Hoch-prozessierte Lebensmittel führen zu erhöhter Kalorienkonsumation und Gewichtszunahme

Hoch-prozessierte Lebensmittel führen zu erhöhter Kalorienkonsumation und Gewichtszunahme

Do, 30.05.2019 - 16:26 — Francis S. Collins

Francis S. CollinsIcon MedizinIn den letzten Jahren sind hoch-prozessierte Lebensmittel/ Fertiggerichte immer populärer geworden und gleichzeitig ist die Zahl der Übergewichtigen stark gestiegen. Dass ein Zusammenhang zwischen diesen Essvorlieben und Übergewicht bestehen könnte, wurde schon lange vermutet. Diese Annahme fand nun in einem kontrollierten randomisierten klinischen Versuch erste Bestätigung - allerdings an einer nur kleinen Probandenzahl [1]. Francis Collins, Direktor der US National Institutes of Health (NIH), berichtet über diese Studie, in der prozessierte Nahrung offensichtlich zu vermehrter Kalorienzufuhr anregte und damit zur Gewichtszunahme führte.*

Hat man jemals versucht ein paar Kilo abzunehmen oder einfach nur ein einigermaßen "gesundes" Gewicht zu halten, so ist man wahrscheinlich auf ein verwirrendes Angebot an Diäten gestoßen, wobei jede dieser Diäten begeisterte Anhänger hat; es sind Diäten, die kohlenhydratarm, fettarm sind, Keto-, paläo-, vegane-, mediterrane Diäten und so fort. In einem sind sich die meisten Ernährungsexperten allerdings einig: am besten ist es, wenn man sich von stark-verarbeiteten Lebensmitteln fern hält. Nun gibt es einige solide wissenschaftliche Hinweise, die diese Empfehlung stützen.

Prozessierte versus nicht-prozessierte Nahrung

Eine erste von NIH-Forschern ausgeführte, randomisierte, kontrollierte Studie hat die Auswirkungen von stark prozessierten Lebensmitteln mit denen von unverarbeiteten Lebensmitteln verglichen. Dabei stellten die Forscher fest, dass gesunde Erwachsene etwa ein Pfund pro Woche zunahmen, wenn sie eine tägliche Diät zu sich nahmen, die reich an stark verarbeiteten Lebensmitteln war. Solche Nahrungsmittel enthalten häufig Zusätze wie beispielsweise hydrierte Fette, Maissirup mit hohem Fruktosegehalt, Aromastoffe, Emulgatoren und Konservierungsmittel. Wenn diese Personen aber unverarbeitete Vollwertkost aßen, verloren sie an Gewicht.

Interessanterweise traten die Gewichtsunterschiede zwischen den beiden Diäten auf, auch wenn beide Arten von Lebensmitteln unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten sorgfältig abgeglichen worden waren, einschließlich Kalorienzahl, Gehalt an Ballaststoffen, Fetten, Zucker und Salz. Ein Frühstück aus der stark prozessierten Gruppe von Nahrungsmitteln konnte so zum Beispiel aus einem Bagel mit Frischkäse und Putenschinken bestehen, während bei den nicht verarbeiteten Nahrungsmitteln Haferflocken mit Bananen, Walnüssen und Magermilch angeboten wurden. Abbildung 1.

Abbildung 1. Von hoch- prozessierten Lebensmitteln wird mehr gegessen als von nicht- prozessierten - als Folge steigt das Körpergewicht bereits nach kurzer Zeit an (Bild: Credit: Hall et al., Cell Metabolism, 2019; von Redn. deutsch beschriftet)

Warum derartige Unterschiede zwischen den beiden Diäten auftraten, kann offensichtlich damit erklärt werden, dass es den Studienteilnehmern freigestellt war so wenig oder so viel zu den Mahlzeiten zu essen, wie sie wollten, und auch zwischendurch einen Snack zu sich zu nehmen. Dabei stellte sich heraus, dass die Leute von den stark verarbeiteten Mahlzeiten signifikant mehr aßen - durchschnittlich etwa 500 zusätzliche Kalorien pro Tag - als von den unverarbeiteten Gerichten. Und wie man ja weiß: Ein Mehr an Kalorien ohne ein Mehr an Bewegung führt in der Regel zu einer Gewichtszunahme!

Dies mag uns ja nicht neu zu erscheinen. Immerhin versucht man in den USA schon seit einiger Zeit einen Zusammenhang zwischen dem Boomen der Fertiggerichte und der Zunahme des Körperumfangs herzustellen. Aber so plausibel es auch scheinen mag, dass solche Lebensmittel zu übermäßigem Essen anregen können, vielleicht aufgrund ihres hohen Salz-, Zucker- und Fettgehalts, so bedeutet Korrelation keineswegs Ursache, und kontrollierte Studien darüber, was Menschen tatsächlich essen, sind schwierig durchzuführen. Infolgedessen gab es bis jetzt keine definitive Evidenz, die stark prozessierte Lebensmittel direkt mit Gewichtszunahme verknüpfen konnte.

Die Studie

Dieser mögliche Zusammenhang wurde nun untersucht und die Ergebnisse im Fachjournal Cell Metabolism berichtet [1]. Es war dies eine Zusammenarbeit von NIH-Forschern am National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases mit denen an der Metabolic Clinical Research Unit in Bethesda, MD, die speziell für die Untersuchung von Fragen im Zusammenhang mit Ernährung und Stoffwechsel ausgestattet sind.

Die Forscher rekrutierten 20 gesunde Männer und Frauen mit stabilem Gewicht, die dann 28 Tage im Labor lebten. Nach dem Zufallsprinzip erhielt jeder der Freiwilligen über zwei aufeinanderfolgende Wochen entweder eine stark-prozessierte Diät oder eine nicht-prozessierte Diät. Nach den zwei Wochen wurde dann für weitere zwei Wochen auf die jeweils andere Diät umgestellt.

Beide Diäten bestanden täglich aus drei Mahlzeiten, wobei die Versuchspersonen so viel essen durften, wie sie wollten. Ein wichtiger Punkt war dabei, dass ein Team von Diätassistenten die stark verarbeiteten und die unverarbeiteten Mahlzeiten sorgfältig so entworfen hatte, dass sie in Bezug auf Gesamtkalorien, Kaloriendichte, Makronährstoffen, Ballaststoffen, Zucker und Salz gut vergleichbar waren.

Zum Mittagessen bestand beispielsweise eine der verarbeiteten Mahlzeiten der Studie aus mit Käse gefüllten Tortillas (Quesadillas), Bohnenpürree und Diätlimonade. Ein unverarbeitetes Mittagessen bestand aus einem Spinatsalat mit Hähnchenbrust, Apfelscheiben, Bulgur und Sonnenblumenkernen mit Trauben als Beilage.

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Diäten war der Anteil der Kalorien, die aus hoch-verarbeiteten versus unverarbeiteten Lebensmitteln stammte, entsprechend der Definition im NOVA-Diätklassifizierungssystem. Es ist dies ein System, das Lebensmittel mehr nach Art, Ausmaß und Zweck der Lebensmittelverarbeitung einteilt als nach ihrem Nährstoffgehalt.

Die Forscher bestimmten nun wöchentlich Energieverbrauch, Gewicht und die Veränderungen der Körperzusammensetzung aller Versuchspersonen. Nach zwei Wochen hatten die Personen mit der stark prozessierten Diät durchschnittlich etwa zwei Pfund zugenommen. Im Vergleich dazu wiesen Diejenigen, die nicht-prozessierte Diät gegessen hatten, einen Gewichtsverlust von ungefähr zwei Pfund auf.

Stoffwechseltests ergaben, dass die Probanden für die stark verarbeitete Diät zwar mehr Energie aufwendeten, diese allerdings nicht ausreichte, um den erhöhten Kalorienverzehr zu kompensieren. Infolgedessen nahmen die Teilnehmer Pfunde und Körperfett zu. Die Studie weist einige Einschränkungen auf, z. B. geringfügige Unterschiede im Proteingehalt der beiden Diäten. und die Forscher planen, solche Probleme in ihrer zukünftigen Arbeit anzugehen.

Während der relativ kurzen Versuchsdauer beobachteten die Forscher keine verdächtigen Anzeichen, die mit einer schlechten Stoffwechsellage einhergehen, wie beispielsweise einen Anstieg des Blutzuckerspiegels oder des Leberfetts. 

Ein paar Pfund mehr klingt vielleicht nach nicht viel, im Laufe der Zeit summieren sich aber die mit einer hoch-prozessierten Diät verbundenen zusätzlichen Kalorien und die Gewichtszunahme.

Fazit

Ein guter Ansatzpunkt, um ein gesundes Gewicht zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, ist also, den Rat zu befolgen, den alle ansonsten widersprüchlichen Ernährungspläne teilen: Bemühen Sie sich, um hoch-verarbeitete Lebensmittel in Ihrer Ernährung zu eliminieren oder zumindest zu reduzieren, und zwar zugunsten einer ausgewogenen Vielfalt von unverarbeiteten, nährstoffreichen Lebensmitteln.

[1] Ultra-processed diets cause excess calorie intake and weight gain: An inpatient randomized controlled trial of ad libitum food intake . Hall KD et al. Cell Metab. 2019 May 16.


* Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am. 21. Mai 2019) im NIH Director’s Blog und wurde geringfügig für den ScienceBlog adaptiert. Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).


Weiterführende Links


 

Redaktion Thu, 30.05.2019 - 12:36