Schlaflosigkeit fördert die Ausbreitung von toxischem Alzheimer-Protein
Schlaflosigkeit fördert die Ausbreitung von toxischem Alzheimer-ProteinDo, 14.02.2019 - 10:04 — Francis S. Collins
Zusätzlich zu Gedächtnisverlust und Verwirrung leiden viele Menschen mit Alzheimer-Krankheit auch an Schlafstörungen. Nun hat ein von der NIH finanziertes Forscherteam Beweise dafür, dass auch das Umgekehrte zutrifft: Ein chronischer Schlafmangel kann die Krankheit und den damit verbundenen Gedächtnisverlust verschlimmern. Francis Collins, Direktor der US National Institutes of Health, berichtet hier über diese Untersuchungen, die zeigen, dass Schlafentzug die Ausbreitung des Tau-Proteins in Form toxischer Fibrillen im Gehirn fördert.*
Die neuen Ergebnisse konzentrieren sich auf das sogenannte Tau-Protein, das sich im Gehirn von Menschen mit Alzheimer-Krankheit in Form verklumpter Fibrillen ansammelt. Bei einem gesunden Gehirn setzen die aktive Neuronen während des Wachzustands für gewöhnlich etwas Tau-Protein frei; dieses wird aber üblicherweise während der Schlafphase beseitigt. Unser Gehirn verfügt ja tatsächlich über ein System, um dem Müll zu beseitigen, während wir uns im Traumland aufhalten.
Neueste Studien an Mäusen und Menschen weisen darauf hin, dass Schlafentzug dieses Gleichgewicht von Freisetzung und Beseitigung stört: dadurch kann mehr freigesetztes Tau-Protein akkumulieren und sich in Form toxischer Fibrillen in Gehirnbereichen ausbreiten, die für das Gedächtnis von Wichtigkeit sind. Die Ergebnisse legen nahe, dass regelmäßiger und tiefer Schlaf eine unvermutet wichtige Rolle spielen kann, um den Beginn der Alzheimer-Krankheit hinaus zu zögern oder ihren Fortschritt zu verlangsamen.
Ablagerungen von Tau-Protein......
Es ist bereits seit langem bekannt, dass die Alzheimer-Krankheit mit der allmählichen Anreicherung von Beta-Amyloid-Peptiden und Tau-Proteinen verbunden ist, die Plaques (unlösliche Proteinablagerungen außerhalb der Nervenzellen, Anm. Red.) und verklumpte Tau-Fibrillen (innerhalb der Zellen, Anm. Red.) bilden, welche als Erkennungszeichen der Krankheit gelten. Erst vor kurzem wurde klar, dass Beta-Amyloid zwar ein frühes Anzeichen für die Krankheit ist, Tau-Ablagerungen jedoch mit dem Fortschreiten der Erkrankung und dem kognitiven Verfall einer Person präziser einhergehen. Abbildung 1.
Abbildung 1. Beta-Amyloid Plaques und Tau-Protein Fibrillen im Gehirn von Alzheimer-Kranken. Beta-Amyloid Peptide klumpen zu Plaques zwischen den Neuronen zusammen (braun) und stören deren Funktion, Ansammlungen von Tau-Protein (blau) bilden Fibrillen innerhalb der Neuronen und verletzen die synaptische Kommunikation zwischen den Neuronen. (Bild: NIH Image Gallery. National Institute on Aging, NIH; cc-by-sa-Lizenz. Mehr Information: www.nia.nih.gov/health/what-happens-brain-alzheimers-disease)
Solche Befunde liessen Forscher um David Holtzman (Washington University School of Medicine, St. Louis) hoffen, dass Strategien, die auf das Tau-Protein abzielen, die verheerende Krankheit verlangsamen könnten. Wenn man auch von der Entwicklung geeigneter Medikamente das meiste erwartete, konzentrierten sich einige Forscher auch auf den Schlaf und seine Fähigkeit in der Nacht die Harmonie des Stoffwechsels im Gehirns wieder herzustellen.
....sind mit dem Wach-Schlaf-Zyklus verknüpft
In der nun im Fachjournal Science veröffentlichten Studie untersuchte das Team um Holtzman, ob die Spiegel des Tau-Proteins im Gehirn auf natürliche Weise mit dem Schlaf-Wach-Zyklus verknüpft sind [1]. Von früheren Untersuchungen war bekannt, dass das Tau-Protein von aktiven Neuronen in geringen Mengen freigesetzt wird. Werden die Nervenzellen jedoch ständig aktiviert, so wird mehr Tau freigesetzt.
Steigen die Konzentrationen des Tau-Proteins also, wenn wir wach sind und fallen sie, wenn wir schlafen?
Das Holtzman-Team hat im Tierversuch gezeigt, dass dies tatsächlich der Fall ist. Die Forscher haben dazu die Konzentration des Tau-Proteins in der Hirnflüssigkeit von Mäusenbestimmt, die sie während deren üblichen Wach- und Schlafzeit gesammelt hatten. (Da Mäuse nachtaktiv sind, schlafen sie hauptsächlich tagsüber.) Die Forscher stellten fest, dass sich die Spiegel des Tau-Proteins im Gehirn fast verdoppelten, wenn die Tiere wach waren. Sie wiesen auch nach, dass Schlafentzug die Tau-Spiegel in der Gehirnflüssigkeit nochmals verdoppelte.
Diese Befunde waren besonders interessant, weil das Team um Holtzman bezüglich des Beta-Amyloids bereits ein analoges Ergebnis am Menschen gefunden hatte. Das Team hatte festgestellt, dass gesunde Erwachsene, die eine Nacht durcharbeiten mussten, einen Anstieg des ungesunden Beta-Amyloids in ihrer Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis -CSF) um durchschnittlich 30 Prozent verzeichneten.
Die Forscher griffen nun auf die damaligen, noch existierenden menschlichen Proben zurück und analysierten sie nochmals, nun auch auf das Tau-Protein: Tatsächlich fanden sie die Tau-Spiegel erhöht - im Durchschnitt um etwa 50 Prozent.
Schlafmangel fördert die Ausbreitung von Tau-Protein
Sobald sich das Tau-Protein im Hirngewebe ansammelt, kann es sich entlang neuronaler Verbindungen von einer Gehirnregion zur nächsten Gehirnregion ausbreiten. Holtzmans Team fragte sich nun, ob ein über längere Zeit bestehender Schlafmangel auch dazu führen könnte, dass sich das Tau-Protein ausbreitet.
Um dies herauszufinden, wurden Mäuse genetisch erst so manipuliert, dass sie menschliche Tau-Fibrillen in ihrem Hirn exprimierten, und dann dazu gebracht, länger als üblich wach zu bleiben und über mehrere Wochen schlechteren Schlaf zu bekommen. Das Ergebnis war, dass weniger Schlaf die ursprüngliche Ablagerung des Tau-Proteins im Gehirn zwar nicht veränderte, aber zu einer signifikanten Erhöhung der Tau-Ausbreitung führte. Interessanterweise traten bei den Tieren verklumpte Tau-Fibrillen in den gleichen Gehirnregionen auf, die auch bei Alzheimer-Patienten betroffen waren.
Ein weiterer Bericht des Holtzman-Teams, der Anfang letzten Monats im Journal Science Translational Medicine erschien, fand noch eine zusätzliche Verbindung zwischen dem Tau-Protein und Schlafstörungen. Diese Studie setzte PET-Scans(Postron-Emission Tomographie) ein und zeigte, dass ältere Menschen mit mehr Tau-Fibrillen im Gehirn, weniger tiefen (slow wave) Schlaf hatten [2].
Fazit
In Summe deuten diese neuen Erkenntnisse darauf hin, dass Alzheimer-Krankheit und Schlaflosigkeit enger miteinander zusammenhängen, als man bisher angenommen hatte. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass gute Schlafgewohnheiten und /oder Behandlungen, welche die Qualität des Schlafs erhöhen, eine wichtige Rolle im Hinauszögern der Alzheimer-Krankheit spielen könnten. Schlechter Schlaf kann andererseits den Zustand verschlechtern und ein frühes Warnzeichen für Alzheimer sein.
Die Ergebnisse erinnern uns zunächst daran, dass wir uns alle bemühen sollten regelmäßig eine gute Nachtruhe zu erreichen. Schlafentzug ist wirklich kein guter Weg, um mit einem anstrengenden Leben fertig zu werden (ich rede hier mit mir selbst). Es ist zwar noch nicht klar, wieweit bessere Schlafgewohnheiten die Alzheimer-Krankheit verhindern oder verzögern werden, aber sie können sicherlich nicht schaden.
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[1] The sleep-wake cycle regulates brain interstitial fluid tau in mice and CSF tau in humans. Holth JK, Fritschi SK, Wang C, Pedersen NP, Cirrito JR, Mahan TE, Finn MB, Manis M, Geerling JC, Fuller PM, Lucey BP, Holtzman DM. Science. 2019 Jan 24. [2] Reduced non-rapid eye movement sleep is associated with tau pathology in early Alzheimer’s disease. Lucey BP, McCullough A, Landsness EC, Toedebusch CD, McLeland JS, Zaza AM, Fagan AM, McCue L, Xiong C, Morris JC, Benzinger TLS, Holtzman DM. Sci Transl Med. 2019 Jan 9;11(474).
* Dieser Artikel von NIH Director Francis S. Collins, M.D., Ph.D. erschien zuerst (am. 5. Feber 2019) im NIH Director’s Blog, https://directorsblog.nih.gov/2019/02/05/sleep-loss-encourages-spread-of... und wurde geringfügig für den ScienceBlog adaptiert Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).
Weiterführende Links
National Institutes of Health (NIH)
Alzheimer’s Disease and Related Dementias (National Institute on Aging/NIH)
Accelerating Medicines Partnership: Alzheimer’s Disease (NIH)
Holtzman Lab (Washington University School of Medicine, St. Louis)
Tau-Protein gegen Gedächtnisverlust (ohne Ton). Max-Planck Film 1:44 min
Planet Wissen - Diagnose Alzheimer Video 58:17 min
Artikel im ScienceBlog:
Francis S. Collins, 27.05.2016: Die Alzheimerkrankheit: Tau-Protein zur frühen Prognose des Gedächtnisverlusts
Gottfried Schatz: 03.07.2015: Die bedrohliche Alzheimerkrankheit — Abschied vom Ich