soll auch für ein besseres Verständnis der EU-Bürger für das Resistenzproblem und einen sachgerechten Umgang mit Antibiotika gesorgt werden. In diesem Sinn hat nun bereits zum fünften Mal seit 2009 - vom Feber bis März 2022 - eine Befragung der EU-Bürger zur Antibiotikaresistenz stattgefunden.

.........und EU-weite Umfrage zur Antibiotikaresistenz - Spezial Eurobarometer 522

Wie in den vergangenen Umfragen war das Ziel Kenntnisse, Meinungen und Verhaltensweisen der EU-Bürger zum Problem antimikrobielle Resistenz zu erheben. Im Auftrag der EU-Kommission erfolgte die Umfrage in den 27 Mitgliedstaaten vom 21.Feber bis 21.März, und insgesamt 26 511 Personen ab 15 Jahren und aus unterschiedlichen sozialen und demographischen Gruppen - rund 1000 Personen je Mitgliedsland -nahmen teil. Diese wurden persönlich (face to face) in ihrem Heim und in ihrer Muttersprache interviewt.

Wie auch 2018 wurden die Teilnehmer u.a. gefragt ob und warum sie im letzten Jahr Antibiotika genommen hatten, wie sie diese erhalten hatten und ob ein Test auf den Erreger der Erkrankung erfolgt war.

Des weiteren gab es Fragen

  • zum Kenntnisstand über die Funktionsweise von Antibiotika, über die mit einem unnötigen Einsatz verbundenen Risiken, ob sich die Bürger ausreichend über die Notwendigkeit den unnötigen Antibiotikaeinsatz einzuschränken informiert fühlten, sowie ihr Interesse, mehr und aus welchen Quellen über Antibiotika zu erfahren,
  • zu Ansichten über die am besten geeignete politische Reaktion auf Antibiotikaresistenzen,
  • zu Einstellungen zur Verwendung von Antibiotika bei kranken Tieren und zur Kenntnis des Verbots einer Anwendung von Antibiotika zur Wachstumsförderung bei Nutztieren,
  • zum Verbrauch von Antibiotika sowie Zugang und Bedarf an Antibiotika im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.

 

Die Antworten lauteten ähnlich wie 2018 und nicht minder besorgniserregend:

Haben Sie im letzten Jahr Antibiotika genommen?

Diese Frage beantworteten im EU27-Mittel 23 % der befragten Bürger mit Ja. Dies war scheinbar ein erfreulicher Rückgang zu den früheren Umfragen: 2009 waren es im Mittel 40 %, 2018 immerhin noch 32 %. Der Unterschied im Antibiotikaverbrauch der einzelnen Länder war beträchtlich und reichte von 15 % in Schweden und Deutschland bis 42 % in Malta; in Österreich haben 20 % der befragten Personen angegeben Antibiotika genommen zu haben. Abbildung 3.

Allerdings dürfte der starke Rückgang seit 2018 eine Folge der COVID-19 Epidemie sein: In einem späteren Abschnitt gaben im EU27-Schnitt  insgesamt 45 % - in Österreich 47 % - der Befragten an, dass durch COVID-19 der Bedarf an Antibiotika gesunken sei, weil sie aufgrund verstärkter persönlicher Schutzmaßnahmen wie Masken, räumlicher Distanzierung, verstärkter Handhygiene und auch während der Lockdowns seltener erkrankten.

Abbildung 3. Haben Sie im letzten Jahr orale Antibiotika genommen? Zwischen 15 und 42 % der Teilnahme bejahen diese Frage.(Quelle: [1])

Es ist hier besonders wichtig zu betonen, dass der überwiegende Teil der Befragten in allen Ländern (80 - 95 %) ihre Antibiotika über ein ärztliches Rezept oder direkt vom Arzt erhalten haben, der Rest hatte es sich sonst wo -- in Apotheken, von Freunden, aus übrig gebliebenen Packungen - besorgt. Am unteren Ende der Skala lagen Österreich und Belgien mit 84 % ärztlichen Verschreibungen und Rumänien mit 80 %.

Wofür wurden Antibiotika eingesetzt?

Der (COVID-19-bedingte) Rückgang im Verbrauch von Antibiotika erhält einen negativen Beigeschmack, da ein beträchtlicher Teil der EU-Bürger diese fälschlicherweise bei viralen Infektionen wie "Erkältung", Grippe, der zumeist viral verursachten Bronchitis und den Begleitsymptomen (Fieber, Halsschmerzen, Husten) einsetzte, in denen Antibiotika nutzlos sind:

Nach der im EU27-Schnitt am häufigsten genannten Harnwegsinfektion (15 %) rangierten bereits Anwendungen bei Halsschmerzen (13 %), Bronchitis (12 %), Erkältung (11 %), Grippe (10 %) und Fieber (10 %), um die 9% hatten Antibiotika auch gegen COVID-19 angewandt. Dabei erfolgte die Verschreibung von Antibiotika im EU27-Schnitt bei rund 53 % der Befragten (in Österreich bei 51 %) ohne dass eine Testung auf Bakterien in Blut, Harn oder Speichel stattgefunden hätte.

Man kann sich darüber nur wundern, dass Ärzte für bis zu 98 % der angewandten Antibiotika Rezepte ausgestellt haben, auch wenn offensichtlich virale Infektionen vorlagen, und auch nur in der Hälfte der Fälle auf das mögliche Vorliegen bakterieller Infektionen getestet wurde.

Kenntnisse über Antibiotika und ihre Anwendung

Hier wurden dieselben 4 Fragen wie bereits 2018 gestellt, die Antworten lassen nach wie vor besorgniserregende Wissenslücken erkennen.

  • Können Antibiotika Viren töten ? Im EU27-Mittel gaben nur 50 % (2018: 43 %) der Befragten die richtige Antwort "Nein", dass Antibiotika dazu nicht imstande sind. 11 % sagten, dass sie es nicht wüssten. Auch in den bestabschneidenden Ländern Schweden, Luxemburg, Niederlande und Irland gaben nur 3/4 bis 2/3 der Befragten die richtige Antwort. Österreich hat mit 49 % gegenüber 2018 - damals 28 % - aufgeholt. Abbildung 4.

Abbildung 4 Können Antibiotika Viren töten? Wissenslücken bestehen in allen Ländern (Quelle: [1])
  • 2. Sind Antibiotika bei Verkühlung wirksam? Im EU27-Schnitt wurde dies von 62 % der Teilnehmer richtig mit "Nein" beantwortet (2018 waren es 66 %). In nur 6 Staaten (Ungarn, Bulgarien, Polen, Griechenland, Zypern und Rumänien) gab weniger als die Hälfte die richtige Antwort.
  • Kann unnötige Anwendung von Antibiotika zu deren Wirkungsverlust führen? Hier wussten die Europäer besser Bescheid. 82 % der Teilnehmer bejahten dies (2018 waren es 85 %). Nur 5 Staaten - Bulgarien, Frankreich, Italien, Ungarn und Rumänien - lagen mit der richtigen Antwort unter 80 %.
  • Ist die Anwendung von Antibiotika häufig mit Nebenwirkungen - beispielsweise Durchfall - verbunden? Wie 2018 ist in allen Staaten der überwiegende Teil der befragten Bevölkerung - EU27-Mittel 67 % (2018 68 %) - dieser Meinung. Die Bandbreite reicht von 57 % in Rumänien bis 81 % in Polen.

Der Kenntnisstand ist zusammengefasst, ähnlich wie 2018: europaweit ist etwa nur ein Viertel der Teilnehmer in der Lage die 4 Fragen richtig zu beantworten, und es gibt keinen Staat, in welchem die Mehrheit der Bevölkerung auf alle 4 Fragen die richtige Antwort gibt. Am besten schneidet Nordeuropa ab (Finnland, Schweden, Holland, Luxemburg und Dänemark), am schlechtesten Lettland, Rumänien und Bulgarien.

  • Ähnlich wie 2018 war dem Großteil der Befragten (EU-Schnitt 85 %) bewusst, dass Antibiotika in der vom Arzt verschriebenen Menge und Dauer genommen werden sollen. Allerdings meinen im Mittel 13 %, dass sie mit der Einnahme aufhören können, sobald es ihnen besser geht.
  • Darüber, dass Antibiotika nicht unnötigerweise (beispielsweise bei einer Verkühlung) eingenommen werden sollten, fühlte sich nur ein Fünftel der Befragten informiert. Diese hatten die Information im Wesentlichen vom ihrem Arzt, Apotheker aber auch aus verschiedenen Medien erhalten, wobei Arzt und Apotheker als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden.

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  • Die Anwendung von Antibiotika im Veterinärgebiet, die damit verbundenen Risiken und die Einstellungen dazu in der EU sollen wegen der enormen Wichtigkeit in einem nachfolgenden Artikel dargestellt werden.

 Fazit

Durch uns verursachte Antibiotikaresistenzen haben eine sehr bedrohliche Lage entstehen lassen, die - wie im Fall von COVID-19 - nur durch ernsthafte, globale Anstrengungen gemildert/gelöst werden kann. Hier brauchbare Informationen zu liefern, ist auch das Ziel der letzten diesbezüglichen EU-weiten Umfrage [1]: "Um die Resistenz gegen antimikrobielle Mittel, die eine große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in Europa und weltweit darstellt, zu verlangsamen und zu verringern, ist es von entscheidender Bedeutung, den übermäßigen und falschen Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Das Wissen, die Einstellung und das Verhalten der Allgemeinheit spielen eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung eines umsichtigen Einsatzes von Antibiotika.".

Der vorliegende Report [1] zur Umfrage hält dieser Ambition leider in keiner Weise stand. Es ist eine Aneinanderreihung von Zahlen aus den einzelnen Ländern, ohne die Ergebnisse im Zusammenhang zu diskutieren:

Beispielsweise wird in den Conclusions stolz verkündet, dass der Antibiotikaverbrauch im letzten Jahr stark gesunken ist, ohne darauf einzugehen, dass dies - den Antworten der EU-Bürger entsprechend - zumindest zum großen Teil - den Restriktionen der COVID-19 Pandemie geschuldet war. Ebendort wird auch konstatiert, dass "insgesamt das Wissen der Europäer über Antibiotika verbesserungswürdig ist", da ja nur "die Hälfte weiß, dass Antibiotika gegen Viren unwirksam sind" und ein hoher Anteil der Europäer diese auch bei viralen Infektionen - Erkältungen, Influenza und deren Symptomen - einsetzt. Dass über 90 % der dafür ausgestellten Rezepte und Behandlungen von Ärzten stammten, und daher primär deren Vorgangsweise in Frage gestellt werden sollte, wird nicht angesprochen. Unerwähnt in den Conclusions bleibt auch der enorme Antibiotikaverbrauch im Veterinärgebiet mit den Risiken der weiten Verbreitung (multi)resistenter Keime.

Alles in allem ist Eurobarometer 522 ein ärgerliches, oberflächliches Machwerk, dessen Informationsgehalt mit den vermutlichen Kosten kaum im Einklang steht.

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[1] Special Eurobarometer 522: Antimicrobial Resistance. 17. November 2022. doi: 10.2875/16102

[2] WHO's Science in 5: Microbes are becoming resistant to antibiotics (24 November 2022), Video 5:29 min. https://www.youtube.com/watch?v=ELRw0jRiJe0&t=320s

[3] Antimicrobial Resistance Collaborators ‘Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis’ Lancet2022; 399: 629-55. https://doi.org/10.1016/ S0140-6736(21)02724-0

[4] 35 000 annual deaths from antimicrobial resistance in the EU/EEA (press release, 17. 11.2022). https://www.ecdc.europa.eu/en/news-events/eaad-2022-launch

[5] Europäischer Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen im Rahmen des Konzepts „Eine Gesundheit“ {SWD(2017) 240 final} https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2017%3A339%3AFIN


Weiterführende Links

Antibiotic resistance - the silent tsunami. Video 2:50 min. https://www.youtube.com/watch?v=Uti42LK3lAQ

Wie wirken Antibiotika? Video 5:44 min. Eine sehr leicht verständliche Zusammenfassung (2015; Standard YouTube Lizenz)

Artikel im ScienceBlog:

Redaktion, 22.11.2018: Eurobarometer 478: zum Wissenstand der EU-Bürger über Antibiotika, deren Anwendung und Vermeidung von Resistenzentstehung

Inge Schuster, 23.09.2016: Gehen wir auf eine Post-Antibiotika Ära zu?


 

 

inge Sun, 11.12.2022 - 18:02