Umwelt-DNA (eDNA) erlaubt einen Blick in die Dämmerzone der Meere

Umwelt-DNA (eDNA) erlaubt einen Blick in die Dämmerzone der Meere

Do, 25.11.2021 — Ricki Lewis

Ricki Lewis

Icon MeereDie Dämmerzone der Ozeane ist eine Wasserschicht, die sich in einer Tiefe von 200 bis 1000 m unter der Meeresoberfläche über den ganzen Erdball erstreckt. Es ist eine kalte Zone, in die Sonnenlicht nicht mehr durchdringt, in der es aber von unterschiedlichsten Lebewesen nur so wimmelt - insgesamt dürften davon hier mehr zuhause zu sein als in den gesamten übrigen Schichten der Meere. Bislang ist dieses, vermutlich größte Ökosystem auf Erden kaum erforscht. Die Woods Hole Oceanographic Institution hat 2018 das Ocean Twilight Zone Project gestarted, das mit neuesten Methoden, u.a mittels Bestimmung der Umwelt-DNA (eDNA) Forschern Hinweise darauf gibt, welche Arten sich in der Dämmerzone befinden, wie häufig sie vorkommen und wie sie sich dort bewegen. Die Genetikerin Ricki Lewis berichtet darüber.*

Die Dämmerzone - auch mesopelagische Zone oder Mesopelagial genannt (von griechisch pelagos = offenes Meer) - reicht von etwa 200 bis 1.000 Meter Tiefe. Es ist eine kalte und dunkle Zone, aufgehellt durch Blitze von biolumineszenten Organismen, mit denen diese sich vor Räubern schützen. Der Druck in dieser Zone kann bis zu 100 Bar betragen. Die Biomasse der Fische in der Dämmerungszone dürfte die des restlichen Ozeans übersteigen – über ihre Verbreitung wissen wir jedoch wenig. (Abbildung 1)

Abbildung 1: Die Meereszonen (Pelagials) und einige Bewohner der Dämmerzone (Mesopelagia), die Biolumineszenz ausstrahlen. (Abbildung und Text von der Redn. eingefügt; Quelle: links: Wikipedia, gemeinfrei; rechts: modifiziert nach Drazen et al., 2019; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Organisms_inhabiting_the_mesopelagic_zone_-_Oo_257140.jpg. Lizenz cc-by)

Die Bewohner der Dämmerzone erstrecken sich von winzigen Bakterien und Plankton bis hin zu Fischen, Krustentieren, Tintenfischen und allen möglichen klebrigen Variationen der Tierwelt, wie Quallen und Rippenquallen. In der Zone leben Billiarden von Borstenmaulfischen, die nach ihren stacheligen Zähnen benannt sind. Und wir haben keine Ahnung, wie viele Arten noch auf eine Beschreibung warten.

Die Tiere in der Dämmerzone unterstützen das riesige Nahrungsnetz, transportieren Kohlenstoff von der Oberfläche in die Tiefe und wirken so auf das Klima regulierend.

Die größte Tierwanderung auf dem Planeten

Aus den Tiefen der Dämmerzone schwimmen Tiere in den dunklen Stunden auf der Suche nach Nahrung nach oben und tauchen tiefer, wenn die Sonne herauskommt, um den Kontakt mit Räubern zu vermeiden. Die Sonar-Operatoren der US-Marine während des Zweiten Weltkriegs hielten diese täglichen Bewegungen für einen sich wellenden Meeresboden. „Dies ist die größte Tierwanderung auf dem Planeten, und sie findet alle 24 Stunden statt und fegt in einer massiven lebenden Welle über die Weltmeere“, heißt es auf der Website der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI; https://www.whoi.edu/know-your-ocean/ocean-topics/ocean-life/ocean-twilight-zone/). Abbildung 2.

Abbildung 2: Das vertikale tägliche Auf- und Absteigen in der Wassersäule der Dämmerzone. Oben: Echogram der täglichen Wanderung. Die Farbskala zeigt die Intensität des von den Tieren reflektierten Schalls an (Sonar auf einem Schiff). Image courtesy of Kevin Boswell, Florida International University and the DEEPEND https://oceanexplorer.noaa.gov/technology/development-partnerships/21scattering-layer/features/scattering-layer/scattering-layer.html. Unten: Screenshot aus dem Video Bioluminescence, October 25, 2021. https://oceanexplorer.noaa.gov/edu/multimedia-resources/dsd/dsd.html, (Beide Bilder stehen unter einer cc-by Lizenz und wurden von der Redn. eingefügt,)

Die kalten, dunklen Tiefen nach Lebenszeichen zu durchsuchen, ist für den Menschen eine Herausforderung. Die kleinste Störung lässt Tiere fliehen, und manche Organismen sind so weich, dass sie beim Hochziehen in Netzen oder in Probenahmebehältern geradezu dahinschmelzen.

Umwelt-DNA

Um dieses Szenario zu untersuchen, ohne das Leben zu stören, sammeln die am Dämmerzonen-Projekt arbeitenden WHOI-Forscher Umwelt-DNA – auch bekannt als eDNA – und führen mithilfe von Computermodellen eine Art Volkszählung durch, die das Geschehen aus der Verteilung von DNA aus Exkrementen, Hautschuppen und anderen Partikeln mit Nukleinsäuren, die von Körpern abschiefern, ableitet. Die Muster der DNA-Verteilung und -Konzentration geben Hinweise auf die Häufigkeit, Bewegung und Wanderung von Arten. Abbildung 3.

Diese Untersuchung kann in Scientific Reports nachgelesen werden [1].

Das Simulationsmodell berücksichtigt zwei Größen von eDNA. Große Partikel im Bereich von mehreren zehn Mikrometern (1 µm = 1 Millionstel Meter) bis zu einem Millimeter erfassen Kotpellets, Gewebestücke sowie Eier und Spermien. Kleine Partikel bis zu einem Zehntel Mikrometer sind aus den großen entstanden. Das Modell berücksichtigt Bewegungen, die Teil des Verhaltens eines Tieres sind, Attribute der eDNA wie Sedimentieren und Abbau und physikalische Einflüsse wie Mischung und horizontale Bewegung.

Abbildung 3: Modell der vertikalen Profile der eDNA in der Wassersäule der Dämmerzone - welche Faktoren beitragen. (Bild von der Redn. in modifizierter Form eingefügt aus: E. Andruszkiewicz Allan et al.(2021), https://doi.org/10.1038/s41598-021-00288-5 [1], Lizenz cc-by)

Ich konnte mir diese Experimente vorstellen, indem ich mich lebhaft an den Blick auf das Hinterende eines Nilpferds in der Hippoquarium-Ausstellung im Detroiter Zoo erinnerte. Das Tier entleerte sich und drehte dann seinen Schwanz wie ein riesiges Windrad hoch und ließ die Exkremente weit kreisen. Die DNA der Tiefe scheint nach dem Modell der ozeanischen eDNA nicht ganz so dynamisch zu sein.

„Eine wichtige Erkenntnis unserer Arbeit ist, dass das eDNA-Signal nicht sofort verschwindet, wenn sich das Tier in der Wassersäule nach oben oder unten bewegt. Das hilft uns, einige große Fragen zu beantworten, die wir mit Netzschleppen oder akustischen Daten nicht beantworten können. Welche Arten wandern? Wie viel Prozent von ihnen wandern jeden Tag aus? Und wer ist ein früher oder später Einwanderer?“ sagte die Erstautorin Elizabeth Andruszkiewicz Allan in einer Pressemitteilung.

Physikalische Prozesse wie Strömungen, Wind und Mischung sowie dasSedimentieren des Materials hatten keinen großen Einfluss auf die vertikale Verteilung der eDNA, die die Tendenz hatte innerhalb von 20 Metern von ihrem Ursprung zu bleiben. Das bedeutet, dass das eDNA-Muster zeigen kann, wo sich bestimmte Arten zu verschiedenen Tageszeiten aufhalten, wie lange sie in bestimmten Tiefen verweilen und welcher Anteil einer Spezies während eines Tages aus der Dämmerzone an die Oberfläche wandern.

„Vor dieser Untersuchung konnten wir nicht sicher sagen, was mit der eDNA passiert ist, die von Arten der Dämmerzone abgegeben wurde. Aber im Modell zeigte sich ein sehr klares Muster, das ein grundlegendes Verständnis der Konzentration von eDNA zwischen der Oberfläche und den tiefen Schichten im Zeitverlauf lieferte “, sagte Teammitglied und Ozeanograph Weifeng Zhang. „Mit diesem neuen Wissen werden Feldforscher in der Lage sein, gezielt zu bestimmen, wo sie die wertvollen Wasserproben entnehmen, um die wandernden Arten zu identifizieren und den Anteil der Tiere in jeder Artengruppe zu schätzen, die jeden Tag wandern“, fügte er hinzu.


[1] Elizabeth Andruszkiewicz Allan et al., Modeling characterization of the vertical and temporal variability of environmental DNA in the mesopelagic ocean. Scientific Reports, 2021,https://doi.org/10.1038/s41598-021-00288-5


* Der Artikel ist erstmals am 4.November in PLOS Blogs - DNA Science Blog unter dem Titel "A Glimpse of the Ocean’s Twilight Zone Through Environmental DNA" https://dnascience.plos.org/2021/11/04/a-glimpse-of-the-oceans-twilight-zone-through-environmental-dna/ erschienen und steht unter einer cc-by Lizenz . Die Autorin hat sich freundlicherweise mit der Übersetzung ihrer Artikel durch ScienceBlog.at einverstanden erklärt, welche so genau wie möglich der englischen Fassung folgen. Drei passende Abbildungen plus Legenden und einige Untertitel wurden von der Redaktion eingefügt.

 


Weiterführende Links

Woods Hole Oceanic Institution (WHOI) is the world's leading, independent non-profit organization dedicated to ocean research, exploration, and education. Our scientists and engineers push the boundaries of knowledge about the ocean to reveal its impacts on our planet and our lives. https://www.whoi.edu/who-we-are/

NOAA Ocean Exploration is the only federal program dedicated to exploring our deep ocean, closing the prominent gap in our basic understanding of U.S. deep waters and seafloor and delivering the ocean information needed to strengthen the economy, health, and security of our nation. https://oceanexplorer.noaa.gov/welcome.html

Zahlreiche Videos von den beiden Institutionen:

Value Beyond View: The Ocean Twilight Zone, Video 2:04 min https://www.youtube.com/watch?v=w-MmLhQDfao&t=3s

Ocean Encounters: Weirdly Wonderful Creatures of the twilight zone. Video 1:12:0 min. https://www.youtube.com/watch?v=GpI2RiUDS6Y&t=572s Sommer 2021

Our beautiful ocean from surface to seafloor Video: 13:34 min. https://www.youtube.com/watch?v=MV3OtxB9BKE

The discoveries awaiting us in the ocean's twilight zone | Heidi M. Sosik, TED, Video 10:01 min. https://www.youtube.com/watch?v=rJmwZhy9Suk 

Deep Sea Dialogues - Bioluminescence. Video 8:03 min. https://oceanexplorer.noaa.gov/edu/multimedia-resources/dsd/dsd.html


 

inge Thu, 25.11.2021 - 18:06

Comments

Milla (not verified)

Sat, 04.12.2021 - 07:18

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