Stenosen der Lendenwirbelsäule - Operation oder nicht-Operation, das ist die Frage

Stenosen der Lendenwirbelsäule - Operation oder nicht-Operation, das ist die Frage

Do, 6.06.2025— Inge Schuster

Inge Schuster Icon Medizin

Degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule sind bei nahezu allen über 65 Jahre alten Personen in bildgebenden radiologischen Untersuchungen anzutreffen. Häufig entsteht daraus eine Stenose (Einengung) des knöchernen Spinalkanals, die je nach Ausmaß und Lage das darin eingebettete Rückenmark und die davon ausgehenden Nervenwurzeln und deren Funktionen beeinträchtigen kann - bis zu schwersten Ausfallserscheinungen, wie sie beim (allerdings sehr seltenen) Cauda equina Syndrom auftreten. Erst wenn konservative Maßnahmen keine Besserung bringen, wird eine Operation zur Dekompression des Spinalkanals empfohlen. Bislang fehlen evidenzbasierte Daten zu diagnostischen Kriterien und zu Komplikationen und (langfristigen) Prognosen von Behandlungsmethoden; widersprüchliche Angaben in der Fachliteratur ob und wann ein alter Patient operiert werden sollte, erzeugen Verunsicherung................so hat mein Weg bis zur Operation 22 Jahre gedauert.

Der Pensionsantritt brachte keine wesentliche Zäsur in meinen Tagesablauf. War ich zuvor überwiegend an die Vorgaben eines Multi-Pharmakonzerns gebunden, so war ich nun frei mit befreundeten Gruppen im In-und Ausland auch weiterhin Forschung zu ehemaligen und auch zu völlig neuen Gebieten zu betreiben. Außerdem wollte ich aber auch meine durch überlange Schreibtischtätigkeit degenerierten Muskeln durch 2 x wöchentliches Turnen und Gymnastiktraining, sowie durch Kieser-Rückentraining kräftigen; Letzteres war auf ein aktuelles CT-Bild meiner Wirbelsäule ausgelegt.

Zurückgekehrt von einem Ausflug zur (leider erfolglosen) Trüffelsuche nach Istrien, konnte ich im November 2002 plötzlich kaum mehr gehen. Ein Schmerz, der seinen Ursprung im Bereich der Lendenwirbelsäule hatte, pflanzte sich in die Beine fort, verschwand aber, wenn ich leicht vornüber gebeugt am Schreibtisch saß. Dass es sich nicht um einen sogenannten Hexenschuss handelte, war bald klar als sich über die Wochen hin die Beschwerden kaum besserten, Übungen zur Reduktion von Muskelverkrampfungen, wie sie Turnen/Gymnastik und auch das Kieser-Training anboten, wirkungslos blieben. Zur Abklärung meiner Symptome wandte ich mich schlussendlich an einen mir gut bekannten Rheumatologen, der an einem der großen Wiener Spitäler eine Abteilung leitete. Stationär aufgenommen, brachten die Untersuchungen schnell das Ergebnis: Die Magnetresonanz-Tomographie (MRT) zeigte neben anderen Verschleißerscheinungen eine hochgradige lumbale Stenose, d.i. eine Verengung des Nervenkanals (Spinalkanals) im unteren Teil der Lendenwirbelsäule:

Die Behandlung erfolgte konservativ - mit krankengymnastischen Übungen, physikalischer Therapie und Diclofenac (Voltaren), dem bekannten, von der Acetylsalicylsäure abgeleiteten, gegen Entzündung und Schmerz (anti-inflammatorisch und analgetisch) wirkenden Arzneimittel. Leider traten bei der dritten Diclofenac-Infusion ausgeprägte allergische Erscheinungen auf; später stellte sich heraus, dass auch andere Medikamente dieser Verbindungsklasse bei mir nicht anwendbar waren. Von einem chirurgischen Eingriff war damals nicht die Rede; ich erhielt eine Zeit lang physikalische Therapie.

Was bedeutet lumbale Vertebrostenose?

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule nehmen mit steigendem Alter zu, führen zur Verengung des knöchernen, aus 24 Wirbelkörpern zusammengesetzten Spinalkanals und können das darin eingebettete, der Signalvermittlung zwischen Gehirn und Peripherie dienende Rückenmark und die davon ausgehenden Spinalnerven komprimieren.

Insgesamt gehen vom Rückenmark 31 Paare von Spinalnerven ab, die den beweglichen Wirbeln des Halsbereichs (C1 - C8), Brustbereichs (T1 - T12) und Lendenbereichs (L1 - L5) und den zusammengewachsen Wirbeln des Kreuzbeins (S1 - S5) und Steißbeins (Co1) zugeordnet sind. Die Spinalnerven treten durch Öffnungen zwischen benachbarten Wirbeln (Neuroforamina) aus dem Spinalkanal aus und setzen sich aus Fasern zusammen, die sensorische Informationen aus anderen Körperregionen an das Gehirn weiterleiten (afferente Fasern) in Kombination mit Fasern, die motorische oder sekretorische Informationen vom Gehirn an den Körper (efferente Fasern) senden. Das von den drei Hirnhäuten - außen der sogenannte Durasack mit anhaftender Arachnoidea, innen die von der Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) umspülte zarte Pia Mater - umhüllte Rückenmark reicht dabei nur vom Hirnstamm bis zum ersten (oder zweiten) Lendenwirbel; unterhalb ziehen die Nervenfasern als dickes, pferdeschweifartige (Cauda equina) Nervenbündel zu ihren Austrittsöffnungen an den Lendenwirbeln L2 - L5, den Kreuzbeinwirbeln S1 - S5 und am Steißbein (Co1). (Abbildung 1A).

Die im Bereich der Lendenwirbelsäule und des angrenzenden Kreuzbeins austretenden Spinalnerven steuern die wesentlichen Körperfunktionen unterhalb der Gürtellinie - von Bein- und Fußbewegungen über die Schließmuskeln von Darm und Blase bis hin zu sexuellen Funktionen im Genitalbereich.

Alters- und verschleißbedingte Veränderungen an den Wirbeln wie Höhenminderung und Protrusion der Bandscheiben, knöcherne Anbauten an den Zwischenwirbelgelenken (Facettengelenken), Verdickung des stabilisierenden Bandes zwischen den Wirbelbögen (Ligamentum flavum) und Wirbelgleiten führen zur Einengung des Wirbelkanals und auch der Neuroforamina und können eine Kompression von Nerven und Gefäßen verursachen. Abbildung 1B - D.

Abbildung 1: Zur Stenose der Lendenwirbelsäule. A) Anatomisches Präparat der menschlichen Wirbelsäule - das im Wirbelkanal eingebettete Rückenmark geht in der Höhe von L1 in ein dickes Bündel von Nervenwurzeln - Cauda equina - über. (Amada44: https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCckenmark#/media/Datei:Spinal_Cord_-_4742.jpg. Lizenz: CC-BY-SA). B) Querschnitt eines Lendenwirbels (L2 - L5) mit Kompression des Spinalkanals. C) Degenerativ veränderte Lendenwirbelstrukturen, die zur Einengung des Spinalkanals (rote Pfeile) führen. D) Seitenansicht zweier benachbarter Wirbel mit Bandscheibenvorfall, der zu eingeklemmtem Spinalnerv führt. (B und D modifiziert nach Blausen.com staff (2014). "Medical gallery of Blausen Medical 2014". WikiJournal of Medicine 1 (2). WikiJournal of Medicine 1 (2). DOI:10.15347/wjm/2014.010. ISSN 2002-4436.. Lizenz, CC BY 3.0.)

Die Folge kann u.a. eine Kompression von Blutzufluss und venösem Abfluss an den Nerven, also Ischämie und Ödeme verursachen - und so die charakteristischen Beschwerden bei Belastung - aufrechtem Gehen und Stehen - hervorrufen, die in Ruhe bei Dehnung des Spinalkanals durch vorgeneigtes Sitzen zumeist sofort verschwinden.

Was tun bei lumbaler Stenose?

Als um und nach 2003 meine Beschwerden anhielten, recherchierte ich dazu ausführlich die Fachliteratur (beispielsweise [1 - 3]). Demnach zeigen MRT und CT-Aufnahmen, dass nahezu alle über 65-Jährigen von degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule betroffen sind, wobei in bis zu 60 % der Fälle Einengungen des Spinalkanals und/oder der Neuroforamina auftreten. Auf Grund der Lordose der Lendenwirbelsäule ist das Segment L4/L5 am häufigsten von Schäden und Verschleißerscheinungen betroffen, es ist sozusagen die Sollbruchstelle bedingt durch das Eigengewicht und die aufrechte Haltung. Allerdings sind die radiologischen Bilder auch heute nur bedingt aussagekräftig: sehr viele Personen mit pathologischen Aufnahmen sind klinisch ohne Symptome.

Das Fehlen valider randomisierter klinischer Studien und widersprüchliche Aussagen über die Wirksamkeit von chirurgischer im Vergleich zu konservativer Behandlung unterstützten um die Jahrtausendwende häufig die Ansicht, dass die meisten Fälle von lumbaler Wirbelkanalstenose ohne Operation mit Methoden wie Physiotherapie mit Muskel entspannenden Maßnahmen im Akutstadium gefolgt von Stärkung der Rückenmuskulatur zum Erhalt von Funktion und Mobilität plus Schmerzmedikation behandelbar sind. Erst wenn konservative Behandlungen keinen ausreichenden Nutzen gebracht hatten, wurde eine Operation zur Druckentlastung der eingeengten Nervenwurzeln empfohlen. Es waren dabei u.a. die Nebenwirkungen der Schmerzmittel gegen die Komplikationen einer OP, wie Infektionen, Blutungen, Blutgerinnsel, Nerven- und Gewebeschäden abzuwägen, insbesondere da ja eine OP hauptsächlich ältere, z.T. multimorbide Patienten betraf. Szpalski und Gunzburg konstatieren 2004:"Ein chirurgischer Eingriff zur Behandlung der lumbalen Spinalkanalstenose wird in der Regel akzeptiert, wenn die konservative Behandlung versagt hat, und zielt darauf ab, die Lebensqualität durch eine Verringerung der Symptome wie neurogene Claudicatio, unruhige Beine und ausstrahlende neurogene Schmerzen zu verbessern" [2].

Basierend auf extensiver Literaturrecherche folgert das Deutsche Ärzteblatt fast ein Jahrzehnt später: "Bei wenig verlässlich evidenzbasierten Daten zur Diagnostik und Therapie gibt es aktuell keine valide Beurteilung der Behandlungsstrategien speziell bei Patienten im höheren Lebensalter." [4].

Der letzte Cochrane-Review - eine Metaanalyse basierend auf 5 Studien an 643 Patienten - schreibt schließlich: "Wir sind uns kaum sicher, ob eine chirurgische Behandlung oder ein konservativer Ansatz bei lumbaler Spinalkanalstenose besser ist, und wir können keine neuen Empfehlungen für die klinische Praxis geben." [5].

Eine vorübergehende Besserung der Beschwerden...

Dass auch bei mir eine Operation unnötig sein dürfte, schien sich vorerst zu bestätigen. Ab 2004 begannen die Beschwerden abzuflauen, und ich konnte bald fast wie ehedem längere Strecken schwimmen, bergwandern und auch mehrstündige Vorlesungen halten. Der erfreuliche Zustand hielt bis 2011 an.

...bis zur Feststellung eines Cauda equina Syndroms (CES)

Dann wurden die Gehstrecken sukzessive kürzer. 2014 schaffte ich noch 1 km, im folgenden Jahr nur mehr 400 m, auch Schwimmen wurde immer mühsamer; nur der Wocheneinkauf im Supermarkt - gestützt auf den Einkaufswagen - funktionierte. Die Hoffnung, dass sich mit einem Übungsprogramm zur Entlastung der Wirbelsäule so wie 2004 der Prozess der Verschlechterung umkehren könnte, schlug fehl. 2021 suchte ich schließlich einen mir empfohlenen Orthopäden auf, der mich zum MRT schickte. Abbildung 2 A. Die Aufnahmen zeigten neben teils discogenen, teils knöchernen Einengungen von Spinalkanal und Spinalnerven vor allem eine hochgradige Kompression der Cauda equina.

Was bedeutet CES?

Durch raumfordernde Kompression der Cauda equina im Spinalkanal verursacht, sind neurologische Ausfallserscheinungen der unterhalb der Engstelle betroffenen Nervenwurzeln die Folge. CES ist ein sehr seltener, schwerwiegender pathologischer Zustand, von dem Schätzungen zufolge insgesamt nur 1 - 7 von 100 000 Personen betroffen sind, davon die meisten zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr infolge eines akuten, den Spinalkanal ausfüllenden Bandscheibenvorfalls, vor allem im Bereich der Lendenwirbel L4/L5 [6]. Die Kompression betrifft dann alle unterhalb austretenden Spinalnerven und damit deren Körperfunktionen unterhalb der Gürtellinie (siehe oben). Je nach Schweregrad der Kompression kommt es zum Gefühlsverlust im sogenannten Reithosenbereich (umfasst innere Oberschenkel, Gesäß, Genitalien, Damm), zu Lumbalgien, Gefühlsverlust, motorischen Defiziten und Reflexveränderungen in den Beinen, zu Blasen- und/oder Mastdarmstörungen und zu sexueller Funktionsstörung. Ein akut auftretendes CES gilt als neurochirurgischer Notfall und sollte möglichst schnell operiert werden, um irreversible Nervenschäden zu vermeiden. Dennoch kann die Hälfte dieser Patienten auch noch nach Jahren unter neurologischen Defiziten leiden [6].

Abbildung 2: Meine Lendenwirbelsäule rund 3,5 Jahre vor und 4 Tage nach der Operation. A) MRT-Befund: Irritation und Einengung der Spinalnerven L1, L2, L4 und vor allem hochgradige knöcherne Kompression der Cauda equina auf Höhe L4/L5 (der üblicherweise 15 - 18 mm breite Spinalkanal war nur mehr 3 mm weit). B) Röntgenaufnahmen: Zustand nach Laminektomie 4/5: Deutlich erkennbar ist der anstelle der Bandscheibe zur Fusion von L4/5 eingesetzte Titankäfig und die Wirbel-stabilisierenden Titanschrauben. (Aufnahmen: A) Diagnosticum Dr. Sochor, Gersthof. B) Institut für bildgebende Diagnostik, Rudolfinerhaus.)

Zum viel seltener diagnostizierten chronischen CES, das sich u.a. aus der in der älteren Bevölkerung häufig auftretenden lumbalen Stenose entwickeln kann und auch zu seinen postoperativen Prognosen, gibt es in der Fachliteratur wenig Konkretes. Die degenerativen Veränderungen im Spinalkanal (siehe Abbildung 1) schreiten ja langsam fort, das Nervenbündel der Cauda kann sich noch einige Zeit daran anpassen, die Betroffenen schreiben Symptome der Caudakompression auch häufig dem Alterungsprozess zu; schlussendlich kann aber die langanhaltende schwere Kompression zu irreversiblen Schäden an den Nervenfasern führen. Die Meinungen, wie chronisches Caudasyndrom zu managen ist - wann und ob überhaupt operiert wird, gehen weit auseinander; ein rezenter Artikel zitiert: "Es wurde vorgeschlagen, dass Fälle von chronischem CES, die mit einem langsamen Beginn bei degenerativer Lendenwirbelsäulenstenose einhergehen, oft keine Notfallbehandlung erfordern, aber sorgfältig überwacht werden sollten, um ein Fortschreiten zu irreversiblem CES zu vermeiden."[7]. In anderen Worten heißt das: Abwarten.

Mein Weg zur Operation

Abwarten war auch der Weg, den mir der konsultierte Orthopäde vorschlug und für's erste Physiotherapie empfahl. Trotz mehreren Blöcken Physiotherapie und täglich 20 - 25 min der empfohlenen Übungen verschlechterte sich mein Zustand zusehends. Die Beine schmerzten, die Muskeln krampften, fühlten sich dabei aber taub an. Die Reithosenfläche fühlte sich ebenfalls taub an, brannte zugleich aber wie Feuer und schließlich begannen Blase und Darm nicht mehr wie gewohnt zu funktionieren. Als die COVID-19 Lockdowns zu Ende waren, konnte ich das Haus nicht mehr verlassen, nur mehr etwa 5 Meter (mit Stock) gehen und Schlafen im Liegen war nicht mehr möglich.

Spät aber doch begann ich - online und auf Empfehlungen von Freunden - nach erfahrenen Neurochirurgen für Wirbelsäulenstenosen zu suchen. Einige der in Frage kommenden Spezialisten - darunter Dr.Sindhu Winkler, die mich dann auch operierte - waren am Wiener Rudolfinerhaus tätig, das ich von einer früheren Operation in bester Erinnerung hatte. Auf Anraten kontaktierte ich dort vorerst den Neurologen Dr. Mohammad Baghaei, der mich sofort als Akutfall einstufte und alle präoperativen Untersuchungen organisierte, die bereits 3 Tage später im Rudolfinerhaus starteten. Das neu erstellte MRT-Bild war in Einklang mit einer frühen Cauda-equina Symptomatik, zeigte absolute Spinalkanalstenose bei L4/5, degeneratives Wirbelgleiten und weitere degenerative Veränderungen. Nach Meinung der Chirurgin hatte ich praktisch bereits eine Querschnittslähmung. Die nun umgehend erfolgende Operation sollte vor allem den verengten Bereich erweitern, um damit den Druck auf die gequetschten Nervenfasern der Cauda zu reduzieren.

Der komplizierte Eingriff dauerte fast 4 Stunden unter Anwendung eines Operationsmikroskops und kontrolliert mittels CT-Bildgebung. Ein etwa 12 cm langer Hautschnitt eröffnete das Operationsgebiet. Die Dekompression des Spinalkanals erfolgte durch Laminektomie (vollständige Entfernung der Lamina plus Dornfortsatz (Abbildung 1B)) am Wirbel L4 und Versteifung (Fusion) der Wirbelkörper L4/5 unter Anwendung der TLIF-Technik ("transforaminal lumbar interbody fusion"). Dazu wurde die degenerierte Bandscheibe entfernt und durch einen 10 mm hohen, mit dem aus der Laminektomie entnommenen Knochenmaterial gefüllten Titankäfig ersetzt. Zur Stabilisierung des Wirbelsegments waren zuvor 4 Titanschrauben in die Pedikel (Abbildung 1B) von L4 und L5 eingebracht und durch 50 mm lange Titanstäbe verbunden worden. Abbildung 2B. Dr. Winkler hatte auch den gesamten Spinalkanal von L2 bis S1 - wie sie sagte -"geputzt", d.i. degenerative knöcherne Anbauten und Bindegewebe beseitigt - Spinalkanal und auch Foramina waren nun frei, sofern keine irreversible Schädigung vorlag, sollten sich die Nerven also erholen können.

Die Operation verlief erfolgreich ........

und ohne Komplikationen. Ich wurde bereits am nächsten Tag mobilisiert und konnte nach langer Zeit gleich wieder aufrecht stehen und im Liegen schlafen. Die Taubheit im Reithosenbereich war deutlich reduziert, ebenso die nächtlichen Muskelkrämpfe. Die Taubheit in den Beinen war noch da und Dr. Winkler meinte "die völlig gequetschten Nerven müssten erst wieder lernen, wie sie funktionieren sollten."

Die viel zu lange komprimierten Nerven sind noch lernfähig: 7 Wochen nach der OP und bei intensiver Physiotherapie kann ich erstmals seit 4 Jahren ohne Stützung (allerdings noch wacklig) wieder rund 75 m gehen. Schmerzmittel konnten bereits vor einer Woche abgesetzt werden; die zurückkehrende Mobilität steigert ganz ungemein die Lebensqualität. Auch wenn nicht alle Nerven wieder voll funktionieren sollten, ist der Zustand bereits jetzt wesentlich besser als vorher - ich bin sehr froh auf eine Neurochirurgin und einen Neurologen gestoßen zu sein, die das möglich gemacht haben!

Fazit

Trotz der enorm hohen, weltweiten Prävalenz der lumbalen Spinalkanalstenose gibt es derzeit weder eine Definition noch radiologische Diagnosekriterien, die allgemein anerkannt sind [8]. Es fehlen auch ausreichend evidenzbasierte Daten (z.B. Cochrane-Reviews) zu Komplikationen und Erfolgsaussichten der Behandlungsmethoden. Eine erste, 2019 angekündigte randomisierte Placebo-kontrollierte Studie zur operativen Behandlung hat bislang noch keine Ergebnisse gebracht [9]. Widersprüchliche Angaben in Fachliteratur und ärztlichen Aussagen, ob und wann ein betagter Patient operiert werden sollte, erzeugen natürlich Verunsicherung und Ängste.

Muss man sich deshalb vor einer OP fürchten? Ich denke nein; wie in vielen anderen Sparten der Medizin muss man aber wohl auch hier selbst nach erfahrenen Spezialisten suchen (lassen) - das Internet bietet heute ja alles zu Ausbildung, Praxis und Bewertung, also den Blick auf einen "gläsernen Neurochirurgen".


Dr. Sindhu Winkler. Neurochirugin am Rudolfinerhaus und im Wirbelsäulenzentrum Döbling (zusammen mit Dr. Mohammad Baghaei.  https://www.ambulatorium-doebling.at/de/privataerzte-zentrum/wirbelsaeule.)

Rudolfinerhaus Privatklinik.https://www.rudolfinerhaus.at/ 


[1] R.Gunzburg & M.Szpalsky: The conservative surgical treatment of lumbar spinal stenosis in the elderly. Eur Spine J (2003) 12 (Suppl. 2) : S176–S180. DOI 10.1007/s00586-003-0611-2 .

[2] Marek Szpalski, and Robert Gunzburg (2004) Lumbar Spinal Stenosis in the elderly: an overview. Eur Spine J (2003) 12 (Suppl. 2) : S170–S175. DOI 10.1007/s00586-003-0612-1.

[3] Mary Ann E. Zagaria: Lumbar Spinal Stenosis: Treatment Options for Seniors. The Journal of Modern Pharmacy/ July 2004, 11 (7).  https://hdl.handle.net/10520/AJA16836707_2508 .

[4] R. Kalff et al., Degenerative lumbale Spinalkanalstenose im höheren Lebensalter. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(37): 613-24; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0613.

[5] F. Zaina et al., (2016): Surgical versus non-surgical treatment for lumbar spinal stenosis (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews. 2016, Issue 1. Art. No.: CD010264. DOI: 10.1002/14651858.CD010264.pub2.

[6] R.T. Schär et al., Das Cauda equina Syndrom. Swiss Med Forum. 2019;19(2728):449-454. DOI: https://doi.org/10.4414/smf.2019.08297

[7] C. Comer et al., SHADES of grey – The challenge of ‘grumbling’ cauda equina symptoms in older adults with lumbar spinal stenosis. Musculoskeletal Science and Practice 45 (2020) 102049. https://doi.org/10.1016/j.msksp.2019.102049.

[8] L. Wu et al., Lumbar Spinal Stenosis (2024). StatPearls [Internet]. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK531493/

[9] Anderson DB, et al. SUcceSS, SUrgery for Spinal Stenosis: protocol of a randomised, placebo-controlled trial. BMJ Open 2019;9:e024944. doi:10.1136/bmjopen-2018-024944 .

inge Thu, 06.03.2025 - 00:20