Asymptomatische Infektionen mit SARS-CoV-2. Wirkt der AstraZeneca Impfstoff?

Asymptomatische Infektionen mit SARS-CoV-2. Wirkt der AstraZeneca Impfstoff?

Fr 16.04.2021.... Inge Schuster Inge SchusterIcon Medizin

Um effizient die COVID-19 Pandemie bekämpfen zu können, sollten Impfstoffe sowohl vor schweren COVID-19 Erkrankungen schützen als auch die Infektion mit dem Virus selbst und damit die Ansteckung Anderer durch asymptomatisch und präsymptomatisch Infizierte möglichst unterbinden. Wie die initiale Infektionsphase abläuft, ob sie zu Symptomen führt oder asymptomatisch bleibt, ist noch ungeklärt. Neue Befunde weisen auf eine überragende Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna gegen die durch die derzeit dominierende Virusvariante B.1.1.7 ausgelösten - symptomatischen und asymptomatischen Infektionen hin. Der AstraZeneca Impfstoff zeigt dagegen nur geringe Wirkung gegen asymptomatische Infektionen mit B.1.1.7. Geimpfte Personen können somit ansteckend sein.

Unsichtbare Gefahr

Bereits zu Beginn der COVID-19 Pandemie war es offensichtlich, dass das Virus auch von infizierten Personen übertragen wurde, die selbst (noch) keine Krankheitssymptome zeigten, also von asymptomatischen Menschen oder von präsymptomatischen Menschen, die knapp vor dem Ausbruch der Erkrankung eine fast schon maximale Viruslast aufweisen. Ohne Schutzmaßnahmen konnte also jeder für jeden ansteckend sein. Dies gilt auch heute noch - die üblichen Antigen-Tests können ja nur für einen stark limitierten Zeitraum Unbedenklichkeit bescheinigen.

Wieviele SARS-Infizierte bleiben nun symptomlos?

Trotz einer Fülle epidemiologischer und klinischer Untersuchungen und Laborexperimenten gibt es dazu keine klaren Antworten. Hatten frühe Studien angenommen, dass bis zu 80 % der SARS-CoV-2-Infektionen asymptomatisch verlaufen, so tendieren neuere Untersuchungen zu einem Anteil von 17 - 30 % [1]. In diesem Bereich liegen auch die Werte eines rezenten umfassenden PCR-basiertes Screening-Programms des Klinikpersonals am Cambridge University Hospital: von 3 252 nicht geimpften Personen wiesen 0,8 % einen positiven PCR-Test auf, blieben aber symptomlos und 1,7 % mit positivem PCR-Test zeigten Symptome von COVID-19 [2]. In anderen Worten: Der Großteil der SARS-Infizierten erkrankt an COVID-19, ist aber davor schon infektiös.

Wie erfolgt die Übertragung - welche Virusmenge löst eine Infektion aus?

Es sind dies Fragen, die für das Verstehen von COVID-19 von fundamentaler Bedeutung sind, bis jetzt aber unbeantwortet blieben. Erste Informationen soll eine in England von Dr.Chris Chiu (Imperial College London) geleitete, ethisch umstrittene "Human Challenge Studie" bringen. Es sollen insgesamt 90 junge gesunde Probanden mit dem SARS-CoV-2-Virus inokuliert werden und die frühesten Phasen der Infektion verfolgt werden. Das Virus wird dabei in Tröpfchen auf die Nasenschleimhaut aufgebracht und die niedrigste Virusmenge eruiert, die im Nasen/Rachenraum gerade noch eine Infektion auslöst. Verfolgt wird, wie das Virus sich in der Nase vermehrt, wie das Immunsystem darauf reagiert, wer Symptome entwickelt und wer nicht, d.i. wie es schließlich zu COVID-19 kommt. Die Studie findet in der Klinik unter Quarantänebedingungen statt, die Probanden bleiben rund um die Uhr unter medizinischer Aufsicht und werden danach noch ein Jahr lang auf ihre Gesundheit getestet [3].

Ein spezielles Research Ethics Committee hat im Feber die Studie gestattet, diese hat im März begonnen und die ersten drei Probanden haben bereits die Klinik verlassen [3]. In weiterer Folge denkt man daran einige Probanden mit vorhandenen Vakzinen zu impfen und dann mit neuen Virusvarianten zu inokulieren, um die jeweils wirksamsten Vakzinen herauszufinden

Generelle Forderungen an Impfstoffe…

Um gegen die Pandemie erfolgreich vorgehen zu können, sollte ein Impfstoff zwei Forderungen erfüllen:

  • er sollte zuverlässig gegen schwere, durch SARS-CoV-2 ausgelöste COVID-19 Erkrankungen schützen und
  • er sollte die Infektion selbst und damit die Ansteckung Anderer durch asymptomatisch und präsymptomatisch Infizierte und Weiterverbreitung des Virus möglichst unterbinden

…klinische Studien…

Das Ziel der klinischen Studien, die der Zulassung der Impfstoffe zugrunde liegen, war der Schutz vor COVID-19 Erkrankungen. In sehr großen, randomisierten Doppelblind-Studien wurde die Wirksamkeit einer Vakzine versus Plazebo an Hand der Inzidenz von charakteristischen COVID-19 Symptomen (z.B. Fieber, Husten, Atemnot , Geschmack- und Geruchsverlust; etc.) in Verbindung mit einem positiven Nachweis des Virus durch einen PCR-Test festgestellt.

Darüber ob eine Vakzine bereits Infektionen unterdrücken kann, konnten diese Studien nichts aussagen.

…PCR-basierte Screening-Programme…

Erst in den letzten Wochen haben neue umfassende PCR-basierte Screening-Programme an tausenden Geimpften versus Nicht-Geimpften erstmals Aussagen über die Wirksamkeit von Vakzinen gegen asymptomatische Infektionen ermöglicht.

Demnach zeigen die mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna über 90 % Wirksamkeit nicht nur bei der Reduktion der COVID-19-Inzidenz, sondern auch bei der Verhinderung asymptomatischer Infektionen [2]. Es besteht damit die Hoffnung, dass geimpfte Personen andere nicht mehr anstecken können und Infektionsketten so unterbrochen werden können

…und Wirksamkeit der AstraZeneca-Vakzine (AZD1222) gegen asymptomatische Infektionen

Praktisch zeitgleich mit den überaus positiven Befunden zu den mRNA-Vakzinen ist auch eine neue Analyse zu den in den England gelaufenen Phase 2/3 klinischen Studien erschienen [4]. (Anlässlich der Zulassung der Vakzine durch die EMA wurde über diese Studien bereits in [5] berichtet). Das Studienprotokoll hatte vorgesehen, dass die Probanden wöchentlich Abstriche aus dem Nasen/Rachenraum nahmen - ob sie nun Symptome einer COVID-19 Erkrankung hatten oder nicht - und einschickten. Abstriche, die positiv auf das Virus testeten, wurden sequenziert und auch in Hinblick auf die britische Virus-Variante B.1.1.7 evaluiert, die in England ab Dezember 2020 stark anstieg und derzeit die in vielen europäischen Ländern dominierende Form ist.

In Hinblick auf diese B.1.1.7-Variante und bei Probanden nach 2 Standarddosen des Impfstoffs zeigte dieser eine Wirksamkeit gegen symptomatische Infektionen von 66,7 % (95% CI 29,2 – 84,3). Die Wirksamkeit gegen asymptomatische Infektionen mit 8 Fällen in der Vakzine-Gruppe und 11 Fällen in der Placebo-Gruppe betrug dagegen nur 28,9 % (CI 95 -77 - 71,4). Zweifellos können diese Daten mit ihrem viel zu weitem Konfidenzintervall (CI) nur als Näherung einer sehr geringen klinischen Wirksamkeit angesehen werden. Sollte es zu einer weiten Normalisierung des öffentlichen Lebens und einer Rücknahme der Maßnahmen - Social Distancing, Mund/Nasenschutz, etc. - kommen, so können asymptomatische Virenträger das Virus weiter verbreiten und dabei neue Varianten auftauchen, die das Infektionsgeschehen wieder anfachen.


[1] AL Rasmussen & SV Popescu, SARS-CoV-2 transmission without symptoms. (19 March 2021) Science 371 (6535) 1207

[2] I.Schuster, 01.04.2021: Die mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna verhindern auch asymptomatische Infektionen mit SARS-CoV-2

[3] Ryan O'Hare, 25.03.2021: First volunteers on COVID-19 human challenge study leave quarantine. https://www.imperial.ac.uk/news/218294/first-volunteers-covid-19-human-challenge-study/

[4] KRW Emary et al., 30.03,2021: Lancet, Efficacy of ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) vaccine against SARS-CoV-2 variant of concern 202012/01 (B.1.1.7): an exploratory analysis of a randomised controlled trial

[5] I.Schuster, 01.02.2021: Trotz unzureichender Wirksamkeitsdaten für ältere/kranke Bevölkerungsgruppen: AstraZeneca-Impfstoff für alle EU-Bürger ab 18 Jahren freigegeben


 

inge Fri, 16.04.2021 - 01:50