Einstellung der EU-Bürger zur Umwelt (Teil 1) – Ergebnisse der ›Special Eurobarometer 468‹ Umfrage
Einstellung der EU-Bürger zur Umwelt (Teil 1) – Ergebnisse der ›Special Eurobarometer 468‹ UmfrageDo, 16.11.2017 - 13:47 — Inge Schuster
Vor wenigen Tagen ist das Ergebnis einer neuen, von der Europäischen Kommission beauftragten Umfrage zur „Einstellung der EU-Bürger gegenüber der Umwelt“ erschienen (Special Eurobarometer 468 [1]). Daraus geht hervor, dass Umweltschutz in allen Schichten der Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert besitzt. Den Bürgern ist bewusst, dass Umweltprobleme direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben und die Gesundheit haben, sie bejahen eine Reihe von Maßnahmen zum Umweltschutz und tragen als persönlich auch dazu bei. In diesem Überblick werden den Ergebnissen über die EU-Bürger (im EU-28 Mittel) die über die Österreicher erhobenen Daten gegenüber gestellt.
Um die Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der EU-Bürger im Zusammenhang mit der Umwelt zu erheben, gibt die EU-Kommission regelmäßig, im Abstand von drei Jahren, repräsentative Umfragen in Auftrag. So wurden in der jüngsten Umfrage, im Zeitraum 23. September bis 2. Oktober 2017, insgesamt 27 881 Personen aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten - rund 1000 Personen je Mitgliedsland - befragt. Es waren dies persönliche (face to face) Interviews mit Personen ab 15 Jahren aus unterschiedlichen sozialen und demographischen Gruppen, in ihrem Heim und in ihrer Muttersprache. Die Themen waren folgende:
- Allgemeine Einstellung zur Umwelt und Informationsquellen,
- Auswirkungen von Umweltproblemen, Auswirkungen von Plastikprodukten und Chemikalien,
- Maßnahmen um Umweltprobleme in Angriff zu nehmen
- Rolle der EU im Umweltschutz,
- Bekanntheit von EU-Gütezeichen (Eco-Labels) und Einstellung dazu,
- Wahrnehmungen zur Luftqualität und Wege die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen
Die sehr umfangreichen Ergebnisse sind im Special Eurobarometer 468 auf 190 Seiten zusammengefasst [1].
Im Folgenden möchte ich einen Überblick über wesentliche Punkte dieser Umfrage geben. Um die übliche Blog-Länge nicht weit zu überschreiten, erscheint der Artikel in zwei Teilen. Im vorliegenden Teil 1 wird über die ersten drei oben angeführten Themen berichtet.
Eine überwältigende Mehrheit der EU-Bürger sagt Ja zum Umweltschutz
Im EU-28 Durchschnitt sagen 94 % der Befragten, dass ihnen Umweltschutz ein persönlich sehr wichtiges (56 %) oder ziemlich wichtiges (38 %) Anliegen ist.
Abbildung 1. Es ist dies eine Einstellung, die über die letzten 10 Jahre weitgehend unverändert geblieben ist und die man quer durch alle sozio-demographischen Bevölkerungsgruppen antrifft - von jung bis alt, vom Pensionisten bis zum Topmanager finden im EU-28 Durchschnitt 93 - 97 % der Befragten Umweltschutz wichtig.
Abbildung 1. Wie wichtig ist Umweltschutz für Sie persönlich? Daten von 27 881 Befragten (Bild adaptiert aus [1] QD1).
Österreich ist mit 85 % Befürwortern - wobei Umweltschutz nur für 41 % sehr wichtig ist - Schlusslicht unter den EU-Ländern, und der Anteil derer, die Umweltschutz für wenig oder überhaupt für völlig unwichtig erachten, liegt in Österreich bei rund 15 %. Dies ist kein einmaliger Befund: auch in den vergangenen 10 Jahren lag Österreich am Listenende. Bedenklich erscheint die drastische Zunahme der Desinteressierten seit der letzten Umfrage 2014.
Abbildung 2. Abbildung 2. Anteil der Befragten im EU-28 Mittel und in Österreich , für die Umweltschutz wenig oder überhaupt nicht wichtig ist. (Daten zusammengestellt aus [1 - 4]
Woher werden Informationen zur Umwelt bezogen?
Befragt nach den drei hauptsächlichen Informationsquellen (aus einer Liste von 11 Quellen) zu Umweltthemen, nannten die EU-Bürger nach wie vor zum überwiegenden Teil die Fernsehnachrichten; allerdings hat deren Bedeutung in den letzten Jahren stark abgenommen: im EU-28 Mittel von 73 % im Jahr 2011 auf derzeit 58 %. An zweiter Stelle stehen bereits Internet und soziale Netzwerke, die im EU-28 Mittel von 11 % im Jahr 2004 auf aktuell 42 % angestiegen sind. Informationen aus Fernsehdokumentationen (27 %) und aus Tageszeitungen (26 %) rangieren dahinter (Tageszeitungen als Quelle waren 2004 noch von 51 % der EU-Bürger genannt worden).
In Österreich geben nur mehr 49 % der Befragten die TV-Nachrichten als primäre Informationsquelle an (2014 waren es noch 55 %), an zweiter Stelle stehen hier die Tageszeitungen (38 %), die aber ebenso an Bedeutung eingebüßt haben (2014 waren es noch 49 %). Dies ist auch der Fall bei Fernsehdokumentationen (2014: 38 %) und bei Internet & Sozialen Netzwerken (2014: 41 %), die nun mit 34 % an dritter Stelle stehen. Die Informationsquelle "Familie, Freunde und Bekannte" hat in Österreich an Bedeutung gewonnen (2017: 21 %; 2014: 15 %), während sie im EU-Mittel gleich geblieben ist (2017: 14 %; 2014: 13 %); Information aus Zeitschriften (17 %) und Büchern (16 %) wird doppelt so häufig genutzt wie im EU-Mittel.
In der Wahl der Informationsquellen gibt es deutliche sozio-ökonomische Unterschiede: TV wird in wesentlich höherem Ausmaß von Personen mit niedrigem Bildungstand (71 %) als von solchen mit hohem Bildungstand (51 %) genannt, von der 55+ Generation häufiger (69 %) als von den 15 - 24 Jährigen (40 %), die wiederum Internet und soziale Netzwerke präferieren (70 % gegenüber 19 % der 55+ Personen).
Was sind die wichtigsten Umweltthemen?
Bei der Auswahl der 4 wichtigsten von insgesamt 13 Umweltthemen steht EU-weit der Klimawandel (51 %) an der Spitze, gefolgt von der Luftverschmutzung (46 %) und dem steigenden Abfallaufkommen (40 %). Die Verschmutzung der Gewässer wird von 36 % der Befragten genannt, die Verschmutzung der Landwirtschaft durch Pestizide, Düngemittel, etc. und die Bodenverschlechterung von 34 %.
Auch in Österreich ist sich mehr als die Hälfte (53 %) der Bürger des Problems Klimawandel bewusst. Von größerer Wichtigkeit erscheinen danach aber "Rückgang/Verlust von Arten, Habitaten und Ökosystemen" (42 %; EU-28: 33 %) und die Verschmutzung der Landwirtschaft durch Pestizide, Düngemittel, etc. und Bodenverschlechterung (41 %; EU-28: 34 %). Das steigende Abfallaufkommen (39 %) und die Verschmutzung der Gewässer (35 %) werden etwa gleich häufig genannt wie im EU-Mittel, die Verschmutzung von Luft (36 %) aber weniger häufig.
Auswirkungen von Umweltproblemen
Im Mittel geben 81 % der EU-Bürger an, dass sie mit Auswirkungen von Umweltproblemen auf das tägliche Leben und die Gesundheit rechnen – ähnliche Ergebnisse wurden auch in früheren Umfragen erhalten. Besonders ausgeprägt ist diese Ansicht in den Mittelmeerstaaten, weniger ausgeprägt in Skandinavien und Holland, wo bis zu ein Drittel der Befragten kaum oder gar keine Auswirkungen annehmen - in Österreich meinen Letzteres 22 %. Abbildung 3.
Abbildung 3. Der Großteil der EU-Bürger rechnet mit Umwelt-bedingten Auswirkungen auf das tägliche Leben und die Gesundheit (Bild adaptiert aus [1] QD5.3).
Ein besonderer Schwerpunkt der Erhebung wurde auf den Abfall von Gebrauchsgegenständen aus Kunststoff und auf Chemikalien in alltäglich angewandten Artikeln gesetzt.
Bezüglich der Auswirkungen von Kunststoffprodukten
waren im EU-28 Durchschnitt 74 % der Befragten sehr oder ziemlich besorgt über mögliche gesundheitliche Konsequenzen (in Österreich waren dies 76 %). Noch besorgter zeigten sich die Europäer, nämlich 87 % im EU-28 Mittel (und gleich viele in Österreich), über mögliche Konsequenzen von Kunststoffprodukten für die Umwelt.
Auswirkungen von Chemikalien
Mehr als von Plastikprodukten fühlen sich die EU-Bürger von Chemikalien in in alltäglich angewandten Produkten bedroht. Vor negativen gesundheitlichen Auswirkungen derartiger Stoffe fürchten sich im EU-28 Mittel 84 %, in Österreich 81 % der Befragten. Besonders ängstlich sind Bürger in einer Reihe von Mittelmeerländern (vor allem in Griechenland und Malta, wo 96 % besorgt sind), weniger ängstlich sind die Skandinavier und insbesondere die Holländer, von denen rund ein Drittel angibt unbesorgt zu sein.
Wie auch beim Plastikmüll sorgen sich noch mehr EU-Bürger - im EU-Mittel 90 %, in Österreich mit 87 % etwas weniger - um Auswirkungen von Chemikalien auf die Umwelt als um Auswirkungen auf die Gesundheit.
Was kann zum Umweltschutz getan werden?
Hier wurde eine Liste von 8 Maßnahmen vorgegeben. Aus diesen sollten bis zu 3 Maßnahmen ausgewählt werden, mit denen am wirksamsten Umweltprobleme in den Griff zu bekommen wären: das Ergebnis ist in Abbildung 4 aufgezeigt.
Dass Forschung und Entwicklung von technologischen Lösungen notwendig ist, sehen die EU-Bürger als wichtige Maßnahme. Wenig überraschend steht der Ruf nach mehr Geld für entsprechende Investitionen an der Spitze der Prioritäten von 9 Ländern (darunter auch von Österreich) und führt auch die EU-28 Liste an. Dahinter kommen dann Strafen für Umweltsünder, strengere Gesetze und bessere Einhaltung bestehender Gesetze. In Österreich kommt gleich nach den Investitionen für F&E ein weiterer Ruf nach Geld: der Wunsch nach finanziellen Anreizen für Unternehmer und Personen, die Maßnahmen für den Umweltschutz ergreifen.
Der Einführung von Steuern auf umweltschädigende Aktivitäten messen die meisten Staaten geringere Bedeutung bei.
Abbildung 4. Welche 3 Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach die wirksamsten, um Umweltprobleme in den Griff zu bekommen? (maximal 3 Nennungen; Bild adaptiert aus QD 8[1])
Kann der Einzelne zum Umweltschutz beitragen?
Nahezu unverändert über die letzte Dekade stimmt der weitaus überwiegende Teil der EU-Bürger (87 %) dieser Frage voll (45 %) oder eher (42 %) zu. Nur 8 % im Mittel stimmen eher nicht zu und 2 % verneinen völlig. Die Zustimmung hängt dabei offensichtlich vom Bildungsgrad (Pflichtschulabschluß: 82 %, tertiäre Bildung: 91 %) und vom sozialen Status ab (Arbeitslose: 82 %, Arme 81 %, Führungskräfte: 92 -93 %).
In Österreich stimmen insgesamt 16 % eher nicht oder überhaupt nicht zu (ob dies die am Umweltschutz Desinteressierten 15 % in Abbildung 2 sind?).
Welche Beiträge dabei die Befragten im letzten Halbjahr leisteten, wurde an Hand einer Liste von 9 Handlungsarten abgefragt (Abbildung 5). Diese Tätigkeiten sind offensichtlich in der breiten Öffentlichkeit angekommen - jede davon wird in nahezu jedem Staat von einem beträchtlichen Anteil der Bürger ausgeübt. Insbesondere Schweden ist mit 55 - 87 % Beteiligung an 5 der 9 Aktivitäten ein positives Musterbeispiel.
Nur 8 % der EU-Bürger sagen, dass sie keine der gelisteten Aktivitäten ausgeführt hätten.
Abbildung 5. Welche der gelisteten Aktivitäten haben Sie im letzten Halbjahr ausgeübt? (Mehrfachnennungen möglich; Bild zusammengestellt aus QD 4 [1])
An der Spitze der angegebenen Aktivitäten steht im EU-28 Mittel mit 65 % die Mülltrennung, die ein Recyceln ermöglicht - in 23 Ländern der EU ist dies überhaupt die am häufigsten genannte Aktivität. In 5 Ländern hat der Kauf lokaler Produkte Vorrang - dazu gehört Österreich mit 64 % der Befragten. Auch in einigen anderen Punkten - Vermeidung von Plastik-Wegwerfprodukten und von Überverpackung ist Österreich aktiver als der EU-28 Durchschnitt.
Allerdings: die Vermeidung unnötiger Autofahrten wird in den meisten Ländern am wenigsten goutiert.
Fazit
Die Problematik von Klimawandel, Luft- und Wasserverschmutzung, steigendem Abfall, Bodenverschlechterung, Rückgang von Habitaten und Arten, etc. ist den EU-Bürgern bewusst und sie befürchten Konsequenzen für ihr tägliches Leben und ihre Gesundheit. Der Wunsch die Umwelt zu schützen findet daher breite Unterstützung, die EU-Bürger bejahen Maßnahmen und sind bereit dazu auch persönlich beizutragen.
Ein wichtiger Punkt ist allerdings die Frage wie mehr und vor allem relevante Information der Bevölkerung vermittelt werden kann, wie ein Bewusstwerden der komplexen Wechselbeziehungen im Ökosystem Umwelt und damit auch der Konsequenzen von Menschen-gemachten Eingriffen und Reparatur-Bemühungen erreicht werden kann. Die schwindende Bedeutung eines nur mehr auf Quote bedachten TV und von Printmedien, die zum Großteil auf Schlagzeilen abzielen, hat ein Informationsloch entstehen lassen, welches Internet und soziale Medien jedenfalls derzeit noch nicht seriös füllen können.
[1] Special Eurobarometer 468 (2017): Attitudes of European citizens towards the environment. http://bit.ly/2zHlpHR
Weiterführende Links
Artikel im ScienceBlog:
Schwerpunkt zum Thema Klimawandel und Einfluss auf Ökosysteme (dzt. 28 Artikel)
Schwerpunkt zum Thema Biokomplexität mit Fokus auf Ökosysteme