Visualiserung des menschlichen Herz-Kreislaufsystems mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
Visualiserung des menschlichen Herz-Kreislaufsystems mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET)Do, 27.08.2020 — Francis S. Collins
Die Positronen-Emissions-Tomographie ist zu einer unentbehrlichen Methode vor allem in Onkologie, Kardiologie und Neurologie aber auch in vielen Aspekten der Grundlagenforschung geworden. Indem die Verteilung einer injizierten, schwach radioaktiv markierten Substanz (Radiotracer) im Körper verfolgt wird, können physiologische und pathologische Zustände funktionell abgebildet werden. Eine bahnbrechende Neuerung ist nun der an University of California in Davis entwickelte Ganzkörper-PET-Scanner EXPLORER, der- kombiniert mit Computertomographie (CT) - bei gesteigerter Sensitivität und in kürzesten Intervallen - den gesamten Körper gleichzeitig scannen und die Dynamik der Tracer-Verteilung in 3D-Bildern und Videos abbilden kann. Wie am Beispiel des menschlichen Herz-Kreislaufsystems ersichtlich, hat die völlig neue Möglichkeit Vorgänge in verschiedenen Organen gleichzeitig zu visualisieren ein ungeheures Potential für Forschung und klinische Anwendung. Francis S. Collins, Direktor der US-National Institutes of Health (NIH) und ehem. Leiter des "Human Genome Project" berichtet darüber.*
Wenn man dieses kurze Video anschaut, denkt man vielleicht eine animierte Strichzeichnung zu sehen, die nach und nach zu einer filigranen Darstellung eines wohlbekannten Systems führt, nämlich in die inneren Strukturen des menschlichen Körpers. Dieses Video fängt jedoch nicht das Werk eines talentierten Zeichners ein. Es wurde mit dem ersten 3D-Ganzkörper-Scanner mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) erzeugt.
Das Gerät trägt die Bezeichnung EXPLORER-Ganzkörper-PET-Scanner (EXtreme Performance LOng Axial Research Scanner). In Kombination mit einer verbesserten Methode der Bildrekonstruktion aus riesigen Datenmengen ermöglicht der Scanner Videos zu erzeugen.
Eine dynamische Erfassung des Herz-Kreislaufsystems in Echtzeit
In dem hier gezeigten Video haben die Forscher kleine Mengen eines kurzlebigen radioaktiven Tracers - ein wesentlicher Bestandteil aller PET-Scans (im gegenständlichen Fall 18F-Fluodeoxyglucose; Anm. Redn.) - in den rechten Unterschenkel einer freiwilligen Probandin intravenös injiziert. Sie haben sich dann zurückgelehnt und zugesehen, wie der Scanner Bilder vom Weg des Tracers aufzeichnete: dieser wandert im venösen Blutstrom das Bein hinauf in den Körper und ins Herz hinein. Von der rechten Herzkammer fließt der Tracer zur Lunge,(Blut wird dort mit Sauerstoff beladen, Anm. Redn) und als arterielles Blut zurück durch die linke Herzkammer (von der aus arterielles Blut in den ganzen Organismus gepumpt wird; Anm. Redn.) und bis ins Gehirn. Abbildung 1 zeigt einige repräsentative Screenshots des Videos (von der Redaktion eingefügt).
Abbildung 1. PET-Scan des Wegs des Tracers 18F-Deoxyglucose von der Injektionsstelle in das Herz-Kreislaufsystem und Verteilung in die Organe. (Screenshots von dem oben gezeigten Video von der Redaktion eingefügt) |
Ab etwa der 30-Sekunden-Marke sieht man dann vergrößert ein beeindruckende Bilderfolge des schlagenden Herzens.
Die gleichzeitige Visualisierung des ganzen Körpers ...
Dieser bahnbrechende Scanner wurde von Jinyi Qi, Simon Cherry, Ramsey Badawi und deren Kollegen an der University of California in Davis entwickelt und getestet [1]. Wie die vom NIH finanzierten Forscher kürzlich im Fachjournal Proceedings der National Academy of Sciences berichteten, kann der neue Scanner dynamische Veränderungen im Körper erfassen, die in einer Zehntelsekunde stattfinden [2]. Das ist schneller als ein Wimpernschlag!
Das Video ist aus Bildern zusammengesetzt, die in Intervallen von 0,1 Sekunden aufgenommen wurden. Es weist deutlich auf die Eigenschaft hin, die diesen Scanner so einzigartig macht: es ist seine Fähigkeit, den gesamten Körper auf einmal zu visualisieren. Andere medizinische Bildgebungsverfahren, einschließlich MRT, CT und herkömmlicher PET-Scans, können verwendet werden, um beispielsweise schöne Bilder des Herzens oder des Gehirns aufzunehmen. Sie können jedoch nicht zeigen, was im Herzen und im Gehirn gleichzeitig passiert.
....eröffnet ein neues Fenster zur Biologie des Menschen
Die Fähigkeit, die Dynamik radioaktiver Tracer in mehreren Organen gleichzeitig zu erfassen, eröffnet ein neues Fenster zur Biologie des Menschen. Das EXPLORER-System ermöglicht es beispielsweise, Entzündung zu messen, die in vielen Körperteilen nach einem Herzinfarkt auftritt, sowie Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Darm bei Morbus Parkinson und anderen Erkrankungen zu untersuchen.
Der EXPLORER bietet auch andere Vorteile. Auf Grund seiner besonders hohen Sensitivität kann er Bilder aufnehmen, die anderen Scannern entgehen würden - und das bei einer geringeren Strahlungsdosis. Er ist auch viel schneller als ein normaler PET-Scanner; das ist besonders von Vorteil, wenn quirlige Kinder gescannt werden. Und er erweitert den Bereich der Forschungsmöglichkeiten für PET-Bildgebungsstudien. Beispielsweise können Forscher eine Person mit Arthritis im Laufe der Zeit wiederholt scannen, um Veränderungen zu erkennen, die auf Behandlungen oder körperliche Betätigung zurückzuführen sein könnten.
........und zu klinischen Anwendungen
Derzeit arbeitet das UC Davis-Team mit Kollegen an der University of California in San Francisco zusammen, um mithilfe von EXPLORER unser Verstehen der HIV-Infektion zu verbessern. Erste Ergebnisse zeigen, dass der Scanner es einfacher macht zu erfassen, wo das humane Immundefizienzvirus (HIV), die Ursache von AIDS, im Körper lauert, weil er Signale erfasst, die zu schwach sind, um in herkömmlichen PET-Scans gesehen zu werden.
Das Potential, das der Scanner für die Forschung hat, ist riesig, er ist aber auch für den klinischen Einsatz vielversprechend. Tatsächlich wurde eine kommerzielle Version des Scanners mit dem Namen uEXPLORER bereits von der FDA zugelassen und ist in der University of California im Einsatz [3]. Die Forscher haben herausgefunden, dass seine erhöhte Sensitivität die Erkennung von Krebserkrankungen bei übergewichtigen Patienten erheblich erleichtert, mit konventionellen PET-Scannern jedoch schwieriger zu erfassen ist.
Sobald der COVID-19-Ausbruch so weit abgeklungen ist, dass die klinische Forschung wieder aufgenommen werden kann, wollen die Forscher Krebspatienten in eine klinische Studie aufnehmen, in der herkömmliche PET- und EXPLORER-Scans direkt verglichen werden sollen.
Wenn diese und andere Forscher auf der ganzen Welt beginnen, diesen neuen Scanner einzusetzen, können wir uns darauf freuen, viele weitere bemerkenswerte Videos wie diesen zu sehen. Stellen Sie sich vor, was diese alles aufdecken werden!
[1] First human imaging studies with the EXPLORER total-body PET scanner Badawi RD, Shi H, Hu P, Chen S, Xu T, Price PM, Ding Y, Spencer BA, Nardo L, Liu W, Bao J, Jones T, Li H, Cherry SR. J Nucl Med. 2019 Mar;60(3):299-303.
[2] Subsecond total-body imaging using ultrasensitive positron emission tomography Zhang X, Cherry SR, Xie Z, Shi H, Badawi RD, Qi J. Proc Natl Acad Sci U S A. 2020 Feb 4;117(5):2265-2267.
[3] “United Imaging Healthcare uEXPLORER Total-body Scanner Cleared by FDA, Available in U.S. Early 2019 ” Cision PR Newswire. January 22, 2019.
*Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am20. August 2020) im NIH Director’s Blog unter dem Titel: " See the Human Cardiovascular System in a Whole New Way"; https://directorsblog.nih.gov/2020/08/20/see-the-human-cardiovascular-system-in-a-whole-new-way/?fbclid=IwAR1ZA6F4ttWAh0wbOItHFgWqboeex66vOJBbM_lMnoYDGb4sUgKjfz3NE2w. Der Artikel wurde von der Redaktion möglichst wortgetreu übersetzt und mit einigen Screenshots aus dem gezeigten Video und Untertiteln ergänzt. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).