Gefahr aus dem Dschungel – Unser Kampf gegen das Ebola-Virus
Gefahr aus dem Dschungel – Unser Kampf gegen das Ebola-VirusFr, 05.12.2014 - 08:52 — Gottfried Schatz
Wir könnten das gefürchtete Virus durch bewährte Strategien und wirksame Impfstoffe in Schach halten, doch Kriege und mangelnde Weitsicht haben dies bisher verhindert. Impfgegner gefährden mit ihrer Irrationalität sich selbst und ihre Mitbürger, ohne sich schuldig zu fühlen.
An einem Septembertag des Jahres 1976 überbrachte ein Pilot der Sabena Airlines dem jungen Antwerpener Wissenschaftler Peter Piot eine blaue Thermosflasche. Laut dem Begleitbrief enthielt sie eisgekühlte Blutproben einer belgischen Nonne die im abgelegenen Dorf Yambuku im damaligen Zaïre mit hohem Fieber erkrankt war. Könnte Dr. Piots Institut das Blut auf Gelbfieber-Virus testen? Das Blut enthielt zwar weder dieses Virus noch andere bekannte pathogene Viren, tötete jedoch alle Labortiere, denen man es einspritzte. Offenbarg barg es einen besonders tödlichen, noch unbekannten Krankheitserreger.
Ein neues Virus
Er entpuppte sich als ein ungewöhnlich langes, wurmähnliches Virus (Abbildung 1), das etwa tausendmal dünner als ein menschliches Haar war und fatal dem gefürchteten Marburg-Virus glich, das 1967 in Marburg mehrere Laborarbeiter getötet hatte.
Abbildung 1. Ebola Viren. Elektronenmikroskopische Aufnahme (Quelle: Wikipedia; CDC - http://phil.cdc.gov/phil)
Ebola – vorerst wenig interessant -…
Wenige Tage darauf entsandte die belgische Regierung Peter Piot nach Yambuku, wo er und andere Wissenschaftler das neue Virus nach dem Ebola Fluss in der Nähe des Dorfes „Ebola Virus“ tauften. Zu diesem Zeitpunkt war die Seuche bereits im Abklingen, so dass das öffentliche Interesse an ihr bald verebbte. Das Virus meldete sich mehrmals kurz zurück - wie 1977 in der Demokratischen Republik Kongo und 1979 im Sudan – liess dann aber 15 Jahre lang nichts mehr von sich hören.
…wird zum Flächenbrand…
Als es 1994 wieder auftauchte, forderte es zum ersten Mal auch in Westafrika menschliche Opfer. Dort brach dann Ende 2013 in Guinea, Nigeria, Sierra Leone und Liberia die bisher verheerendste Ebola Epidemie aus, die bis jetzt mindestens 10‘000 Erkrankte und 5‘000 Tote gefordert hat. Obwohl Nigeria die Epidemie angeblich eindämmen konnte, wütet sie in den benachbarten Ländern immer noch außer Kontrolle, so dass die die Todesfälle noch dramatisch zunehmen dürften (Abbildung 2). Abbildung 2. Ebolavirus-Epidemie in Westafrika 2014 betroffene Länder und Zahl der infizierten Personen bzw. Zahl der Todesfälle (inkl. Verdachtsfälle) Quelle: Wikipedia (links:Mikael Häggström, updated by Brian Groen; rechts: Leopoldo Marti R.)
Dieser Flächenbrand wurde dadurch geschürt, dass einige der betroffenen Länder grausame Bürgerkriege hinter sich hatten, welche die öffentliche Infrastruktur zerstört und viele Ärzte vertrieben hatten. Schlecht ausgerüstete Spitäler, die wichtige Hygieneregeln missachteten, hatten die Verbreitung von Ebola und anderen Seuchen in Afrika und anderen Schwellenländern schon seit jeher begünstigt; diesmal war ihre todbringende Rolle besonders schwerwiegend, weil die Seuche im dicht besiedelten Grenzgebiet zwischen den betroffenen Ländern ausbrach.
Strenge Sicherheitsvorkehrungen wie die sofortige Isolierung der Erkrankten und ihrer Familienmitglieder sowie schnelle Identifizierung aller möglichen Kontaktpersonen sind immer noch unser wirksamster Schutz gegen diese Krankheit, die durch direkten Körperkontakt oder Körperflüssigkeiten übertragen wird. Deswegen könnten wir sie in Europa oder Nordamerika wahrscheinlich schnell unter Kontrolle bringen.
…mit hoher Letalität
Wir kennen vom Ebola Virus fünf Varianten, von denen vier für Menschen tödlich sein können. Die derzeit grassierende „Zaïre“ Variante ist die gefährlichste: sie tötet zwischen 50 und 90 % aller infizierten Menschen. In den ersten 8-10 Tagen bewirkt sie lediglich grippeähnliche Symptome wie Fieber, Schüttelfrost und Muskelschmerzen, doch dann folgen Übelkeit, Durchfall, innere Blutungen und schliesslich ein allgemeines Organversagen, wobei unsere Ärzte sich auf Symptombekämpfung wie Fiebersenkung und Flüssigkeits- und Salzzufuhr beschränken müssen.
Wir haben heute noch keine wirksamen Waffen, um uns gegen dieses tödliche Virus zu wehren.
Viren sind keine Lebewesen, sondern wandernde Gene, die sich zu ihrem Schutz mit einer Membran oder einer Eiweiß-Schicht umhüllen. Um sich zu vermehren, dringen sie in lebende Zellen ein und missbrauchen deren Infrastruktur für die eigene Fortpflanzung. Im Gegensatz zu Bakterien besitzen Viren weder eigene Stoffwechselprozesse noch komplexe Zellwände, an denen wir sie mit unseren Antibiotika treffen könnten.
Die wenigen Medikamente gegen Viren im Köcher unserer Ärzte blockieren die Vermehrung der Virus-Erbsubstanz oder den Stoffwechsel infizierter Zellen, sind jedoch gegen das Ebola-Virus unwirksam. Zudem gelingt es Ebola, unser Immunsystem zu überlisten, so dass es infizierte Zellen nicht mehr verlässlich erkennt und abtötet, bevor das Virus sich im Körper ausbreiten kann. Wer jedoch eine Ebola-Infektion überlebt, entwickelt Antikörper, die nicht nur vor einer Neuinfektion schützen, sondern bei Verabreichung an Ebola-Kranke auch diesen das Leben retten können.
Antikörper gegen Ebola-Proteine - ZMapp
Blutserum oder gereinigte Antikörper von Ebola-Überlebenden sind also wirksame Ebola-Medikamente, die allerdings nur in relativ geringen Mengen verfügbar und deshalb nicht großflächig einsetzbar sind.
Die Übertragung von Blutserum oder Blutproteinen zwischen Menschen birgt zudem stets Risiken. Das Medikament Zmapp, das sich noch in Entwicklung befindet, würde diese Probleme vermeiden. Forscher aus Kanada und den USA entwickelten es in einem langwierigen Verfahren, in dem sie zunächst einige Proteine aus dem Ebola-Virus reinigten, sie Mäusen eingespritzten und dann die gegen diese Proteine gebildeten Maus-Antikörper reinigten. In einem zweiten Schritt isolierten sie aus den immunisierten Mäusen die Gene für diese Antikörper und veränderten sie so, dass sie menschlichen Antikörper-Genen möglichst ähnlich waren. Schließlich schleusten sie diese „vermenschlichten“ Antikörper-Gene in Tabakpflanzen ein, welche die Antikörper innerhalb weniger Wochen in großer Menge produzierten.
Zmapp ist eine Mischung dreier Antikörper, die sich spezifisch an das Ebola-Virus binden und es unschädlich machen. Ob es Ebola-Kranke verlässlich heilen kann ist jedoch noch ungewiss. Für Makaken-Affen ist dies jedoch bereits bewiesen, so dass die amerikanischen Gesundheitsbehörden vor kurzem den Einsatz von Zmapp an menschlichen Patienten auf vorläufiger Basis gestatteten.
Selbst wenn Zmapp alle Hoffnungen erfüllen sollte, wäre es jedoch zu teuer und im menschlichen Körper zu instabil, um ganze Bevölkerungen langfristig vor dem Virus zu schützen.
Impfungen gegen Ebola
Dafür braucht es aktive Immunisierungen - die viel debattierten „Impfungen“. Bei diesen werden gesunden Menschen inaktivierte Viren oder gereinigte Virusproteine verabreicht, die dann innerhalb von Wochen oder Monaten die Bildung spezifischer Antikörper gegen das jeweilige Virus auslösen und so über Jahre oder sogar Jahrzehnte vor einer Infektion schützen.
Solche vorausschauenden Immunisierungen haben Grippe, Polio und Masern in reichen Ländern wirksam eingedämmt und die gefürchteten Pocken weltweit ausgerottet. Bei einem unerwarteten Seuchenausbruch oder der plötzlichen Mutation eines gefährlichen Virus entfalten Impfungen ihre Wirkung allerdings zu langsam. Die flächendeckende Schutzwirkung von Impfungen wird auch dadurch beeinträchtigt, dass viele Menschen Schutzimpfungen aus irrationalen Gründen ablehnen oder gar bekämpfen.
Derzeit befinden sich mehrere Impfstoffe gegen Ebola im Entwicklungsstadium, wobei eine ursprünglich in Basel ansässige Biotech-Firma an vorderster Front beteiligt ist. Der von ihr entwickelte Impfstoff besteht aus einem für Menschen harmlosen Schimpansen-Virus, dem die Gene zweier Ebola-Proteine eingepflanzt wurden. Dringt dieses modifizierte Trägervirus in menschliche Zellen ein, bewirkt es in diesen die Bildung der beiden Virusproteine, die dann im Körper die Bildung von spezifischen Antikörpern gegen das Ebola-Virus auslösen. Das Rennen um wirksame und billige Impfstoffe gegen Ebola ist in vollem Gange, so dass wir wohl schon innerhalb der nächsten Jahre imstande sein werden, die Bevölkerungen in den gefährdeten Regionen Afrikas vor weiteren großflächigen Ebola-Katastrophen zu schützen.
Die Mikroben haben das letzte Wort
Die erfolgreiche Ausrottung des Pocken-Virus darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir den Krieg gegen krankheitserregende Viren und Bakterien nie endgültig gewinnen werden. Schon Louis Pasteur sagte „Die Mikroben werden das letzte Wort haben.“ Bakterien und vor allem Viren verändern ihr Erbgut und damit auch ihre Eigenschaften viel schneller als wir neue Medikamente entwickeln können. Dies gilt umso mehr, als unsere Gesellschaft der Bekämpfung von Seuchen, so wie allen anderen langfristigen Zielen, viel zu wenig Beachtung schenkt. Das „Institut für Allergie und Infektionskrankheiten“ im US Bundesstaat Washington, DC, ist weltweit die größte Organisation zur Seuchenbekämpfung, doch ihr Jahresbudget von etwa fünf Milliarden Dollar ist nur etwa halb so groß wie der Betrag, den die Menschheit jedes Jahr für Kaugummi ausgibt.
Und Impfgegner gefährden mit ihrer Irrationalität sich selbst und ihre Mitbürger. ohne sich schuldig zu fühlen. „Dummheit ist nicht verantwortlich, denn ihre Krankheit ist, dass Verantwortung an ihr nicht haftet.“ Die deutsche Schriftstellerin Bettina von Arnim hat es bereits 1852 gewusst.
Weiterführende Links
Strategien gegen Ebola 16.11.2014
Im Gespräch mit der DW: Walter Lindner, Ebola-Beauftragter der Bundesregierung Deutschland
http://www.dw.de/strategien-gegen-ebola/av-18047359 12:07min
Der Ebola Virus
Natgeodocu, 07.10.2014
https://www.youtube.com/watch?v=OnYWDe7Hvq4 1:11:29