Gehirnaktivität bei körperlicher Bewegung - ein neues Verfahren bietet Einblicke in die Parkinson-Erkrankung

Gehirnaktivität bei körperlicher Bewegung - ein neues Verfahren bietet Einblicke in die Parkinson-Erkrankung

Do, 24.10.2024 — Redaktion

Redaktion

Icon Gehirn

Mit dem kürzlich entwickelten integrativen mobilen Gehirn-/Körperbildgebungsverfahren MoBI (Mobile Brain/Body Imaging) lassen sich die Gehirn- und Muskeldynamik darstellen. Bei dem Verfahren werden mobile Elektroenzephalographie und Bewegungserfassung synchronisiert, um die Interaktion zwischen Gehirndynamik, Bewegung und Kognition bei menschlichen Bewegungen wie Gehen und Gleichgewicht halten oder dem Erlernen motorisch-kognitiver Abläufe zu untersuchen. Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts TwinBrain hat ein internationales Forscherteam mit Hilfe von MoBI die Gehirnaktivitäten bei Bewegung verfolgt und konnte bereits frühe Anzeichen von Störungen der Gehirn-Körper-Koordination, wie sie bei der Parkinson-Krankheit auftreten erkennen.*

EU-Projekt TwinBrain: Zusammenspiel von Muskel- und Hirnaktivität- (http://www.twinbrain.si/)

Ein Durchbruch in der medizinischen Bildgebung hat es einem EU-finanzierten Forscherteam ermöglicht, die Gehirnaktivität während körperlicher Bewegung zu beobachten. Diese Arbeit soll den Weg für eine frühzeitige Erkennung der Parkinson-Krankheit und anderer neurologischer Störungen ebnen, von denen weltweit Millionen Menschen betroffen sind.

Bis vor kurzem bestand keine Möglichkeit zu beobachten, was im Gehirn während körperlicher Bewegung vor sich geht. Für Standard-Gehirnscans müssen sich die Probanden hinlegen und stillhalten; dies schränkt die Möglichkeiten der Wissenschafter ein, zu verstehen, wie das Gehirn alltägliche Situationen verarbeitet und darauf reagiert.

Dank der gemeinsamen Arbeit von Forschern im Rahmen von TwinBrain, einer dreijährigen, von der EU finanzierten und von slowenischen Wissenschaftern koordinierten Forschungsinitiative, konnte die Technologie, die dies ermöglicht, auf neue Gehirnregionen und neue Funktionen ausgedehnt werden.

Wir machen ständig Multitasking, fast ohne nachzudenken. Stellen Sie sich einfach vor, Sie gehen in den Supermarkt. Sie navigieren durch die Gänge auf der Suche nach den Artikeln auf Ihrem Einkaufszettel, halten dabei Ausschau nach den neuesten Schnäppchen und versuchen, nicht mit anderen Einkäufern zusammenzustoßen. EU-Forscher untersuchen nun solche alltäglichen Aktivitäten in der Hoffnung, wichtige Hinweise für die Erkennung und Behandlung schwerer neurologischer Krankheiten zu finden.

"Diese Situation mag für junge und gesunde Menschen sehr einfach erscheinen, aber sie verlangt dem Gehirn auch ein leistungsfähiges Multitasking ab", so Dr. Uroš Marušič, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschafts- und Forschungszentrum in Koper, Slowenien, und Leiter des neu eröffneten slowenischen Labors für mobile Bildgebung von Gehirn und Körper - SloMoBIL.

Verstehen des Zusammenspiels zwischen Muskeln und Gehirn

Marušič leitete die TwinBrain-Forschung, bei der die Dynamik von Gehirn und Bewegung auf eine bisher unerforschte Weise untersucht wurde. Die Initiative, die im Januar dieses Jahres abgeschlossen wurde, brachte Forscher der Technischen Universität Berlin in Deutschland, der Universität Triest in Italien und der Universität Genf in der Schweiz zusammen, um gemeinsam neue Wege in Diagnose und Behandlung komplexer neurologischer, die Bewegung beeinträchtigender Erkrankungen zu beschreiten. Dazu gehört auch die Parkinson-Krankheit, eine fortschreitende neurologische Erkrankung, von der weltweit mehr als 8 Millionen Menschen betroffen sind.

Mit steigendem Alter sind unsere neuronalen Ressourcen erschöpft, wodurch die so genannte kognitiv-motorische Interferenz zunimmt, d. h. wir können nicht mehr in gleicher Weise multitasken. Dies beeinträchtigt das, was Marušič als "Muskel-Hirn-Crosstalk" bezeichnet.

"Im Frühstadium der Parkinson-Krankheit kompensiert das Gehirn im Hintergrund Gleichgewichts- und Bewegungsdefizite", so Marušič, der auch ao. Professor für Kinesiologie an der Alma Mater Europaea Universität in Maribor (Slowenien) ist. Dies kann dazu führen, dass eine Person stolpert oder stürzt.

Die Forscher haben eine Technologie namens Mobile Brain/Body Imaging (MoBI) weiterentwickelt, die es ihnen ermöglicht, Gehirn und Körperbewegungen gleichzeitig zu überwachen. Ihre Arbeit wird es ermöglichen, verdächtige Anzeichen für neurologische Probleme zu erkennen und Behandlungen früher einzuleiten.

Mobile Brain/Body Imaging (MoBI): Eine bahnbrechende Technologie, um die Gehirnaktivität während körperlicher Aktivität zu überwachen. © Tridsanu Thopet, Shutterstock.com

MoBI wird im Berlin Brain/Body Imaging Lab (BEMoBIL) an der Technischen Universität Berlin eingehend untersucht. Dank TwinBrain wurde diese Technologie von Deutschland nach Slowenien transferiert und mit Unterstützung von Neurologen und Forschern aus Italien und der Schweiz weiterentwickelt.

"Sobald man Studienteilnehmer mit einer zusätzlichen kognitiven Aufgabe konfrontiert - beispielsweise mit einer Frage, während sie balancieren -, sehen wir, dass sie versuchen, zusätzliche neuronale Ressourcen zu aktivieren, aber sie können nicht immer alles verarbeiten", so Marušič.

Denken in Bewegung

Die MoBI-Technologie kombiniert die Technologie des Elektroenzephalogramms (EEG), einen Test, der die elektrische Aktivität im Gehirn bestimmt, mit der Elektromyografie (EMG), die die Muskelreaktion oder die elektrische Aktivität als Reaktion auf die Stimulation des Muskels durch einen Nerv misst. Außerdem wird die Motion-Capture-Technologie eingesetzt.

"Wir können jetzt messen, was im Gehirn vor sich geht, während man geht, läuft oder andere Arten von körperlicher oder geistiger Aktivität ausübt", so Marušič.

Marušič bezeichnet dies als einen der größten Erfolge der bisherigen Forschung, die aber auch eine enorme Big Data Herausforderung verursacht hat. Seit MoBI im Jahr 2021 nach Slowenien transferiert wurde, haben siebenundfünfzig Teilnehmer an den Tests teilgenommen. Für jede Sekunde der Aktivität wurden Hunderte von Messwerten erfasst, was zu Millionen von Datenpunkten führte. Diese werden nun mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und einem Supercomputer synchronisiert und analysiert - ein Prozess, der bereits spannende Ergebnisse liefert.

Paolo Manganotti, Professor für Neurologie an der Universität Triest, war an der Rekrutierung und Testung von Freiwilligen für die TwinBrain-Studie beteiligt. Er stellte fest, dass die Teilnehmer nur zu gerne bereit waren, an der Studie teilzunehmen, um deren Ergebnisse nicht nur für sich selbst, sondern auch für künftige Patienten zu verbessern.

"TwinBrain bietet bahnbrechende Erkenntnisse für die klinische Praxis. Durch die Integration der neuesten Technologie können wir die Diagnose und Überwachung der Parkinson-Krankheit innerhalb weniger Jahre revolutionieren und die Zufriedenheit der Patienten und ihre Lebensqualität verbessern", so Manganotti.

Personalisierte Gesundheitsversorgung

Der nächste Schritt für Marušič ist die Vereinfachung und Optimierung der Technologie im Rahmen des neuen TBrainBoost-Projekts, das ebenfalls von der EU finanziert wird und bei SloMoBIL in Slowenien angesiedelt ist. Diesmal mit neuen Forschungspartnern aus Belgien, Deutschland, Malta und Slowenien.

Dies wird die Entwicklung neuer Produkte auf der Grundlage der MoBI-Technologie für einen breiteren klinischen Einsatz zugunsten von Patienten mit neurologischen Erkrankungen ermöglichen. Es festigt auch die Rolle von SloMoBIL als regionales Exzellenzzentrum für die Forschung in diesem Bereich.

Langfristig hofft Marušič, dass dies zu einer besseren und früheren Behandlung der Parkinson-Krankheit und anderer neurologischer Erkrankungen sowie zu einer stärker personalisierten Gesundheitsversorgung führen wird.

"Ich möchte, dass die Patienten an einen Ort kommen können, an dem alle Probleme gleichzeitig behandelt werden. Personalisierte Zentren, die Diagnostik und Behandlungen anbieten, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind - ein Ort, der alles bietet", sagt er.


 *Dieser Artikel wurde ursprünglich am 3. September 2024 von Andrew Dunne in Horizon, the EU Research and Innovation Magazine unter dem Titel "Brain on the move – studying the brain in motion offers new insights into Parkinson’s disease" - https://projects.research-and-innovation.ec.europa.eu/en/horizon-magazine/brain-move-studying-brain-motion-offers-new-insights-parkinsons-disease - publiziert. Der unter einer cc-by-Lizenz stehende Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzt. Die erste Abbildung wurde von der Redaktion der Webseite des TwinBrain-Projekts http://www.twinbrain.si/ entnommen.


TWINning the BRAIN with machine learning for neuro-muscular efficiency:https://cordis.europa.eu/project/id/952401/de?isPreviewer=1

Laboratory of the Institute for Kinesiology Research, SloMoBIL laboratory (Slovenian Mobile Brain/Body Imaging Laboratory, Koper) https://www.zrs-kp.si/en/institutes-and-units/laboratory-of-the-institute-for-kinesiology-research/

TwinBrain project - short documentary, 2023,Video 7:10 min. https://www.youtube.com/watch?v=Vm42f2cIJw0&t=3s

TwinBrain EU project - promo video April 2022, Video 1:54 min. https://www.youtube.com/watch?v=3rnnEfDZHAI&t=61s

Berlin Mobile Brain/Body Imaging Lab (BeMoBIL): https://www.tu.berlin/bpn/forschung/berlin-mobile-brain-body-imaging-lab


 

inge Thu, 24.10.2024 - 23:44