EU-Bürger, Industrien, Regierungen und die Europäische Union in SachenUmweltschutz - Ergebnisse der Special Eurobarometer 468 Umfrage (Teil 2)

EU-Bürger, Industrien, Regierungen und die Europäische Union in SachenUmweltschutz - Ergebnisse der Special Eurobarometer 468 Umfrage (Teil 2)

Do, 23.11.2017 - 08:36 — Inge Schuster

Inge SchusterIcon Politik & GesellschaftÜber einen Teil der jüngst erschienenen Ergebnisse des Special Eurobarometer 486 - die Einstellung der EU-Bürger zu Umweltproblemen, ihr Wunsch die Umwelt zu schützen und dazu auch selbst beizutragen - wurde vergangene Woche berichtet. Weitere Aspekte der Umfrage, vor allem welche Rolle wer - Industrien, Regierungen und die EU selbst - im Umweltschutz spielen sollte, sind nun Gegenstand des gegenwärtigen Artikels. Dabei wird auch auf die Meinung der Österreicher Bezug genommen.

Die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission sieht ihr Ziel darin für gegenwärtige und künftige Generationen die Umwelt zu schützen, zu bewahren und zu verbessern. Um dies zu erreichen, schlägt sie Maßnahmen vor und führt solche ein, die ein hohes Maß an Umweltschutz und Sicherung der Lebensqualität von EU-Bürgern gewährleisten sollen; sie wacht auch darüber, dass die Umweltgesetze der EU von den Mitgliedstaaten eingehalten werden.

Wie sehen dies aber die EU-Bürger?

In regelmäßigen Abständen gibt die EU-Kommission dazu repräsentative Umfragen in Auftrag, wobei je Mitgliedsland persönliche (face to face) Interviews mit rund 1000 Personen ab 15 Jahren und aus unterschiedlichen sozialen und demographischen Gruppen, in ihrem Heim und in ihrer Muttersprache geführt werden. Aus dem jüngsten, vor knapp 2 Wochen erschienenen Bericht "Special EU-Barometer 468" [1] geht hervor, dass der Wunsch die Umwelt zu schützen bei den EU-Bürgern sehr breite Unterstützung findet, sie Maßnahmen dazu bejahen und bereit sind auch persönlich beizutragen. Darüber wurde vergangene Woche im ScienceBlog berichtet [2]. Weitere Aspekte der Umfrage, vor allem welche Rolle wer - Industrien, Regierungen und die EU selbst - im Umweltschutz spielt/spielen sollte, ist Gegenstand des gegenwärtigen Artikels.

Wie sehen die EU-Bürger das Verhalten von Industrie und Institutionen in Sachen Umweltschutz?

Hohe Einigkeit zeigten die EU-Bürger bei der Frage, ob große Umweltverschmutzer primär für die Schäden aufkommen sollten, die sie verursachen. Ähnlich wie schon bei der Umfrage im Jahr 2014 stimmten dem im EU-28 Mittel insgesamt 94 % zu (65 % volkommen, 29 % eher) und nur 4 % sprachen sich dagegen aus. Unter den Ländern stach Rumänien mit 11 % Ablehnung heraus.

Auch auf die Frage ob Industrie, Institutionen oder die Bürger selbst genügend für den Umweltschutz machten, zeigte sich wenig Veränderung gegenüber früheren Umfragen. Abbildung 1.

Großunternehmen und Industrie wurden am schlechtesten beurteilt; im EU-28 Mittel gaben 4 von 5 Befragten an, dass dort zu wenig für die Umwelt getan würde. In einigen Ländern hatte sich die Einschätzung etwas gebessert - u.a. in Österreich um 8 Punkte auf insgesamt 24 % "zu viel/genug Umweltschutz" -, dafür in anderen Staaten wie UK, Holland oder Deutschland um mehrere Prozentpunkte verschlechtert. Am unteren Ende der Skala lag die Bewertung der Griechen, von denen nur 4 % meinten dass zu viel (1 %) oder ausreichend (3 %) getan würde.

Abbildung 1. Frage QD 7: Machen Ihrer Meinung nach die folgenden Akteure zu viel, genug oder zu wenig für den Umweltschutz[1].

Selbsteinschätzung der Bevölkerung: Auch hier fanden im EU-Mittel zwei Drittel der Befragten, dass nicht genügend für die Umwelt getan würde. Am Positivsten wurde die Situation in Deutschland, Tschechien und Österreich beurteilt (41 - 42 % gaben an "zu viel/genug Umweltschutz" zu betreiben), am Schlechtesten in Frankreich, Malta und Bulgarien (80 % urteilten "zu wenig Umweltschutz").

Institutionen. Rund zwei Drittel der EU-Bürger fanden, dass ihre jeweiligen Regierungen zu wenig für die Umwelt machten, ihre regionalen und lokalen Institutionen bewerteten sie dagegen besser. Dass die einzelnen Institutionen zu viel machten, fand nur ein kleiner Teil der Befragten. In den Bewertungen unterschieden sich die Länder stark.

  • Lokale Institutionen: während 74 % der Griechen und 72 % der Bulgaren angaben, dass ihr Dorf, ihre Stadt nicht genug für die Umwelt machen würde, waren nur 29 % der Dänen, 30 % der Luxemburger und 31 % der Tschechen dieser Ansicht; in Deutschland waren dies 33 % und in Österreich 36 %.
  • Regionaler Umweltschutz: diesen beurteilten Griechen (76 %) und Bulgaren (72 %) ähnlich schlecht wie den lokalen Umweltschutz. Dagegen fand zumindest die Hälfte der Befragten in Tschechien, Deutschland, Luxemburg, Dänemark und Österreich, dass zu viel/genug für die Umwelt geschehe.
  • Nationale Regierungen: Am unzufriedensten mit dem Umweltschutz ihrer Regierungen waren wiederum die Griechen (88 %), dann folgten die Spanier (78 %) und Bulgaren (75 %), am wenigsten unzufrieden waren die Luxemburger (42 %), Dänen und Finnen (je 52 %). In Österreich hatte seit 2014 die Zufriedenheit um 16 % zugenommen.
  • EU: Wie im Fall der nationalen Regierungen, zeigte sich im Schnitt nur etwa ein Viertel der EU-Bürger mit den Aktivitäten der EU zum Umweltschutz zufrieden, über 60 % fanden aber, dass die EU mehr tun sollte. Am wenigsten zufrieden waren die Schweden, Spanier und Franzosen (mit 79, 71 und 70 % Unzufriedenen); mehr als 40 % Zufriedene gab es in Zypern, Polen und Ungarn (Österreich:38 % Zufriedene).

Wenn nach der überwiegenden Meinung der Befragten die EU in Sachen Umweltschutz mehr tun sollte, welche Rolle kommt der EU dann zu?

Wer soll in Sachen Umweltschutz entscheiden?

Auf die Frage ob Entscheidungen in Sachen Umweltschutz auf nationaler Ebene oder gemeinsam innerhalb der EU getroffen werden sollten, gaben im EU-28 Mittel rund zwei Drittel der gemeinsamen Entscheidung den Vorzug. Abbildung 2.

Abbildung 2. Wie sollten Entscheidungen in Sachen Umweltschutz getroffen werden? (Bild modifiziert nach [2])

Breiteste Zustimmung zur gemeinsamen Entscheidung gab es in Holland, Deutschland, Spanien und Portugal; niedrigste Zustimmung bei den meisten ehemaligen Ostblockstaaten - Österreich zeigte sich nicht ganz so EU-skeptisch wie diese, immerhin zogen aber 41 % eine Entscheidung auf nationaler Ebene vor.

Welche Funktionen kommen dem Europäischen Umweltrecht zu?

In Sachen EU-Umweltrecht wurden 3 Fragen gestellt (Abbildung 3):

  • Soll die EU überprüfen können, ob EU-Umweltschutzgesetze in Ihrem Land ordnungsgemäß angewandt werden?
  • Soll die EU nicht-EU-Länder unterstützen, um deren Umwelt-Standards zu erhöhen?
  • Ist EU-Umweltrecht notwendig, um die Umwelt in Ihrem Land zu schützen?

Abbildung 3. Einstellung der EU-Bürger zur Rolle der EU in Sachen Umweltrecht. Die ausführliche Formulierung der Fragen findet sich im Text. Die Antworten "stimme voll zu" und "stimme eher zu" wurden zu "stimme zu" zusammengefasst, "stimme eher nicht zu" und "stimme überhaupt nicht zu" zu "stimme nicht zu". (Abbildung aus QD9 [1] zusammengestellt)

Im EU-28 Mittel stimmte die überwiegende Mehrheit (mindesten 80 %) der Befragten zu, dass europäisches Umweltrecht für den Umweltschutz in ihrem Land notwendig wäre und die EU auch überprüfen können sollte, ob die Umweltgesetze in dem jeweiligen Land korrekt umgesetzt würden. In Österreich war die Zustimmungsrate mit rund zwei Drittel unter allen Mitgliedsländern die niedrigste.

In Hinblick auf die Unterstützung von Nicht-Mitgliedstaaten zur Hebung von Umweltstandards tanzte Österreich aber nicht aus der Reihe: Ein praktisch gleich hoher Anteil der Befragten wie im EU-28 Mittel sprach sich dafür aus.

EU-Finanzmittel zur Förderung von Umweltschutz

Vergleichbar mit der Umfrage im Jahr 2014 meint auch jetzt die überwältigende Mehrheit der Befragten (im EU-Durchschnitt 85 %), dass die EU mehr Geld in die Hand nehmen sollte, um EU-weit Programme zu Umweltschutz, Erhaltung der Natur und Klimaschutz zu unterstützen. Im Schnitt sind es nur 7 %, die dies ablehnen (8 % äußern sich mit "weiß nicht"). Österreich liegt in der Zustimmung (86 %) im EU-Mittel, die Gruppe der Ablehnenden (11 %) ist allerdings nur in Rumänien (13%) noch höher.

Kennzeichnung umweltfreundlicher Produkte

Nationale Umweltzeichen und das EU-weite Umweltzeichen - sogenannte Ecolabels - wurden geschaffen, um leicht erkennbar und verlässlich anzuzeigen, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung umweltfreundlich und von guter Qualität ist. Das EU-Ecolabel ist heuer bereits 25 Jahre alt geworden. Wie bekannt ist es geworden?

Dazu wurden die EU-Bürger befragt. Aus einer Liste von 13 Ecolabels sollten sie angeben, welche davon sie bereits gesehen oder von welchen sie gehört hatten. Abbildung 4.

Abbildung 4. Wie bekannt sind Ecolabels? (Bild QD10 [1])

Das EU-Ecolabel hat zwar den höchsten Bekanntheitsgrad, wurde in den 25 Jahren seines Bestehens EU-weit aber nur von 27 % der Bevölkerung wahrgenommen hat: am Populärsten (mehr als 60 %) ist es in Luxemburg und Frankreich, in Rumänien, Bulgarien, Tschechien, UK und Italien kennen es dagegen nur zwischen 13 und 17 %. Breitere Popularität haben auch das deutsche Label "Blauer Engel" und das französische "NF Environment" erreicht. Die meisten nationalen Labels sind im Wesentlichen aber nur in ihrem Herkunftsland und in geringerem Maße in angrenzenden Staaten bekannt - das Österreichische Umweltzeichen beispielsweise kennen 68 % der Österreicher, 9 % der Slowaken, 8 % der Slowenen und je 6 % der Deutschen, Ungarn und Kroaten. Für im Schnitt rund ein Drittel der Befragten - in Österreich sind es 43 % - spielen Ecolabels bereits eine wichtige Rolle in ihren Kaufentscheidungen. In Ländern wie Tschechien, Polen und Ungarn haben sie weniger Bedeutung und die Mehrheit der Portugiesen, Spanier und Bulgaren nimmt davon überhaupt (noch) keine Notiz.

Um das Bewusstsein für Ecolabels innerhalb der EU zu erhöhen, hat die EU-Kommission anlässlich des 25-Jahr Jubiläums eine Reihe von Veranstaltungen geplant und tritt über die sozialen Medien auch verstärkt mit Produzenten und Konsumenten in Kontakt (http://ec.europa.eu/environment/ecolabel/25_anniversary.html) .

Fazit

In überwältigender Mehrheit sind die EU-Bürger besorgt über die zunehmenden Umweltprobleme und deren Auswirkungen auf ihr tägliches Leben und ihre Gesundheit; sie wünschen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und möchten selbst auch dazu beitragen. Seit langem geben sie ihrer Meinung Ausdruck, dass in Sachen Umweltschutz noch viel zu wenig getan wird, dass Industrien, lokale, regionale und nationale Institutionen und auch die EU selbst sich dafür viel mehr engagieren müssen. Der Großteil der EU-Bürger wünscht, dass Entscheidungen zum Umweltschutz gemeinsam innerhalb der EU getroffen werden, dass von der EU kontrolliert werden kann, wieweit Umweltgesetze in einzelnen Ländern korrekt angewandt werden und vor allem, dass EU-weite Programme zum Schutz der Umwelt, zur Erhaltung der Natur und zum Klimaschutzbei finanzielle Förderung von der EU erhalten.

In ihrem Umweltaktionsprogramm (7. UAP) für die Zeit bis 2020 hat sich die EU ambitionierte Ziele gesetzt [4], die durchaus im Sinne der von der Mehrheit der EU-Bürger geäusserten Wünsche sind. Ob sie die 4 prioritären Ziele: bessere Umsetzung der Rechtsvorschriften, bessere Information durch Erweiterung der Wissensgrundlage, umfangreichere und intelligentere Investitionen zum Schutz der Umwelt sowie die umfassende Einbeziehung von Umweltbelangen in andere Politikbereiche erreichen kann, ist meiner Ansicht nach sehr fraglich. In einigen Ländern - darunter auch in Österreich - gibt es einen beträchtlichen Anteil durchaus umweltbewußter Bürger, die eine Lösung von Umweltproblemen auf nationaler Ebene vorziehen und die Bereitschaft effizient innerhalb der EU zuz kooperieren müsste stärker werden.


[1] Special Eurobarometer 468 (2017): Attitudes of European citizens towards the environment.

[2] Inge Schuster, 16.11.2017.: Einstellung der EU-Bürger zur Umwelt (Teil 1) – Ergebnisse der ›Special Eurobarometer 468‹ Umfrage.

[3] Spezial-Eurobarometer 468 (2017): Einstellung der europäischen Bürger gegenüber der Umwelt.

[4] 7. UAP – Allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020: http://ec.europa.eu/environment/pubs/pdf/factsheets/7eap/de.pdf


Weiterführende Links

Artikel im ScienceBlog:

 

inge Thu, 23.11.2017 - 08:36