Luftverschmutzung in Europa: Ammoniak sollte vordringlich reduziert werden

Luftverschmutzung in Europa: Ammoniak sollte vordringlich reduziert werden

Fr, 04.08.2023— IIASA

IIASAIcon Politik & Gesellschaft Bei der Verringerung der Luftverschmutzung steht Europa noch vor zahlreichen Herausforderungen. Ein Zuviel an reaktivem Stickstoff (Nr) - dieser schließt Stickoxide (NOx) und Ammoniak (NH3) mit ei n - trägt in Europa stark zur Luftverschmutzung durch Feinstaub (PM2.5) bei und stellt eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. In der Entwicklung kosteneffizienter Fahrpläne zur Reduzierung der PM2,5-Belastung müssen sowohl die Effizienz der Reduzierung als auch die Implementierungskosten berücksichtigt werden. Ein internationales Team aus Forschern des IIAS A (International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA, Laxenburg bei Wien), der Universität für Bodenkultur (Wien), der Universität von Zielona Gora (Polen) und der Peking University haben in einer neuen Studie die Reduzierung von Ammoniakemissionen als kosteneffiziente Maßnahme zur Verringerung der Feinstaubkonzentration in der Atmosphäre ermittelt.*

Zu den weltweit, auch in Europa führenden Umweltrisikofaktoren für vorzeitige Todesfälle zählen Verschmutzungspartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer in der uns umgebenden Luft; diese werden auch als Feinstaub oder PM2,5 (PM: Particulate Matter)bezeichnet. Zwar konnten bereits die Emissionen von Luftschadstoffen wie Schwefeldioxid, Feinstaub und Stickoxiden erfolgreich reduziert werden konnten, es werden aber die neuen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Richtlinien für Luftqualität (PM2,5-Jahresmittel 5 μg/m3) in vielen Teilen des Kontinents immer noch überschritten: im Jahr 2019 war dies für 97 % der europäischen Messstationen der Fall.

Ein Zuviel an reaktivem Stickstoff (Nr), inklusive Stickoxiden (NOx = NO + NO2), Ammoniak (NH3), Nitrat (NO3-) und Ammonium (NH4+), ist eine anerkannte Umweltbedrohung für Ökosysteme und verschlechtert die Qualität von Luft, Boden und Wasser. Die anthropogenen Stickstoffquellen haben seit 1960 dramatisch zugenommen, wodurch sich der globale Stickstoffkreislauf und die daraus resultierenden schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme verschärft haben. Die Begrenzung der anthropogenen Stickstoffemissionen (hauptsächlich NOx und NH3) hat für den Umweltschutz hohe Priorität.

Wie die Autoren der neuen Studie, die soeben im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde [1] berichten, könnte das Aufhören der Ammoniak- und Stickoxidemissionen die PM2,5-Konzentration in Europa im Jahresdurchschnitt um 2,3 µg/m3 senken und jährlich etwa 100 000 vorzeitige Todesfälle verhindern. Abbildung 1. Für diese Aussagen beziehen die Autoren Schätzungen der Emissionen mit ein, Modellierungen von Luftqualität und der Relation Exponierung-Mortalität, Experimente zur Kontrolle von Nr. und Daten der Implementierungskosten.

Wenn es darum geht die Umweltverschmutzung zu verringern, hat die Senkung der Stickoxide eine permanente Wirkung. Die Reduzierung von Ammoniak ist sofort nicht gleich wirksam, wird aber entscheidend, wenn man eine erhebliche Verringerung der Verschmutzung anstrebt. Zudem ist bei gleich großer Verringerung der PM2,5-Belastung die Reduzierung der Ammoniakemissionen fünf- bis zehnmal so kosteneffizient; dies macht deutlich, dass ein Fokus auf die Verringerung der Ammoniakemissionen von entscheidender Bedeutung ist, um eine weitgehende Senkung der Luftverschmutzung in ganz Europa zu erreichen.

Abbildung 1. Der Beitrag der Emissionen von reaktivem Stickstoff (Nr) zur PM2,5-Luftverschmutzung über Europa für das Jahr 2015. Veränderungen der PM2,5-Konzentrationen (Delta PM2,5) bei Aufhören der a) anthropogenen Nr (NOx+NH3)-Emissionen, b) der NOx-Emissionen und c)der NH3-Emissionen (c).

N-Anteile an der PM2,5-Luftverschmutzung durch Emissionen von d) Nr, e) NOx (e), und f) NH3. (Abbildung und Legende (von Redn. übersetzt und eingefügt aus Liu et al., 2023, Lizenz: cc-b [1].)

" In unserem Modellierungsansatz konnten wir unterschiedliche chemische Regulatorsysteme feststellen. Die Auswirkungen sind in den verschiedenen Teilen Europas unterschiedlich, da die anfängliche chemische Zusammensetzung der Atmosphäre variiert", erklärt Zehui Liu, Hauptautor der Studie und Forscher am Laboratory for Climate and Ocean-Atmosphere Studies (Universität Peking, China).

"Wir sehen den gleichen Effekt, wenn die Emissionsminderung erfolgreich anläuft - sobald die Stickoxide reduziert sind, wird es immer wichtiger, Ammoniak zu entfernen".

Die Autoren sind der Überzeugung, dass ihre Ergebnisse einen Beitrag zur Festlegung politischer Prioritäten leisten werden. "Die meisten Stickoxidemissionen stammen von Fabriken und Fahrzeugen, und wir haben bereits Schritte unternommen, um diese zu kontrollieren. In der Landwirtschaft, die die Hauptquelle für Ammoniakemissionen ist, haben wir jedoch kaum Fortschritte gemacht. Das bedeutet eine Chance durch die Umsetzung wirksamer Maßnahmen im Agrarsektor positive Ergebnisse zu erzielen", bemerkt Wilfried Winiwarter, Mitautor der Studie und leitender Wissenschaftler in der IIASA-Forschungsgruppe für Umweltverschmutzung.

"Wir haben festgestellt, dass die Verbesserungen der Luftqualität von Region zu Region unterschiedlich sind. Eine weitere Verbesserung der Luftqualität bei Feinstaub würde darüber hinaus auch strengere Kontrollmaßnahmen für andere Schadstoffe als Stickoxide und Ammoniak erfordern", ergänzt Harald Rieder, ein weiterer Mitautor der Studie und Professor an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien.

"Wir können auch für andere Teile der Welt, wie China und Indien Erfahrungen sammeln. Nachdem wir in China erfolgreich mit der Verringerung der Luftverschmutzung begonnen haben, müssen wir nun die nächsten Schritte zur Emissionsreduzierung festlegen", schließt Lin Zhang, Mitautor der Studie und Professor an der Universität Peking.


 [1]Liu, Z., Rieder, H.E., Schmidt, C., Mayer, M., Guo, Y., Winiwarter, W., and Zhang, L. (2023). Optimal reactive nitrogen control pathways identified for cost-effective PM2.5 mitigation in Europe. Nature Communications 14, 4246. DOI: 10.1038/s41467-023-39900-9; open access.


*Der Blogartikel basiert auf der IIASA-Presseaussendung “ Ammonia reduction should be prioritized in Europe’s fight against air pollution

https://iiasa.ac.at/news/jul-2023/ammonia-reduction-should-be-prioritized-in-europes-fight-against-air-pollution vom 26. Juli 2023. Diese wurde von der Redaktion aus dem Englischen übersetzt, geringfügig für den Blog adaptiert und mit Texten und mit Abbildung 1 aus der zugrundeliegenden Veröffentlichung [1] ergänzt. IIASA ist freundlicherweise mit Übersetzung und Veröffentlichung seiner Nachrichten in unserem Blog einverstanden.


Luftverschmutzung im ScienceBlog:


 

inge Fri, 04.08.2023 - 15:24