In den Bergen von Europas Metallabfällen lagern Reichtümer

In den Bergen von Europas Metallabfällen lagern Reichtümer

Do,18.04.2024 — Redaktion

Redaktion

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Metalle sind für neue Technologien unverzichtbar, doch ihre Gewinnung hinterlässt Berge von Abfällen, die eine potenziell gefährliche Umweltbelastung darstellen aber auch Rohmaterial für das Recycling dieser Metalle und die Schaffung wertvoller Industriematerialien bieten. 2 EU-finanzierte Projekte haben sich mit diesem Problemkreis befasst mit dem Ziel eine weitestgehende Wiederverwendung/Verwertung der Abfallberge zu erreichen und nahezu kostendeckend vorzugehen: In "MoveAL" wurden Technologien zur Aufwertung von Bauxitrückständen – dem Nebenprodukt der Aluminiumherstellung - vorgestellt. In "NEMO" ging es um die Gewinnung von Metallen aus sulfidischen Bergbauabfällen mittels modernster Technologien der Biolaugung.*

In der westirischen Stadt Limerick wird auf dem Gelände einer Aluminiumhütte eine 500 Meter lange gepflasterte Straße gebaut, basierend auf einem Experiment, das Europa helfen könnte, Industrieabfälle zu reduzieren. Die Betonstraße auf dem Gelände der Aughinish-Hütte hat einen Unterbau aus Materialien, die Bauxitrückstände enthalten, die auch als Rotschlamm bekannt sind.

Schlammige Materialien

Rotschlamm ist das, was bei der Produktion von Aluminium übrig bleibt - dem Metall, das in allem und jedem - von Küchenfolie und Bierdosen bis hin zu Elektroautos und Flugzeugrümpfen - Anwendung findet. Aluminium wird aus Bauxit gewonnen, einem aluminiumhaltigen Gestein, das aus einem rötlichen Lehmboden entsteht. Während Aluminium im modernen Leben unzählige kommerzielle Verwendungsmöglichkeiten findet, ist dies bei Bauxitrückständen nicht der Fall. Der Schlamm landet in der Regel auf Mülldeponien, nimmt immer mehr Platz ein und stellt eine verpasste Recyclingmöglichkeit dar. Abbildung 1.

Abbildung 1. Rotschlamm, der bei der Aluminiumproduktion anfällt. EU-Forscher suchen nach industriellen Verwendungsmöglichkeiten. © Igor Grochev, Shutterstock.com

Eine Gruppe von Forschern erhielt EU-Mittel, um diese Herausforderungen zu bewältigen, und kam auf die Idee, Bauxitrückstände für die Straße in der Aluminium-Hütte Aughinish zu verwenden. Ihr Projekt mit der Bezeichnung RemovAL (https://cordis.europa.eu/project/id/776469) hatte eine Laufzeit von fünf Jahren und lief bis April 2023.

"Deponierung ist eine Praxis, von der wir uns verabschieden wollen", sagte Dr. Efthymios Balomenos, der das Projekt koordinierte. "Selbst wenn die Umwelt nicht geschädigt wird, verbraucht man immer noch viel Platz und wirft die Hälfte des Materials weg."

Einfache Zahlen verdeutlichen die Problematik für Industrie und Gesellschaft:

Für jede Tonne Aluminium, die produziert wird, fallen etwa zwei Tonnen Bauxitrückstände an. Weltweit fallen jedes Jahr etwa 150 Millionen Tonnen Rotschlamm aus der Aluminiumproduktion an - das sind 20 Kilogramm pro Person weltweit. Davon werden nicht mehr als 3 % recycelt, der Rest kommt auf die Deponien. Weltweit lagern mehr als 4 Milliarden Tonnen Bauxitrückstände, und diese Zahl könnte sich bis 2050 auf 10 Milliarden Tonnen mehr als verdoppeln, so die Aluminium Stewardship Initiative (https://aluminium-stewardship.org/bauxite-residue-management-risks-opportunities-and-asis-role), eine standardsetzende Organisation, die auf "bahnbrechende Lösungen" für den Rotschlamm drängt.

Ideenlabors

Bauxit ist nach der französischen Stadt Les Baux benannt, in der das Erz 1821 entdeckt wurde.

In Europa fallen jährlich etwa 7 Millionen Tonnen Bauxitrückstände an. Der Rotschlamm wird zu künstlichen Hügeln aufgeschüttet, die der EU die Möglichkeit bieten, ihr Ziel einer Kreislaufwirtschaft mit mehr Recycling und weniger Abfall zu erreichen.

Am Projekt RemovAL waren eine Reihe akademischer und industrieller Teilnehmer beteiligt, darunter Aughinish Alumina, Rio Tinto in Frankreich und das griechische Bergbau- und Metallurgieunternehmen Mytilineos. Um Ideen für potenzielle kommerzielle Verwendungen von Bauxitrückständen zu testen, wurden Demonstrationsprojekte an Industriestandorten in Deutschland, Griechenland und Irland durchgeführt. Das primäre Ziel bestand darin, die Abfallmengen zu verringern und dies unter Vermeidung großer zusätzlicher Kosten.

"Unser Ziel war es, fast kostendeckend zu arbeiten und nahezu keine Abfälle zu erzeugen", so Balomenos, der als Berater bei Mytilineos tätig ist.

Straßen vorneweg

Das RemovAL-Team hat gezeigt, dass Bauxitrückstände als erste Fundamentschicht oder Unterbau für Straßen verwendet werden können. Der Unterbau einer Straße besteht in der Regel aus minderwertigem Schotter, liegt auf dem Boden auf und bildet einen stabilen Unterbau für die nächste, höherwertige Fundamentschicht.

Typischerweise bestehen Bauxitrückstände zu etwa zwei Fünfteln aus Eisenoxid, zu einem Fünftel aus Aluminiumoxid, zu 6 % aus Kieselsäure und zu 5 % aus Titan. Rotschlamm enthält sogar Seltene Erden - eine Gruppe von 17 Metallelementen mit besonderen Eigenschaften, die technologische Fortschritte in einer Reihe von Branchen ermöglichen.

"Das ist eine ganze Menge Material, selbst wenn man es nur als potenzielle Eisenquelle betrachtet", so Balomenos.

An den Standorten in Griechenland und Norwegen wurden im Rahmen des Projekts Bauxitrückstände in einem elektrischen Lichtbogenofen geschmolzen, um eine Eisenlegierung herzustellen, die sich für die Stahlherstellung eignet. RemovAL extrahierte auch die seltene Erde Scandium, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie verwendet wird, um Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit von Bauteilen sicherzustellen Anschließend wurde der verbleibende Rückstand zur Herstellung von Material verwendet, das der Zementmischung zugesetzt werden kann.

Die Vorführungen waren zwar ein technischer Erfolg, doch laut Balomenos gibt es noch immer Kostenhürden - vor allem, weil die Möglichkeiten zur Wiederverwendung von Bauxitrückständen weniger rentabel sind als die Verwendung von lokal beschafften "neuen" Rohstoffen.

"Letzten Endes ist die Deponierung die einzige finanziell tragfähige Option für die Industrie", sagt er.

Um den Aluminiumsektor umweltfreundlicher zu gestalten, müsse Europa Anreize wie Subventionen oder Vorschriften bieten, um die Verwendung von Bauxitrückständen und anderen metallurgischen Nebenprodukten gegenüber neu abgebauten Rohstoffen zu fördern, so Balomenos.

Weitere Metalle

Das Problem der Metallabfälle geht in Europa weit über das von Aluminium hinaus.

Andere von der EU unterstützte Forscher, zusammengeschlossen in einem Projekt namens NEMO (https://cordis.europa.eu/project/id/776846), haben versucht kommerzielle Verwendungsmöglichkeiten für Abfallhalden zu finden, die beim Abbau von Kupfer, Zink, Blei und Nickel anfallen.

In Europa gibt es schätzungsweise 28 Milliarden Tonnen Erzrückstände, so genannte Tailings, aus der früheren Produktion dieser Metalle, und jedes Jahr fallen weitere 600 Millionen Tonnen an.

Kupfer, Zink, Blei und Nickel sind für die Energiewende in Europa unerlässlich. Ohne sie wären Windturbinen, Elektrofahrzeuge und viele andere saubere Technologien nicht möglich. Doch die Abraumhalden haben einen eigenen ökologischen Fußabdruck. Diese Abfälle werden häufig in Absetzteichen gelagert, enthalten Schwefel und erzeugen bei Regen Schwefelsäure.

"Diese Schwefelsäure kann potenziell gefährliche Elemente in die Umwelt, den Boden und das Wasser auswaschen", so Dr. Peter Tom Jones, Direktor des KU Leuven Institute for Sustainable Metals and Minerals in Belgien. "Die saure Drainage von Minen ist eines der größten Probleme der Bergbauindustrie beim Umgang mit sulfidischen Erzen".

Vielversprechende Technik

Jones war Teilnehmer von NEMO, das im November 2022 nach viereinhalb Jahren endete.

Die Forscher haben Standorte in Finnland und Irland genutzt, um die Durchführbarkeit einer als Biolaugung bekannten Technik zu testen, mit der wertvolle Metalle aus Bergwerksabfällen entfernt und die verbleibenden Abfälle in ein Material umgewandelt werden können, das nicht nur sicherer ist, sondern auch als Zusatzstoff bei der Zementherstellung dienen könnte. Abbildung 2.

Abbildung 2. Das NEMO-Konzept. Sulfidhaltige Bergbaurückstände werden derzeit in der Regel in Haldenlagern abgelagert. NEMO zielt auf die weitere Behandlung dieser Rückstände ab, um wertvolle Metalle und Mineralien zu gewinnen, während gefährliche Elemente konzentriert und die Restmatrix in Zement und Baumaterialien verwendet werden. (Bild von Redn. Eingefügt. Quelle: https://h2020-nemo.eu/project-2/)

Wertvolle Metalle können bereits durch ein Verfahren namens Auslaugung aus Abfällen zurückgewonnen werden. Dabei werden Chemikalien, in der Regel Säuren, eingesetzt, um die Metalle aufzulösen und aus dem Abfall herauszulösen, so dass sie zurückgewonnen werden können.

Die Biolaugung ähnelt zwar der chemischen Auslaugung, lässt aber lebende Organismen die Arbeit erledigen. Mikroben zehren von den Elementen in den Minenabfällen und schaffen dann eine saure Umgebung, die die Metalle auflöst. Das Verfahren hat das Potenzial, billiger und effektiver zu sein als die chemische Laugung.

Die Forscher haben gezeigt, dass die Biolaugung ein gangbarer Weg ist, um Metalle wie Nickel aus Abraum zu gewinnen. Die Qualität der Metalle wäre gut genug, um beispielsweise Batterien herzustellen. Sie fanden auch heraus, dass die Biolaugung mit zusätzlichen Rückgewinnungsverfahren wertvolle seltene Erden aus bestimmten Bergbauabfällen extrahieren könnte. Außerdem waren die Abfälle nach der Biolaugung weniger sauer und konnten zu einem Zusatzstoff für Zementmischungen verarbeitet werden.

Kostenfragen

Wie auch das RemovAL-Team stellten die NEMO-Forscher jedoch fest, dass diese Verfahren derzeit zu kostspielig sind, um kommerziell interessant zu sein.

"Es ist eine Sache, die Technologie zur Umwandlung von Abraum in wiedergewonnene Metalle und Baumaterialien zu entwickeln", so Jones. "Es ist etwas ganz anderes, dies auf eine Weise zu tun, die wirtschaftlich machbar ist."

Er sagt, dass die relativ geringen Mengen an kritischen Metallen in den Abgängen bedeuten, dass die Betriebskosten tendenziell höher sind als die potenziellen Einnahmen und dass daher der Abbau von Rohstoffen oft eine billigere Option ist, insbesondere wenn er in Niedriglohnländern erfolgt, in denen die Standards für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) niedriger sind.

Dennoch hat NEMO dazu beigetragen, Technologien zu entwickeln, die den Weg zu einer effizienten Rückgewinnung von Metallen aus abgebauten Materialien weisen und die Abfälle reinigen.

Mit dem richtigen Rechtsrahmen und den richtigen Anreizen könnten die Biolaugung und ähnliche neue Technologien wirtschaftlicher werden. In der Zwischenzeit können diese Verfahren Europa helfen, sein Ziel zu erreichen, die Versorgung mit kritischen Rohstoffen zu erweitern, indem Abraumhalden beseitigt und die Erzförderung verbessert wird.


 *Dieser Artikel wurde ursprünglich am 12. April 2024 von Michael Allen in Horizon, the EU Research and Innovation Magazine unter dem Titel "The riches in Europe’s mountains of metals waste"  https://projects.research-and-innovation.ec.europa.eu/en/horizon-magazine/riches-europes-mountains-metals-waste publiziert. Der unter einer cc-by-Lizenz stehende Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzt. Abbildung 2 wurde von der Redaktion aus https://h2020-nemo.eu/project-2/ eingefügt.


Zur Verwertung der Abfallberge

EU-Research:

HORIZON: the EU Research & Innovation magazine: The riches in Europe’s mountains of metals waste (April 2024). Video 0:59 min. https://www.youtube.com/watch?v=gwiNoOPnf4E

Aus der Max-Planck-Gesellschaft:

MPG: Grüner Stahl aus giftigem Rotschlamm (Jänner 2024). https://www.mpg.de/21440660/rotschlamm-aluminiumindustrie-gruener-stahl

Max-Planck-Gesellschaft: Grüner Stahl: Ammoniak könnte die Eisenproduktion klimafreundlich machen (2023). Video 2:10 min. https://www.youtube.com/watch?v=a_yUKX8zQfI


 

inge Thu, 18.04.2024 - 22:56