Candida auris: ein neuer Pilz breitet sich aus

Candida auris: ein neuer Pilz breitet sich aus

Fr, 07.04.2023 — Ricki Lewis

Ricki Lewis

Icon Medizin

Vor wenigen Tagen hat das US-Center of Disease Control (CDC) vor der zunehmenden Gefahr von gegen Antimykotika resistenten Pilzen gewarnt, die sich derzeit in Gesundheitseinrichtungen ausbreiten. In erster Linie geht es hier um den neu aufgetretenen Stamm Candida auris (C. auris), den ersten Pilz, von dem bereits multiresistente Formen gegen alle 3 Klassen von Antimykotika existieren. Infektionen mit diesem Pilz führen zu schwerer verlaufenden Erkrankungen als mit dem von alters her bekannten Verwandten Candida albicans, der für häufige Infektionen der Vagina und des Rachens verantwortlich ist. Die Genetikerin Ricki Lewis gibt einen Überblick über die gegenwärtige Situation.*

Candida auris, ein multiresistenter Hefepilz (Quelle: Lundquist Institute)

Candida-Hefepilze sind ganz normale Bewohner unserer Haut und anderer oberflächlicher Organe; sie werden aber gefährlich, wenn sie in den Blutkreislauf gelangen oder Organe wie das Herz oder die Nieren erreichen. "Das, wodurch Candida auris von anderen Candida-Arten verschieden und besonders beängstigend erscheint, ist dass der Keim bis zu zwei Wochen auf der Haut und auf Oberflächen im Gesundheitseinrichtungen überleben kann, und dadurch in diesen und in Pflegeheimen die Ausbreitung von Mensch zu Mensch ermöglicht. Dieser Pilz wird in der Regel nicht durch die üblichen klinisch angewandten Antimykotika abgetötet; dies erschwert die Behandlung der Infektion und kann oft zu einem tödlichen Ausgang führen. Erschwerend kommt dazu, dass der Keim mit Standard-Labormethoden nur schwer zu identifizieren ist." So fasst Mahmoud Ghannoum, Direktor des Zentrums für medizinische Mykologie am University Hospitals Cleveland Medical Center, die Situation zusammen.

Das US-Center for Disease Control (CDC) und andere Organisationen des öffentlichen Gesundheitswesens setzen die Ganzgenom-Sequenzierung ein, um die Verbreitung dieses Pilzes weltweit zu verfolgen. Die Behörde hat mit FungiNet im Jahr 2021 ein "Netzwerk für die molekulare Überwachung und genomische Epidemiologie für Pilzkrankheiten" gestartet, wobei der anfängliche Schwerpunkt auf C. auris liegt. Mit der Online-Ressource werden "landesweite Laborkapazitäten zur raschen Erkennung, Vorbeugung und Reaktion auf Arzneimittelresistenzen" gegen diese Infektion unterstützt.

Der Vergleich ganzer Genomsequenzen kann Aufschluss darüber geben, woher der Erreger kommt und wohin er wahrscheinlich geht (als COVID auftrat war die Überwachung in den USA im Vergleich zu anderen Ländern notorisch verspätet). Anhand der Sequenzen lässt sich die Evolution auf der Grundlage einer einzigen Annahme zurückverfolgen: Je ähnlicher die Nukleinsäuresequenzen zweier Arten, Stämme oder sogar Individuen sind, desto jünger ist ihr gemeinsamer Vorfahre. Aus diesen Daten lassen sich also Stammbäume ableiten - manchmal gibt es mehr als einen, um die Hinweise in der Sprache der Genetik zu erklären.

Dem neuen Erreger auf der Spur

Die erste klinische Identifizierung von Candida auris erfolgte 2009 in Japan, aufbewahrte Kulturen zeigen aber, dass der Erreger mindestens bis 1996 in Südkorea zurückdatiert. Das CDC bezeichnet Candida auris als "neu auftretendes Pathogen", weil es inzwischen in mehr als 30 Ländern aufgetaucht ist. Die Behörde verfolgt seit 2013 den Erreger, dessen Ausbreitung hat sich 2015 beschleunigt.

Ein 2018 in der Fachzeitschrift Lancet Infectious Diseases veröffentlichter Bericht des US-Candida auris Investigation Teams des CDC hat Gesamtgenom-Sequenzen des Hefepilzes von Patienten aus zehn US-Bundesstaaten sowie aus Indien, Kolumbien, Japan, Pakistan, Südafrika, Südkorea und Venezuela verglichen.

Die Studie hat sich dabei auf einzelne Basen-Positionen im Genom konzentriert, die von Land zu Land, von Patient zu Patient und sogar in ein und derselben Person variieren können (Single Nucleotide Polymorphisms, kurz SNPs). Das Team hat auch Reiseverhalten und Kontakte berücksichtigt, welche die Ausbreitung begünstigt haben könnten. Die US-Fälle "waren genetisch mit denen aus vier globalen Regionen verwandt, was darauf hindeutet, dass C. auris mehrmals in die USA eingeschleppt wurde. Die genetische Vielfalt der Isolate von denselben Patienten, Gesundheitseinrichtungen und Bundesstaaten deutet darauf hin, dass es eine lokale und kontinuierliche Übertragung gibt", so die Schlussfolgerung des Berichts.

Jetzt ist der Pilz also da.

Im Jahr 2022 meldete das CDC 2.377 Fälle von Patienten und weitere 5.754 bei deren Kontaktpersonen, vor allem in Kalifornien, Nevada, Texas, New York, Florida und Illinois. Dies könnte jedoch eine zu niedrige Zahl sein - einige Ärzte dürften die Fälle noch nicht melden (oder vielleicht nicht erkennen).

Wer ist gefährdet?

Wie viele andere Erreger ist C. auris besonders für Patienten in Krankenhäusern gefährlich; der Keim gelant dort in den Blutkreislauf und breitet sich in der betroffenen Person und auch auf andere Menschen aus. Er infiziert auch Ohren (daher das "auris") und Wunden und möglicherweise Lunge und Blase - zumindest wurden die Hefepilze aus Sputum und Urin isoliert.

Am stärksten gefährdet sind Patienten mit Kanülen, die in Körperteilen stecken (z.B. Venenkatheter, Harnwegskatheter, Beatmungstuben; Anmerkung Redn.), oder Patienten, die übermäßig bestimmte Breitband-Antimykotika oder Antibiotika verwendet haben. Die Sterblichkeitsrate kann 60 % erreichen - allerdings sind viele Patienten bereits schwer krank, bevor sie sich dann im Spital infizieren.

Candida auris verbreitet sich über die Luft und durch Kontakt mit kontaminierten, pilzhaltigen Oberflächen. Und Menschen jeden Alters können infiziert werden.

Für die Identifizierung von C. auris sind spezielle Labortests und Verfahren zur Kultivierung der Hefe erforderlich; der Erreger kann leicht mit anderen Candida-Arten verwechselt werden. Außerdem ist er gegen viele herkömmliche Antipilzmittel resistent (Resistenzen wurden gegen alle 3 Klassen von Antimykotika - Azole, Polyene und Echinocandine - festgestellt; Anmerkung Redn.) Die wirksamsten Medikamente sind noch die Echinocandine, aber es können auch Kombinationen von Medikamenten erforderlich sein, um die Infektion in den Griff zu bekommen.

Die Suche nach neuen Antimykotika

ist im Gange. Beispielsweise hat die Case Western Reserve University gerade eine Förderung in der Höhe von 3 Millionen Dollar von den National Institutes of Health (NIH) erhalten, um neue Therapeutika zu entwickeln.

Meiner Meinung nach steckt aber der Großteil der Forschung noch im präklinischen Stadium (auf der Stufe von Tiermodellen und Synthese von Substanzen), denn auf der Plattform Clinicaltrials.gov, die weltweit klinische Studien listet, sind nur drei solcher Studien an dem Hefepilz gelistet; diese finden in Indien, Pakistan und Südafrika statt (in zwei der Studien werden Substanzen mit neuen Wirkmechanismen untersucht; Sponsoren sind Scynexis, Inc und Pfizer. Die dritte Studie in Pakistan befasst sich mit epidemiologischen Daten. Anmerkung Redn.). Ein Impfstoff wird am Lundquist Institute der UCLA entwickelt - bislang funktioniert er bei Mäusen und kann mit Antimykotika kombiniert werden.

Einstweilen werden die Genomvergleiche fortgesetzt, um Informationen zu sammeln, den Erreger zu verfolgen und wenn möglich auch vorherzusagen, wo sich die Hefe ausbreitet, um Ausbrüche verhindern zu können. Durch die Berücksichtigung von Genomdaten zusammen mit anderen Informationen können die Forscher herausfinden, wie die Menschen mit dem Pilz in Kontakt gekommen sind, wohin sich der Pilz wahrscheinlich geografisch bewegt, und sogar die Einschleppung des Erregers in neue Gebiete aufdecken, bevor Ausbrüche auftreten oder entdeckt werden.


 Der Artikel ist erstmals am 30. März 2023 in PLOS Blogs - DNA Science Blog unter dem Titel " The New Fungus Among Us, Candida auris" https://dnascience.plos.org/2023/03/30/the-new-fungus-among-us-candida-auris/ erschienen und steht unter einer cc-by Lizenz . Die Autorin hat sich freundlicherweise mit der Übersetzung ihrer Artikel durch ScienceBlog.at einverstanden erklärt. Der leicht gekürzte Artikel folgt so genau wie möglich der englischen Fassung.


Warnungen der Behörden


 

inge Sat, 08.04.2023 - 00:15