Klimamodelle: von einfachen zu hoch komplexen Modellen

Klimamodelle: von einfachen zu hoch komplexen Modellen

Do, 31.05.2018 - 09:57 — Carbon Brief Carbon BriefIcon MINT

Um künftige Klimaänderungen abschätzen und Maßnahmen zu deren Milderung treffen zu können, sind möglichst aussagekräftige Klimamodelle unabdingbar. Wissenschaftler haben in den letzten Jahrzehnten ein breites Spektrum an derartigen Modellen entwickelt, die von einfachsten Arten bis - dank enorm gestiegener Rechnerleistung - zu hochkomplexen Erdsystemmodellen reichen, die auch biogeochemische Kreisläufe und gesellschaftliche Aspekte von Bevölkerung, Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch mit einbeziehen. Über diese verschiedenen Arten informiert hier die britische Plattform Carbon Brief. In Fortsetzung von [1] ist dies der zweite Teil einer umfassenden, leicht verständlichen Artikelserie "Q&A: How do climate models work?"*

Von einfachen Energiebilanzmodellen...

Die ältesten und einfachsten numerischen Klimamodelle sind Energiebilanzmodelle (Energy Balance Models -EBMs). Diese Energiebilanzmodelle sind nicht in der Lage das Klima abzubilden, sie bestimmen bloß die Bilanz aus der Energie, die von der Sonne in die Erdatmosphäre eingestrahlt wird, und der Wärme, die zurück in den Weltraum abgestrahlt wird. Als einzige Klimavariable berechnen sie die Temperatur an der Erdoberfläche (global gemittelt und in Bodennähe; Anm. Redn). Die einfachsten Energiebilanzmodelle benötigen nur wenige Zeilen Computercode und lassen sich in Form einfacher Tabellen ausführen.

Derartige Modelle sind häufig "nulldimensional", das bedeutet, dass sie die Erde als Ganzes wie einen einzelnen Punkt behandeln. Es gibt auch eindimensionale Modelle, beispielsweise solche, die zusätzlich den meridionalen - d.i. horizontal quer über verschiedene Breitengrade der Erdoberfläche (vorwiegend vom Äquator zu den Polen) verlaufenden - Energietransport berücksichtigen.

...über Strahlungskonvektionsmodelle,...

Von den Energiebilanzmodellen geht es im nächsten Schritt zu den Strahlungskonvektionsmodellen (Radiative Convective Models - RCMs), die den Energietransport in die Höhe der Atmosphäre simulieren - zum Beispiel durch Konvektion, da warme Luft aufsteigt. (Konvektion: Energie wird über den Transport von Masse übertragen; Anm. Redn.) Strahlungskonvektionsmodelle können die Temperatur und Feuchtigkeit in verschiedenen Schichten der Atmosphäre berechnen. Diese Modelle sind typischerweise eindimensional - berücksichtigen dabei nur den Energietransport in die Atmosphäre hinauf - sie können aber auch zweidimensional sein.

...Globale Zirkulationsmodelle,...

Auf der nächsthöheren Ebene finden sich die sogenannten Allgemeinen Zirkulationsmodelle (General Circulation Models -GCMs). Diese, auch als Globale Klimamodelle bezeichneten Modelle simulieren die physikalischen Prozesse des Klimasystems. Dies bedeutet, sie erfassen die Strömungen von Luft und Wasser in der Atmosphäre und/oder den Ozeanen, ebenso wie den Wärmetransfer. Anfänglich haben Globale Klimamodelle jeweils nur einen Aspekt des Erdsystems simuliert - etwa in "Nur Atmosphäre" oder "Nur-Ozean"-Modellen. Es waren jedoch dreidimensionale Simulationen in dutzenden Modellschichten - viele Kilometer hinauf in die Höhe der Atmosphäre oder hinab in die Tiefe der Ozeane.

...Gekoppelte Modelle,...

Diese verschiedenen Aspekte wurden in anspruchsvolleren gekoppelten Modellen dann zusammengeführt und zahlreiche Modelle miteinander verknüpft, um so eine umfassende Darstellung des Klimasystems zu schaffen. Beispielsweise können Gekoppelte Atmosphäre-Ozean-Zirkulationsmodelle (oder "AOGCMs") den Austausch von Wärme und Wasser zwischen der Land- und Meeresoberfläche und der darüber liegenden Luft abbilden.

Die folgende Abbildung 1 zeigt, wie die Klimamodellierer über die letzten Jahrzehnte hin schrittweise einzelne Modell-Module in globale gekoppelte Modelle integriert haben.

Abbildung 1. Wie sich die Klimamodelle von einfachen Energiebilanzmodellen zu komplexen Globalen Gekoppelten Modellen entwickelt haben. Seit Jahrzehnten nutzen Wissenschaftler mathematische Modelle (blau), um mehr über das Klimasystem der Erde zu lernen. Diese Klimamodelle werden von den physikalischen Prozessen in Atmosphäre und Ozeanen und dem Kreislauf chemischer Substanzen zwischen Lebewesen und Umwelt gesteuert. Indem sich eigenständige Subsysteme (Modelle für Atmosphäre, Ozean, Meereis, Aerosole, etc.) zu gekoppelten Systemen (grün) vereinigten, wurden die Modelle im Laufe der Zeit immer komplexer. (Grafik:Rosamund Pearce; basierend auf den Arbeiten von Dr Gavin Schmidt.)

Im Laufe der Zeit haben die Wissenschaftler dann die Allgemeinen Zirkulationsmodelle schrittweise um andere, ehemals eigenständige Modelle des Erdsystems erweitert - wie beispielsweise Modelle für Landhydrologie, Meereis und Landeis.

...zu Erdsystemmodellen,...

Das neueste Subsystem der Globalen Klimamodelle erfasst jetzt biogeochemische Kreisläufe - den Transfer von chemischen Substanzen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt - und wie diese mit dem Klimasystem interagieren. Diese "Erdsystem Modelle" (ESMs) können den Kohlenstoffkreislauf, den Stickstoffkreislauf, die Atmosphärenchemie, die Meeresökologie und Veränderungen in Vegetation und Landnutzung simulieren - alle diese Systeme haben einen Einfluss darauf, wie das Klima auf die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen reagiert. Man hat hier die Pflanzenwelt, die auf Temperatur und Niederschlag reagiert und im Gegenzug Aufnahme und Freisetzung von CO2 und anderen Treibhausgasen in die Atmosphäre verändert.

Pete Smith, Professor für Böden und globalen Wandel an der Universität von Aberdeen, beschreibt Erdsystemmodelle als "auffrisierte" Versionen der globalen Klimamodellen:

"Die Globalen Klimamodelle waren die Modelle, die man vielleicht in den 1980er Jahren verwendet hatte. Da diese Modelle größtenteils von den Atmosphärenphysikern gebaut wurden, ging dementsprechend alles um die Erhaltung von Energie, von Masse und von Wasser und um die Physik ihrer Transportprozesse. Die Darstellung, wie die Atmosphäre dann mit dem Ozean und der Landoberfläche interagiert, war allerdings ziemlich mäßig. Dagegen versucht ein Erdsystemmodell diese Wechselwirkungen mit der Landoberfläche und mit den Ozeanen zu integrieren - man kann es also als eine "auffrisierte" Version eines globalen Klimamodells betrachten."

...Regionalen Klimamodellen...

Weiters gibt es Regionale Klimamodelle ("RCMs"), die ähnlich fungieren wie die Globalen Klimamodelle, allerdings nur für einen begrenzten Abschnitt der Erde gelten. Weil sie einen kleinere Fläche abdecken, können Regionale Klimamodelle im Allgemeinen schneller und mit einer höheren Auflösung als Globale Klimamodelle ausgeführt werden. Ein Modell mit hoher Auflösung hat kleinere Gitterzellen und kann daher Klimainformationen für ein bestimmtes Gebiet detaillierter erstellen. Regionale Klimamodelle bieten eine Möglichkeit, um globale Klimainformationen auf eine lokale Skala zu reduzieren. Dies bedeutet, dass man Informationen, die von einem Globalen Klimamodell oder Beobachtungen in grobem Maßstab stammen, nimmt und auf einen bestimmten Bereich oder eine Region anwendet.

...und schliesslich Integrierten Bewertungsmodellen (Integrated Assessment Models - IAMs)

Ein Subsystem der Klimamodellierung hat schließlich Integrierte Bewertungsmodelle (Integrated Assessment Models - IAMs) zum Gegenstand. Diese beziehen Aspekte der Gesellschaft in ein einfaches Klimamodell ein, indem sie simulieren, wie Bevölkerung, Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch das physikalische Klima beeinflussen und mit ihm wechselwirken.

Integrierte Bewertungsmodelle erzeugen Szenarien zu den künftig möglichen Änderungen der Treibhausgasemissionen. Die Wissenschaftler spielen diese Szenarien dann in Erdsystemmodellen durch, um Prognosen zum Klimawandel zu erstellen - sie bieten damit Informationen, die weltweit zur Orientierung von Klima- und Energiepolitik genutzt werden können.

In der Klimaforschung werden Integrierte Bewertungsmodelle üblicherweise verwendet, um Prognosen über künftige Treibhausgasemissionen zu erstellen und Vorteile und Kosten politischer Optionen abzuschätzen, um mit diesen Emissionen zurecht zu kommen. Beispielsweise werden so die "sozialen Kosten der CO2-Emisssionen" ("social cost of carbon") abgeschätzt - d.i. der monetäre Gegenwert von sowohl positiven als auch negativen Auswirkungen, die jede zusätzlich emittierte Tonne CO2 verursacht.


[1] Teil 1: "Was Sie schon immer über Klimamodelle wissen wollten – eine Einführung" ist am 19. April 2018 im ScienceBlog erschienen (http://scienceblog.at/was-sie-schon-immer-%C3%BCber-klimamodelle-wissen-wollten-%E2%80%93-eine-einf%C3%BChrung#)


*Der Artikel ist der homepage von Carbon Brief: "Q&A: How do climate models work?" entnommen (https://www.carbonbrief.org/qa-how-do-climate-models-work). Unter dem Titel "What are the different types of climate models? ) ist es der 2. Teil einer, von mehreren Autoren stammenden Serie, die am 15. Jänner 2018 online gestellt wurde. Der unter einer cc-by-nc-nd 4.0 Lizenz stehende Artikel wurde im Einverständnis mit Carbon Brief möglichst wortgetreu von der Redaktion aus dem Englischen übersetzt und von Carbon Brief freigegeben.

Carbon Brief - https://www.carbonbrief.org/ - ist eine britische Website, welche die neuesten Entwicklungen in den Bereichen Klimawissenschaft, Klimapolitik und Energiepolitik abdeckt. Die Seite bemüht sich um klare Daten-basierte Artikel und Illustrationen, um mitzuhelfen das Verstehen des Klimawandels von Seiten der Wissenschaft und auch der Politik zu verbessern . Im Jahr 2017 wurde Carbon Brief bei den renommierten Online Media Awards als"Best Specialist Site for Journalism" ausgezeichnet.


Weiterführende Links

Informationen zu Carbon Brief: https://www.carbonbrief.org/about-us

Peter Lemke: Dossier: Die Wetter- und Klimamaschine http://www.klimafakten.de/klimawissenschaft/dossier-die-wetter-und-klima...

Alfred-Wegener Institut, Helmholtz Zentrum für Polar-und Meeresforschung: Eis, Meer und Klima - Mit Polar- und Meeresforschung unsere Erde verstehen (13.5.2016). Video 7:24 min (2016). https://www.youtube.com/watch?v=tqLlmmkLa-s

Klimamodelle: http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Klimamodelle

Max-Planck Institut für Meteorologie: Überblick. http://www.mpimet.mpg.de/wissenschaft/ueberblick/

Max-Planck-Gesellschaft: Klimamodelle - die Welt im Computer (26.10.2015), Video 5:05 min. https://www.youtube.com/watch?reload=9&time_continue=51&v=ouPRMLirt5k. Standard YouTube Lizenz.

Max-Planck-Gesellschaft: Klimamodelle - Wärmepumpe Ozean (26.10.2015), Video 9:27 min. https://www.youtube.com/watch?v=jVwSxx-TWT8. Standard YouTube Lizenz.

Max-Planck-Gesellschaft: Klima – der Kohlenstoffkreislauf (1.6.2015), Video 5:25 min. https://www.youtube.com/watch?v=KX0mpvA0g0c. Standard YouTube Lizenz.

Max-Planck-Gesellschaft: Klima - der Atem der Erde (1.6.2015), Video 9:00 min https://www.youtube.com/watch?v=aRpax... (Anmerkung: Es hat sich leider ein kleiner Grafik-Fehler in den Film eingeschlichen: CO2 ist natürlich ein lineares Molekül, kein gewinkeltes!). Standard YouTube Lizenz

Max-Planck-Gesellschaft: Meereis - die Arktis im Klimawandel. (8.6.2016), Video 6:40 min. https://www.youtube.com/watch?v=w77q4Oa9UK8. Standard YouTube Lizenz.


Artikel im ScienceBlog


 

inge Thu, 31.05.2018 - 09:57