Klimaschwankungen, Klimawandel – wie geht es weiter?

Klimaschwankungen, Klimawandel – wie geht es weiter?

Fr, 06.11.2015 - 12:20 — Peter Lemke

Peter LemkeIcon KlimaSeit dem Beginn der Industrialisierung ist der CO2-Gehalt der Atmosphäre sprunghaft angestiegen und verstärkt damit den natürlichen Treibhauseffekt: es wird wärmer, die (polaren) Eisschilde schmelzen und der Meeresspiegel steigt. Peter Lemke, ehem. Leiter des Fachbereichs Klimawissenschaften am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und dzt. Leiter der Klimainitiative REKLIM der Helmholtz-Gemeinschaft, beschreibt an Hand von Klimaprojektionen das in den nächsten Jahrzehnten zu erwartende Szenario und mögliche Lösungswege.*

Reflektivität (Albedo) und Treibhauseffekt sind mitbestimmend für die Oberflächentemperatur eines Planeten (siehe: „Wie Natur und Mensch das Klima beeinflussen und wie sich das auf die Energiebilanz der Erde auswirkt“ *). Unter Albedo versteht man die Helligkeit, mit der der Planet nach außen hin erscheint, d.h. mit der er die Sonnenstrahlung reflektiert. Der Treibhauseffekt beruht darauf, dass die Wärmeabstrahlung der Planetenoberfläche mit den Gasteilchen der Atmosphäre wechselwirkt und diese dabei erwärmt. Dem natürlichen Treibhauseffekt verdanken wir, dass die Oberflächentemperatur unserer Erde von -18 °C (die tatsächlich am äußeren Rand der Atmosphäre gemessen wird) auf lebensfreundliche +15 °C gestiegen ist.

Unser Einfluss auf den Treibhauseffekt

Der Treibhauseffekt wird im Wesentlichen durch Wasserdampf und CO2 verursacht. Auch andere Gasemissionen, beispielsweise von Methan (CH4) und Lachgas (N2O) aus der Landwirtschaft, tragen bei, bewirken in Summe genommen aber einen geringeren Effekt, als das in hohen Konzentrationen vorliegende CO2.

Auf den Wasserdampf haben wir keinen Einfluss, Wasserdampf ist physikalisch geregelt: wenn zu viel davon in der Luft ist, dann regnet es.

Beim CO2 ist das nicht so. Es bleibt mehrere Jahrhunderte in der Atmosphäre.

Wie Oberflächentemperaturen und atmosphärische CO2-Konzentrationen schwanken

Aus den Luftblasen, die in den Eisbohrkernen der polaren Eisschilde eingeschlossen sind, können die atmosphärischen Gaskonzentrationen quantitativ bestimmt werden (Abbildung 1). Mittels chemischer Analyse lassen sich die CO2-Konzentrationen (und auch die Konzentrationen anderer Gase wie Methan oder Stickoxyde) bis 860 000 Jahre zurückverfolgen. Informationen zu den entsprechenden Temperaturen kann man u.a. aus den Verhältnissen der Isotope des Wasserstoffs (2H : 1H)und Sauerstoffs (18O : 16O) ableiten.

Aus diesen Untersuchungen an den Bohrkernen ist eine periodische Abfolge von Eiszeiten auf Warmzeiten erkennbar – Eiszeit folgte auf Warmzeit, auf Eiszeit, auf Warmzeit, usw. Die letzte Eiszeit liegt 20 000 Jahre zurück, die letzte Warmzeit 120 000 Jahre. Die Periodizität dieser Abläufe spiegelt die Änderungen der Sonneneinstrahlung auf Grund periodisch geänderter Erdbahnparameter – der Neigung der Erdachse (41 000 Jahre), Präzession (19 000 und 23 000 Jahre) und Exzentrik der Erdbahn (100 000 Jahre) – wider. Dieselbe Periodizität ist für die CO2–Konzentrationen der Luft ersichtlich: diese lagen in den Eiszeiten durchweg bei 180 ppm (ppm: parts per million = millionstel Volumenanteile), in den Warmzeiten typischerweise bei 280 ppm (Abbildung 1).

Abbildung 1. Bestimmung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen aus Eisbohrkernen. CO2Bestimmungen über eine Zeitskala von 800 000 Jahren (links) lassen eine Abfolge von Eiszeiten und Warmzeiten erkennen, die durch unterschiedlich hohe CO2-Konzentrationen charakterisiert sind. Der enorme CO2-Anstieg in den letzten 200 Jahren ist rot eigezeichnet. Rechts: Luftblasen in einem Bohrkern aus einem polaren Eisschild.

Erst in den letzten 200 Jahren – seit dem Beginn der Industrialisierung - ist der CO2-Gehalt sprunghaft auf nahezu 400 ppm angestiegen – d.h. um mehr als die bis dahin beobachtete, natürliche Schwankungsbreite zwischen Warmzeiten und Eiszeiten betragen hat. Während die Natur aber typischerweise 20 000 Jahre gebraucht hat, um vom CO2-Minimum in den Eiszeiten zum Maximum in den Warmzeiten zu gelangen, haben wir den rasanten Anstieg in nur 200 Jahren bewirkt.

Abbildung 2. CO2-Gehalt der Atmosphäre am Mauna Loa (Hawaii) von 1958 - 2013. Die Reduktion von CO2 infolge des Aufbaus von Biomasse in den Frühjahr/Sommer-Phasen macht den jährlichen Anstieg nicht wett. Seit dem Beginn der Messungen im Jahr 1958 ist das CO2 der Luft von 315 ppm auf 398,8 ppm angestiegen (September 2015; http://co2now.org/) und die Emissionsrate steigt weiter an (rote Pfeile).

Das Problem dabei ist, dass das System Erde das CO2 nicht schnell genug aufnehmen/umsetzen kann – es hinkt hinterher und als Folge steigt der CO2-Gehalt der Atmosphäre kontinuierlich an. Dies zeigt sich beispielsweise in den direkten CO2- Messungen am Mauna Loa (Hawaii), die seit 1958 durchgeführt werden. Wenn im Frühjahr auf der Nord-Halbkugel Biomasse mittels Photosynthese aufgebaut wird, sinkt der CO2-Gehalt der Atmosphäre, um im Herbst/Winter wieder anzusteigen. Das Absinken im nächsten Frühjahr geht aber nicht bis zum Ausgangswert des Vorjahrs zurück. So kommt es zu einer fortlaufenden Steigerung der CO2-Emissionsrate (Abbildung 2). Grund dafür sind die Emissionen der Menschen durch Nutzung fossiler Brennstoffe.

Es ist wärmer geworden,…

Abbildung 3. Die globalen Temperaturen an der Erdoberfläche steigen deutlich an. Oben: Globale Lufttemperaturen im Vergleich zu dem über 3 Dekaden – 1951 -1980 – gemittelten Wert. Der Trend ist von natürlichen Schwankungen überlagert, u.a. durch das El Niño Phänomen oder Oszillationen im Nordatlantik. Unten: globaler Trend seit 1963. (GISS 1963 – 2012).

Verfolgt man den Verlauf der jährlichen Mitteltemperaturen seit rund 150 Jahren (d.h. seit dem Beginn weltweit geregelter Temperaturmessungen), so wird ersichtlich, dass seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine globale Erwärmung stattfindet, insbesondere in den letzten 3 Dekaden (Abbildung 3).

Jede dieser Dekaden war wärmer als die vorhergegangene. Der Zeitraum 2001 – 2010 war überhaupt die wärmste Dekade seit Beginn der Aufzeichnungen.

Flacht dieser Temperaturanstieg in den letzten Jahren jetzt ab? Die Antwort ist: die Energie, die durch den zusätzlichen Treibhauseffekt entstanden ist, ist nicht nur in der Atmosphäre stecken geblieben: 93 % davon wurden benutzt, um die Ozeane zu erwärmen, 3 % um Eisschilde zu schmelzen, 3 % um die Kontinente zu erwärmen und nur 1 % um die Atmosphäre zu erwärmen (Abbildung 4).

Abbildung 4. Die globale Erwärmung ist eindeutig. Die durch den Treibhauseffekt erhaltene Energie hat insbesondere die Erwärmung der Ozeane bedingt, in geringerem Ausmaß das Abschmelzen der polaren Eismassen und den Anstieg der Lufttemperatur. Links: beobachtete Änderung der globalen Oberflächentemperatur zwischen 1850 und 2012; oben: Jahresmittel, unten: dekadische Mittelwerte. Rechts oben: Meereisbedeckung der Arktis im Sommer (in Millionen km2) Rechts unten: Änderung des mittleren Wärmegehalts in oberen Ozeanschichten (0–700m) verglichen mit dem Mittelwert von 1970

…die Eismassen schmelzen, die Meeresspiegel steigen

Die letzten drei Dekaden waren die wärmsten, die wir seit 1952 zu verzeichnen haben, der Wärmeinhalt des Ozeans ist gestiegen und das arktische Meereis gewaltig geschrumpft. Es kommt in den letzten Jahren zu einem verstärkten Anstieg des Meeresspiegels, den sowohl Meeresstationen als auch Satellitenfotos dokumentieren. War im vergangenen Jahrhundert ein mittlerer Anstieg von 1,7mm/Jahr zu verzeichnen, so liegt der gegenwärtige Anstieg bei 3,2mm jährlich.

Abbildung 5.Die Gletscher gehen weltweit zurück und tragen zum Anstieg der Meeresspiegel bei. Nicht nur der Morteratsch-Gletscher in der Berninagruppe (Schweiz) ist so stark geschrumpft, sondern alle Gletscher weltweit.

Auch die Gletscher gehen weltweit zurück, vor allem seit dem Beginn der 1990er Jahre. Aktuell trägt dieser Rückgang jährlich bereits 0,8mm zum Meeresspiegelanstieg bei (Abbildung 5). Besonders hoch ist auch das Abschmelzen der Eisschilde – in der Dekade 2003 – 2012 übertreffen die Eismassenverluste in Grönland (0,6mm/Jahr) und in der Antarktis (0,4mm/Jahr) zusammen schon die Summe der Schmelzmasse aller Gletscher.

Was bringt die Zukunft? Klimamodelle

Wie sich das Klima entwickeln wird, lässt sich an Hand von Computermodellen simulieren. Diese sind zwar noch nicht perfekt, stellen jedoch die besten Vorhersagemodelle dar, die unsere Gesellschaft heute besitzt (besser als beispielsweise Modelle für Marktprognosen oder die Steuerschätzung).

Die Klimamodelle berechnen die Wechselwirkungen und Rückkopplungen der verschiedenen Komponenten des komplexen Klimasystems – Atmosphäre, Ozeane, Eismassen und Biosphäre am Land und in den Meeren. Von der physikalischen Seite her sind die Ansätze eigentlich simpel. So basieren funktionierende Klimamodelle für das System Atmosphäre – Ozean – Eis

  • auf etablierten, einfachen physikalischen Grundgleichungen, nämlich dem Massenerhaltungssatz, dem Energieerhaltungssatz und dem Impulserhaltungssatz, und
  • auf Messdaten von sechs grundlegenden Zustandsvariablen - Temperatur, Salzgehalt, Feuchte, Druck, Strömung, Wind (dies sind regelmäßig von Bodenstationen, Flugzeugen, Satelliten, Forschungsschiffen, driftenden Bojen etc. erhobene Daten), mit denen die Modelle validiert werden. Zusätzlich werden noch andere Variablen, wie z.B. Wolkenbedeckung und Niederschlag einbezogen.

Um Simulationen des sehr komplexen globalen Klimasystems zu ermöglichen, wird ein dreidimensionales Gitternetz über den Globus gelegt und für jede der so entstehenden Boxen (horizontale Abstände > 100km, vertikal 1km) mit Hilfe der genannten Gleichungen z.B. die Energiebilanz berechnet: d.i. wie viel Wärme geht in die Box, wie viel Wärme kommt heraus und wie viel bleibt drin und verändert dort die Temperatur (Abbildung 6).

Abbildung 6. Das Klimamodell berechnet die Wechselwirkungen zwischen den Komponenten Atmosphäre und Ozean mit Hilfe einfacher physikalisch-chemischer Grundgleichungen und einer Reihe von Variablen. (3D-Gitter: SNAP - Scenarios Network for Alaska and Arctic Plannin. Creative Commons Attribution 3.0 License)

Klimaprojektionen

Um an Hand der Klimamodelle Prognosen über langfristige künftige Entwicklungen des Klimas erstellen zu können, werden Szenarien durchgespielt, die auch ökonomische und soziale Entwicklungen (Wachstum der Bevölkerung, Ressourcenverbrauch) berücksichtigen und darauf basierend unterschiedliche Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen in Rechnung stellen. (Im 5. Sachstandsbericht des IPPC - Intergovernmental Panel on Climate Change – treten diese Szenarien als sogenannte „Repräsentative Konzentrationspfade“ (Representative Concentration Pathways - RCPs) in Erscheinung).

Alle diese Prognosen zeigen: wenn wir – im günstigsten Fall – versuchen, die Emissionen schon jetzt zu drosseln, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auf Null herunterzufahren und die CO2 Konzentration bis 2100 durch negative Emissionen (Carbon Capture and Storage) auf 400 ppm zu reduzieren (Szenario RCP 2.6), können wir bis zum Jahr 2100 unterhalb eines Temperaturanstiegs von 2 °C bleiben. Auch dann wird aber das arktische Meereis um ca. ein Drittel schrumpfen und der Meeresspiegel um rund 0,4m ansteigen. Wenn wir aber wie gehabt weitermachen, den Ausstoß von Treibhausgasen nicht bremsen, werden wir eine Erwärmung von bis zu 6 °C verursachen (RCP 8.5). Das arktische Meereis im Sommer könnte dann bereits 2070 verschwinden, der Meeresspiegel um bis zu einem Meter ansteigen. (Abbildung 7)

Abbildung 7. Klimaprojektionen für 4 RCP-Szenarien (RCP: repräsentative Konzentrationspfade). RCP 2,6 bedeutet, dass die aktuelle CO2- Konzentration von 400 ppm nicht weiter ansteigt, RCP8,5 berücksichtigt den steigenden Energieverbrauch und die entsprechenden Emissionen bei einem Anstieg der Weltbevölkerung auf 12 Milliarden im Jahr 2100. (5. Sachstandsbericht IPPC)

Die globale Erwärmung verändert auch die Kapazität der unteren Atmosphäre für Wasserdampf. Wie nun Wetterextreme eintreten werden, Niederschläge sich entwickeln werden, ist insbesondere für die Landwirtschaft von Interesse. Hier stimmen alle Projektionen dahingehend überein, dass in Mitteleuropa die Sommer heißer und trockener werden und sich die Trockenzone im Mittelmeergebiet nach Norden ausdehnen wird. Ein heißer Sommer, wie beispielsweise im Jahr 2003, wird 2050 wahrscheinlich bereits als normal und 2070 schon als kühl angesehen werden. Die Winter werden dagegen nasser werden – das bedeutet, dass zwar genügend Grundwasser vorhanden sein wird, die Bauern die Felder im Sommer aber bewässern werden müssen.

Der zu erwartende Anstieg des Meeresspiegels von bis zu einem Meter wird vor allem dichtbesiedelte, flache Küsten ohne geeignete Schutzvorrichtungen bedrohen – zig Millionen Menschen in Entwicklungsländern können davon betroffen sein.

Was kann getan werden?

Die Wissenschaft hat das Problem des Klimawandels und seiner Ursachen erkannt und Lösungswege ermittelt. Diese Lösungswege benötigen politische, sozio-ökonomische aber auch persönliche Umsetzung und können zusammengefasst unter den Begriffen Anpassung und Vermeidung subsummiert werden.

Anpassung bedeutet, dass wir

  • dem Anstieg des Meeresspiegel durch den Bau höherer Deiche begegnen,
  • verbesserte Schutzvorrichtungen gegen Überschwemmungen errichten,
  • Katastrophenschutz gegen extreme Wettersituationen einplanen,
  • uns vor Hitzewellen schützen müssen.

Vermeidung bedeutet, dass wir

  • Energie einsparen,
  • alternative Energietechnologien anwenden,
  • und vor allem Emissionen von Treibhausgasen zu vermeiden versuchen,

Unsere Herausforderung ist es, unseren sich stetig wandelnden Planeten nachhaltig zu nutzen.


*Der Artikel basiert auf dem zweiten Teil des Vortrags, den Peter Lemke anlässlich der Tagung „Diversität und Wandel - Leben auf dem Planeten Erde“ gehalten hat, die am 13. Juni 2014 im Festsaal der ÖAW in Wien stattfand. Ein Audio-Mitschnitt und die von ihm gezeigten Bilder finden sich auf der Seite: http://www.oeaw.ac.at/kioes/wandel.htm . Der erste Teil des Vortrags: „Wie Natur und Mensch das Klima beeinflussen und wie sich das auf die Energiebilanz der Erde auswirkt“, ist bereits am 30. Oktober erschienen.


Weiterführende Links

inge Fri, 06.11.2015 - 00:20