Quid pro quo? Zur Einsparung des Wissenschaftsministeriums

Quid pro quo? Zur Einsparung des Wissenschaftsministeriums

Fr, 20.12.2013 - 05:40 — Redaktion

Icon Politik & GesellschaftIn ihrem ScienceBlog-Artikel „Wissenschaftskommunikation in Österreich und die Rolle der Medien“ haben Josef Seethaler und Helmut Denk vor wenigen Wochen den alarmierend niedrigen Stellenwert beklagt, den Wissenschaft und Forschung in unserem Land haben: die Mehrheit der Österreicher (fast doppelt so viele wie im EU-Durchschnitt) betrachtet diesbezügliche Informationen als irrelevant für ihr tägliches Leben, weniger als die Hälfte stimmt einer Unterstützung der Grundlagenforschung durch die öffentliche Hand zu.

Hier wie dort bildet Österreich das Schlusslicht unter den Staaten der Europäischen Union. Wenn es noch eines weiteren Beweises für diese von Ignoranz und Desinteresse getragene Auffassung von Wissenschaft bedurft hätte, so bietet diesen die Ressortaufteilung des neuen Regierungsprogramms: die Einsparung eines eigenständigen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung und die Zuordnung seiner Agenda zum Wirtschaftsministerium.

Was aber wird hier eingespart,

wenn der nun auch für Wissenschaft zuständige Minister Mitterlehner im Ö1-Morgenjournal vom 17.12. 2013 darlegt „da bleibt das Ministerium komplett gleich, was also die Abteilungen anbelangt, was die Sektionen betrifft, was aber auch die Spitzenbeamten anbelangt; es bleibt jeder in seinem Bereich jeder an seinem Arbeitsplatz“? Es kann doch wohl nicht nur um die Einsparung des Salärs des Wissenschaftsministers gehen!

Was bietet ein gemeinsames Dach mit dem Wirtschaftsministerium?

Dazu Mitterlehner: „es wird hier nur organisatorisch eine gemeinsame neue Führung gestaltet und ein neuer Anspruch auch erhoben, der sich auf die Forschung bezieht. Die EU hat all ihre Programme auf die Innovationskette ausgerichtet, von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis zu den Unternehmen hin. Und genau diese Synergiepotentiale, die bessere Effizienz, die verstärkte Effizienz wollen wir auch im Bereich Forschung leben.“

Dies ist die durchaus verständliche Sprache eines Wirtschaftsministers, der ja die Interessen von Industrie-, Gewerbe- und Tourismusbetrieben vertritt. Dies klingt ganz nach zielorientierter, angewandter Forschung, nach Lösungsansätzen für vorgegebene Probleme, deren Erfolge „unmittelbar“ meßbar/brauchbar sind. Die erkenntnisorientierte Grundlagenforschung läßt sich nicht in diesen Rahmen pressen, ist ja eine Reise ins Neuland. Gerade ihre Ergebnisse sind aber die Basis für Innovationen, für entscheidende Durchbrüche nicht nur in Hinblick auf eine prosperierende Wirtschaft eines Landes, sondern auch für das Wohlergehen unserer Gesellschaft und der unserer Nachkommen.

Das Regierungsprogramm gibt vor, daß in den nächsten fünf Jahren Bundesmit­tel zur Anhebung der Forschungsquote verfügbar gemacht werden sollen – allerdings mit dem Zusatz „unter Maßgabe budgetärer Möglichkeiten“. Angesichts limitierter Ressourcen und eines starken Druckes zur Unterstützung der durch das Wirtschaftsministerium vertretenen forschenden Unternehmen (Motto: Sicherung von Arbeitsplätzen, Wirtschafts“entfesselung“), werden ökonomische Überlegungen einer schnell verwertbaren angewandten Forschung und Technologieentwicklung wohl den Vorzug geben vor einer (in den Augen vieler Beurteiler vielleicht nutzlosen) Grundlagenforschung.

Für ein unabhängiges Wissenschaftsministerium!

Wissenschaft und Forschung werden im Regierungsprogramm als elementare Stützen der gesamtstaatlichen Entwicklung Österreichs und seiner Potentiale gesehen und sollen langfristig abgesichert werden. Wenn dazu Rahmenbedingungen und strukturelle Voraussetzungen bestmöglich, wettbewerbsfähig und zukunftsorientiert gestaltet werden müssen, so ist dies wohl am zielstrebigsten in einem eigenen Ministerium, unter Führung eines mit dem akademischen Forschungsbetrieb bestvertrauten Leiters, zu bewerkstelligen. Die Nachordnung unter (vorwiegend) ökonomische Interessen schadet der Wissenschaft und den Wissenschaftern, ist eine Geringschätzung der wichtigsten Ressource, die unser rohstoffarmes Land aufzuweisen hat.


Weiterführende Links

Im ScienceBlog

Josef Seethaler & Helmut Denk; 31.10.2013: Wissenschaftskommunikation in Österreich und die Rolle der Medien. — Teil 2: Was sollte verändert werden?

Josef Seethaler & Helmut Denk; 17.10.2013: Wissenschaftskommunikation in Österreich und die Rolle der Medien — Teil 1: Eine Bestandsaufnahme

Franz Kerschbaum; 13.10.2011: Die Wissenschaftler sind ja selbst schuld

Peter Schuster; 08.09.2011: Grundlagenforschung in Österreich: Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Peter Schuster; 11.08.2011: Grundlagenforschung in Österreich: Rekrutierung von Spitzenkräften

Peter Schuster; 21.07.2011: Grundlagenforschung in Österreich: Erkennen von Exzellenz

Peter Schuster; 03.07.2011: Grundlagenforschung in Österreich: Exzellenzstrategie – Mehr als ein Lippenbekenntnis?

Initiativen

Österreich braucht ein WIssenschaftsministerium

Für die Einführung des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung

Ein eigenständiges Wissenschaftsministerium für Österreich


 

inge Fri, 20.12.2013 - 05:40